bestreuten Wege zwischen den Gräbern hin. Ein einsamer Falter flatterte mir still über den Blumen voran, während ich hier und dort die Inschriften und Namen auf den schlichten Kreuzen las. Unter den Monumenten, deren es hier nur wenige gab, zog mich eines durch edle und ergreifende Ein¬ fachheit besonders an. Es war ein kleiner Obelisk von weißem Marmor und stand, etwas abseits von den übrigen, unter einer herrlichen breitästigen Thränenweide. Die Inschrift war in römischen Lettern, deren Vergoldung schon etwas gelitten hatte, eingehauen und lautete: Friederike Friedheim. geb: 16ten Januar 1829, gest: 30ten Mai 1846. Vor diesem Grabe stand ich lange. Wer war dieses Mädchen, das der Tod so früh gebrochen, das man vor mehr als einem Jahr¬ zehend hier bestattet hatte? Lebte ihr Andenken fort im Her¬ zen trauernder Eltern, im Geiste eines Mannes, dessen Jüng¬ lingsideal sie gewesen? Oder war sie verweht, wie ein Duft, ein Klang im Gewühl und im Lärm des rastlos vorwärts drängenden Lebens, und nannte nurmehr der Marmor ihren Namen?
Solche Gedanken und Empfindungen klangen noch in mir nach, als ich schon wieder draußen auf dem Pfade hinschritt und mich einer Bastei näherte, die als äußerster Punkt des Forts in einem stumpfen Winkel gegen den Fluß zu aussprang. Still und verlassen lag sie da, fast ganz von Schleh- und Hagedorn überwuchert. Ein verfallenes Blockhaus erhob sich
beſtreuten Wege zwiſchen den Gräbern hin. Ein einſamer Falter flatterte mir ſtill über den Blumen voran, während ich hier und dort die Inſchriften und Namen auf den ſchlichten Kreuzen las. Unter den Monumenten, deren es hier nur wenige gab, zog mich eines durch edle und ergreifende Ein¬ fachheit beſonders an. Es war ein kleiner Obelisk von weißem Marmor und ſtand, etwas abſeits von den übrigen, unter einer herrlichen breitäſtigen Thränenweide. Die Inſchrift war in römiſchen Lettern, deren Vergoldung ſchon etwas gelitten hatte, eingehauen und lautete: Friederike Friedheim. geb: 16ten Januar 1829, gest: 30ten Mai 1846. Vor dieſem Grabe ſtand ich lange. Wer war dieſes Mädchen, das der Tod ſo früh gebrochen, das man vor mehr als einem Jahr¬ zehend hier beſtattet hatte? Lebte ihr Andenken fort im Her¬ zen trauernder Eltern, im Geiſte eines Mannes, deſſen Jüng¬ lingsideal ſie geweſen? Oder war ſie verweht, wie ein Duft, ein Klang im Gewühl und im Lärm des raſtlos vorwärts drängenden Lebens, und nannte nurmehr der Marmor ihren Namen?
Solche Gedanken und Empfindungen klangen noch in mir nach, als ich ſchon wieder draußen auf dem Pfade hinſchritt und mich einer Baſtei näherte, die als äußerſter Punkt des Forts in einem ſtumpfen Winkel gegen den Fluß zu ausſprang. Still und verlaſſen lag ſie da, faſt ganz von Schleh- und Hagedorn überwuchert. Ein verfallenes Blockhaus erhob ſich
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beſtreuten Wege zwiſchen den Gräbern hin. Ein einſamer
Falter flatterte mir ſtill über den Blumen voran, während ich
hier und dort die Inſchriften und Namen auf den ſchlichten
Kreuzen las. Unter den Monumenten, deren es hier nur
wenige gab, zog mich eines durch edle und ergreifende Ein¬
fachheit beſonders an. Es war ein kleiner Obelisk von weißem
Marmor und ſtand, etwas abſeits von den übrigen, unter
einer herrlichen breitäſtigen Thränenweide. Die Inſchrift war
in römiſchen Lettern, deren Vergoldung ſchon etwas gelitten
hatte, eingehauen und lautete: Friederike Friedheim. geb:
16ten Januar 1829, gest: 30ten Mai 1846. Vor dieſem
Grabe ſtand ich lange. Wer war dieſes Mädchen, das der
Tod ſo früh gebrochen, das man vor mehr als einem Jahr¬
zehend hier beſtattet hatte? Lebte ihr Andenken fort im Her¬
zen trauernder Eltern, im Geiſte eines Mannes, deſſen Jüng¬
lingsideal ſie geweſen? Oder war ſie verweht, wie ein Duft,
ein Klang im Gewühl und im Lärm des raſtlos vorwärts
drängenden Lebens, und nannte nurmehr der Marmor ihren
Namen?
Solche Gedanken und Empfindungen klangen noch in mir
nach, als ich ſchon wieder draußen auf dem Pfade hinſchritt
und mich einer Baſtei näherte, die als äußerſter Punkt des
Forts in einem ſtumpfen Winkel gegen den Fluß zu ausſprang.
Still und verlaſſen lag ſie da, faſt ganz von Schleh- und
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/23>, abgerufen am 24.11.2024.
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