wollte ein Fest, zu dem er geladen war, nicht gerne versäumen und versprach, den Dienst in meiner Tour nach¬ zutragen. Ich enthob ihn dieser Verpflichtung und sagte freudig zu.
Es heimelte mich wohlthuend an, als ich mich wieder innerhalb der Wälle befand. Während der ersten schwülen Nachmittagsstunden verblieb ich im Wachtzimmer; dann aber nahm ich ein Buch und ging in's Freie. Die heißen Strah¬ len der Junisonne hatten das schwellende Grün der Schanzen schon etwas ausgetrocknet, und der würzige Geruch des Thy¬ mians, der überall in dichten Büscheln wucherte, schwamm in der Luft. Ohne es eigentlich zu wollen, schritt ich der Bastei zu. Etwas in meinem Innern sagte mir, ich würde jetzt den Pater dort treffen; und der Wunsch, mit diesem eigenthüm¬ lichen Manne bekannt zu werden, überwand in mir nach und nach die Bedentlichkeit, ihm durch mein Erscheinen eine un¬ willkommene Störung zu bereiten. Ich nahm mir sogar vor, ihn zu grüßen, eine Höflichkeitsbezeugung, die, seinem Stande gegenüber, eben nichts Befremdendes oder Auffallendes haben konnte. Vielleicht erwiederte er meinen Gruß mit einigen freundlichen Worten und der erste Schritt zur gegenseitigen Annäherung war gethan.
Mein Herz schlug erwartungsvoll, als ich die Bastei be¬ trat. Ich hatte mich nicht getäuscht; dort lag er, in ein Buch vertieft, unter den abgeblühten Fliederbüschen. Nun aber
wollte ein Feſt, zu dem er geladen war, nicht gerne verſäumen und verſprach, den Dienſt in meiner Tour nach¬ zutragen. Ich enthob ihn dieſer Verpflichtung und ſagte freudig zu.
Es heimelte mich wohlthuend an, als ich mich wieder innerhalb der Wälle befand. Während der erſten ſchwülen Nachmittagsſtunden verblieb ich im Wachtzimmer; dann aber nahm ich ein Buch und ging in's Freie. Die heißen Strah¬ len der Juniſonne hatten das ſchwellende Grün der Schanzen ſchon etwas ausgetrocknet, und der würzige Geruch des Thy¬ mians, der überall in dichten Büſcheln wucherte, ſchwamm in der Luft. Ohne es eigentlich zu wollen, ſchritt ich der Baſtei zu. Etwas in meinem Innern ſagte mir, ich würde jetzt den Pater dort treffen; und der Wunſch, mit dieſem eigenthüm¬ lichen Manne bekannt zu werden, überwand in mir nach und nach die Bedentlichkeit, ihm durch mein Erſcheinen eine un¬ willkommene Störung zu bereiten. Ich nahm mir ſogar vor, ihn zu grüßen, eine Höflichkeitsbezeugung, die, ſeinem Stande gegenüber, eben nichts Befremdendes oder Auffallendes haben konnte. Vielleicht erwiederte er meinen Gruß mit einigen freundlichen Worten und der erſte Schritt zur gegenſeitigen Annäherung war gethan.
Mein Herz ſchlug erwartungsvoll, als ich die Baſtei be¬ trat. Ich hatte mich nicht getäuſcht; dort lag er, in ein Buch vertieft, unter den abgeblühten Fliederbüſchen. Nun aber
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wollte ein Feſt, zu dem er geladen war, nicht gerne
verſäumen und verſprach, den Dienſt in meiner Tour nach¬
zutragen. Ich enthob ihn dieſer Verpflichtung und ſagte
freudig zu.
Es heimelte mich wohlthuend an, als ich mich wieder
innerhalb der Wälle befand. Während der erſten ſchwülen
Nachmittagsſtunden verblieb ich im Wachtzimmer; dann aber
nahm ich ein Buch und ging in's Freie. Die heißen Strah¬
len der Juniſonne hatten das ſchwellende Grün der Schanzen
ſchon etwas ausgetrocknet, und der würzige Geruch des Thy¬
mians, der überall in dichten Büſcheln wucherte, ſchwamm in
der Luft. Ohne es eigentlich zu wollen, ſchritt ich der Baſtei
zu. Etwas in meinem Innern ſagte mir, ich würde jetzt den
Pater dort treffen; und der Wunſch, mit dieſem eigenthüm¬
lichen Manne bekannt zu werden, überwand in mir nach und
nach die Bedentlichkeit, ihm durch mein Erſcheinen eine un¬
willkommene Störung zu bereiten. Ich nahm mir ſogar vor,
ihn zu grüßen, eine Höflichkeitsbezeugung, die, ſeinem Stande
gegenüber, eben nichts Befremdendes oder Auffallendes haben
konnte. Vielleicht erwiederte er meinen Gruß mit einigen
freundlichen Worten und der erſte Schritt zur gegenſeitigen
Annäherung war gethan.
Mein Herz ſchlug erwartungsvoll, als ich die Baſtei be¬
trat. Ich hatte mich nicht getäuſcht; dort lag er, in ein Buch
vertieft, unter den abgeblühten Fliederbüſchen. Nun aber
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/31>, abgerufen am 24.11.2024.
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