Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

und Liebreiz ihrer Erscheinung, an ihrer ebenso geschmackvollen
als kostbaren Kleiderpracht zu entzücken, und vorwiegend war
es gerade das weibliche Geschlecht, das mit ihr einen fast
schwärmerischen Cultus betrieb. Auch in der Oper und im
Schauspiel waren Aller Augen auf sie gerichtet, und ein deut¬
lich vernehmbares Ah! befriedigter Erwartung ging durch das
Haus, wenn sie, nachdem ihre Loge länger als sonst leer ge¬
blieben war, plötzlich an der Brüstung erschien. -- Und
dieser Frau, diesem Manne sollte ich nun als junger, kaum
flügge gewordener Offizier, der sich niemals in der großen
Welt bewegt hatte, entgegen treten! Es war ein in jeder
Hinsicht beklemmender Gedanke, und ich schöpfte noch einigen
Trost aus der naheliegenden Annahme, daß man mich vielleicht
bloß der Sorge des Schloßverwalters überantworten und gar
nicht an sich heranziehen würde. --

Inzwischen hatten wir die Avenue erreicht, wo ein mäch¬
tiger Springbrunnen im Sonnenschein stäubte und glitzerte.
Der Verwalter lenkte den Wagen rückwärts um das Schloß
herum, hielt vor einem niederen Seitenthore und geleitete mich
über eine vereinsamte Treppe in den Halbstock empor. Dort
schloß er ein kühles, weitläufiges Gemach auf, wo ich schon
Alles zu meinem Empfange vorgerichtet fand. "Ich bitte, es
sich hier bequem zu machen", sagte er. "Wenn Etwas fehlen
sollte -- diese Klingelschnur geht nach meiner Wohnung. Um
fünf Uhr wird gespeist. Die Herrschaften erwarten Sie zu

und Liebreiz ihrer Erſcheinung, an ihrer ebenſo geſchmackvollen
als koſtbaren Kleiderpracht zu entzücken, und vorwiegend war
es gerade das weibliche Geſchlecht, das mit ihr einen faſt
ſchwärmeriſchen Cultus betrieb. Auch in der Oper und im
Schauſpiel waren Aller Augen auf ſie gerichtet, und ein deut¬
lich vernehmbares Ah! befriedigter Erwartung ging durch das
Haus, wenn ſie, nachdem ihre Loge länger als ſonſt leer ge¬
blieben war, plötzlich an der Brüſtung erſchien. — Und
dieſer Frau, dieſem Manne ſollte ich nun als junger, kaum
flügge gewordener Offizier, der ſich niemals in der großen
Welt bewegt hatte, entgegen treten! Es war ein in jeder
Hinſicht beklemmender Gedanke, und ich ſchöpfte noch einigen
Troſt aus der naheliegenden Annahme, daß man mich vielleicht
bloß der Sorge des Schloßverwalters überantworten und gar
nicht an ſich heranziehen würde. —

