Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.herauf wehte es feucht und kühl; so kehrten wir wieder nach Um die gewohnte Stunde kam der Alte mit dem Abend¬ 3*
herauf wehte es feucht und kühl; ſo kehrten wir wieder nach Um die gewohnte Stunde kam der Alte mit dem Abend¬ 3*
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0051" n="35"/> herauf wehte es feucht und kühl; ſo kehrten wir wieder nach<lb/> Hauſe zurück. Die Lampe ward angezündet und wir ließen<lb/> uns auf das Sopha nieder. Dort ſaßen wir ſchweigend, die<lb/> Blicke auf einander geheftet, als wollte Jeder ſich noch einmal<lb/> das Bild des Andern ſo recht tief in's Herz prägen.</p><lb/> <p>Um die gewohnte Stunde kam der Alte mit dem Abend¬<lb/> eſſen, an das wir einſylbig und gedankenvoll gingen. Zuletzt<lb/> ſchenkte Innocens die Gläſer voll und ſagte: „So müſſen wir<lb/> denn ſcheiden. Wer am meiſten dabei verliert, bin ich. Denn,“<lb/> fuhr er, meine Einwendung abſchneidend, fort, „ſo unangenehm<lb/> Ihnen die Ereigniſſe, denen Sie folgen müſſen, auch ſein<lb/> mögen; das Ungewohnte und Wechſelvolle daran wird Sie<lb/> doch gewaltſam über das Schmerzliche unſerer Trennung hin¬<lb/> wegreißen. Und wenn alles überwunden und abgethan iſt,<lb/> dann liegt das Leben wieder in einer neuen Bedeutung, mit<lb/> friſchen Hoffnungen vor Ihnen. Sie ſind noch jung; welche<lb/> Erlebniſſe, welche Eindrücke harren noch Ihrer, mit was für<lb/> Menſchen können Sie noch bekannt und befreundet werden!<lb/> Ich aber bleibe in meiner Einſamkeit zurück. Ich werde Sie<lb/> jeden Tag, zu jeder Stunde vermiſſen. Selbſt meine gewohnte<lb/> Thätigkeit wird mir verwaiſ't erſcheinen, da Sie ſchon ſo innig<lb/> damit verknüpft waren — und ſo bleibt mir kein anderer Troſt,<lb/> als der der Erinnerung.“ Er hielt mir bei dieſen Worten<lb/> ſein Glas entgegen, in welchem der flüſſige Rubin des Weines<lb/> wunderſam funkelte. Wir ſtießen an und tranken, worauf er<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3*<lb/></fw> </p> </body> </text> </TEI> [35/0051]
herauf wehte es feucht und kühl; ſo kehrten wir wieder nach
Hauſe zurück. Die Lampe ward angezündet und wir ließen
uns auf das Sopha nieder. Dort ſaßen wir ſchweigend, die
Blicke auf einander geheftet, als wollte Jeder ſich noch einmal
das Bild des Andern ſo recht tief in's Herz prägen.
Um die gewohnte Stunde kam der Alte mit dem Abend¬
eſſen, an das wir einſylbig und gedankenvoll gingen. Zuletzt
ſchenkte Innocens die Gläſer voll und ſagte: „So müſſen wir
denn ſcheiden. Wer am meiſten dabei verliert, bin ich. Denn,“
fuhr er, meine Einwendung abſchneidend, fort, „ſo unangenehm
Ihnen die Ereigniſſe, denen Sie folgen müſſen, auch ſein
mögen; das Ungewohnte und Wechſelvolle daran wird Sie
doch gewaltſam über das Schmerzliche unſerer Trennung hin¬
wegreißen. Und wenn alles überwunden und abgethan iſt,
dann liegt das Leben wieder in einer neuen Bedeutung, mit
friſchen Hoffnungen vor Ihnen. Sie ſind noch jung; welche
Erlebniſſe, welche Eindrücke harren noch Ihrer, mit was für
Menſchen können Sie noch bekannt und befreundet werden!
Ich aber bleibe in meiner Einſamkeit zurück. Ich werde Sie
jeden Tag, zu jeder Stunde vermiſſen. Selbſt meine gewohnte
Thätigkeit wird mir verwaiſ't erſcheinen, da Sie ſchon ſo innig
damit verknüpft waren — und ſo bleibt mir kein anderer Troſt,
als der der Erinnerung.“ Er hielt mir bei dieſen Worten
ſein Glas entgegen, in welchem der flüſſige Rubin des Weines
wunderſam funkelte. Wir ſtießen an und tranken, worauf er
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