Inzwiſchen hatten wir die Avenue erreicht, wo ein mäch¬
tiger Springbrunnen im Sonnenſchein ſtäubte und glitzerte.
Der Verwalter lenkte den Wagen rückwärts um das Schloß
herum, hielt vor einem niederen Seitenthore und geleitete mich
über eine vereinſamte Treppe in den Halbſtock empor. Dort
ſchloß er ein kühles, weitläufiges Gemach auf, wo ich ſchon
Alles zu meinem Empfange vorgerichtet fand. „Ich bitte, es
ſich hier bequem zu machen“, ſagte er. „Wenn Etwas fehlen
ſollte — dieſe Klingelſchnur geht nach meiner Wohnung. Um
fünf Uhr wird geſpeiſt. Die Herrſchaften erwarten Sie zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="251"/>
und Liebreiz ihrer Er&#x017F;cheinung, an ihrer eben&#x017F;o ge&#x017F;chmackvollen<lb/>
als ko&#x017F;tbaren Kleiderpracht zu entzücken, und vorwiegend war<lb/>
es gerade das weibliche Ge&#x017F;chlecht, das mit ihr einen fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;chwärmeri&#x017F;chen Cultus betrieb. Auch in der Oper und im<lb/>
Schau&#x017F;piel waren Aller Augen auf &#x017F;ie gerichtet, und ein deut¬<lb/>
lich vernehmbares Ah! befriedigter Erwartung ging durch das<lb/>
Haus, wenn &#x017F;ie, nachdem ihre Loge länger als &#x017F;on&#x017F;t leer ge¬<lb/>
blieben war, plötzlich an der Brü&#x017F;tung er&#x017F;chien. &#x2014; Und<lb/><hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Frau, <hi rendition="#g">die&#x017F;em</hi> Manne &#x017F;ollte ich nun als junger, kaum<lb/>
flügge gewordener Offizier, der &#x017F;ich niemals in der großen<lb/>
Welt bewegt hatte, entgegen treten! Es war ein in jeder<lb/>
Hin&#x017F;icht beklemmender Gedanke, und ich &#x017F;chöpfte noch einigen<lb/>
Tro&#x017F;t aus der naheliegenden Annahme, daß man mich vielleicht<lb/>
bloß der Sorge des Schloßverwalters überantworten und gar<lb/>
nicht an &#x017F;ich heranziehen würde. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Inzwi&#x017F;chen hatten wir die Avenue erreicht, wo ein mäch¬<lb/>
tiger Springbrunnen im Sonnen&#x017F;chein &#x017F;täubte und glitzerte.<lb/>
Der Verwalter lenkte den Wagen rückwärts um das Schloß<lb/>
herum, hielt vor einem niederen Seitenthore und geleitete mich<lb/>
über eine verein&#x017F;amte Treppe in den Halb&#x017F;tock empor. Dort<lb/>
&#x017F;chloß er ein kühles, weitläufiges Gemach auf, wo ich &#x017F;chon<lb/>
Alles zu meinem Empfange vorgerichtet fand. &#x201E;Ich bitte, es<lb/>
&#x017F;ich hier bequem zu machen&#x201C;, &#x017F;agte er. &#x201E;Wenn Etwas fehlen<lb/>
&#x017F;ollte &#x2014; die&#x017F;e Klingel&#x017F;chnur geht nach meiner Wohnung. Um<lb/>
fünf Uhr wird ge&#x017F;pei&#x017F;t. Die Herr&#x017F;chaften erwarten Sie zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0267] und Liebreiz ihrer Erſcheinung, an ihrer ebenſo geſchmackvollen als koſtbaren Kleiderpracht zu entzücken, und vorwiegend war es gerade das weibliche Geſchlecht, das mit ihr einen faſt ſchwärmeriſchen Cultus betrieb. Auch in der Oper und im Schauſpiel waren Aller Augen auf ſie gerichtet, und ein deut¬ lich vernehmbares Ah! befriedigter Erwartung ging durch das Haus, wenn ſie, nachdem ihre Loge länger als ſonſt leer ge¬ blieben war, plötzlich an der Brüſtung erſchien. — Und dieſer Frau, dieſem Manne ſollte ich nun als junger, kaum flügge gewordener Offizier, der ſich niemals in der großen Welt bewegt hatte, entgegen treten! Es war ein in jeder Hinſicht beklemmender Gedanke, und ich ſchöpfte noch einigen Troſt aus der naheliegenden Annahme, daß man mich vielleicht bloß der Sorge des Schloßverwalters überantworten und gar nicht an ſich heranziehen würde. — Inzwiſchen hatten wir die Avenue erreicht, wo ein mäch¬ tiger Springbrunnen im Sonnenſchein ſtäubte und glitzerte. Der Verwalter lenkte den Wagen rückwärts um das Schloß herum, hielt vor einem niederen Seitenthore und geleitete mich über eine vereinſamte Treppe in den Halbſtock empor. Dort ſchloß er ein kühles, weitläufiges Gemach auf, wo ich ſchon Alles zu meinem Empfange vorgerichtet fand. „Ich bitte, es ſich hier bequem zu machen“, ſagte er. „Wenn Etwas fehlen ſollte — dieſe Klingelſchnur geht nach meiner Wohnung. Um fünf Uhr wird geſpeiſt. Die Herrſchaften erwarten Sie zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/267
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/267>, abgerufen am 23.11.2024.