Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

hier mit so viel Ausdruck und Präcision vorgetragen wurden,
daß sich der allgemeine Beifall oft und laut kundgab. Auch
die Spielenden waren ganz geeignet, die Blicke auf sich zu
ziehen. Sie trugen alle drei weiße Kleider mit Gürteln und
Achselbändern von schwarzem Taft, welche einfache Tracht ihre
jugendlichen Erscheinungen anmuthig hervorhob. Obgleich sie
einander gar nicht ähnlich sahen, so konnte man sich doch des
Eindruckes nicht erwehren, man habe drei Schwestern vor sich.
Die Jüngste, welche am Claviere saß, war fast noch ein Kind.
Aber die Kraft und Sicherheit, mit welcher sie trotz der zucken¬
den Unruhe ihres schmächtigen, halbwüchsigen Körpers spielte;
die herausfordernde Art und Weise, wie sie, die krausen, blon¬
den Locken schüttelnd, ihr mehr reizendes als schönes Gesicht
dem Publikum zukehrte, gab ihr etwas Frühreifes und Be¬
wußtes, das gleichzeitig anzog und abstieß. Die Mittlere mit
dem Cello war ihr gerader Gegensatz. In voll entwickelter
Jugendblüthe, die Wangen rosig, das glänzende schwarze Haar
schlicht aus der Stirne gestrichen, saß sie gelassen da und
wandte ihre ganze Aufmerksamkeit dem ungelenken Instrumente
zu, das sie handhabte. Einen wunderbaren Anblick aber bot
die Aelteste dar, welche mit der Geige im Vordergrund der
Bühne stand. Sie mochte ungefähr fünfundzwanzig Jahre
zählen und war bereits von jenem schwermüthigem Reiz des
Verblühens umhaucht, welcher manche Frauen so anziehend
macht. Die zarte Wange leicht an das bräunliche Holz ge¬

hier mit ſo viel Ausdruck und Präciſion vorgetragen wurden,
daß ſich der allgemeine Beifall oft und laut kundgab. Auch
die Spielenden waren ganz geeignet, die Blicke auf ſich zu
ziehen. Sie trugen alle drei weiße Kleider mit Gürteln und
Achſelbändern von ſchwarzem Taft, welche einfache Tracht ihre
jugendlichen Erſcheinungen anmuthig hervorhob. Obgleich ſie
einander gar nicht ähnlich ſahen, ſo konnte man ſich doch des
Eindruckes nicht erwehren, man habe drei Schweſtern vor ſich.
Die Jüngſte, welche am Claviere ſaß, war faſt noch ein Kind.
Aber die Kraft und Sicherheit, mit welcher ſie trotz der zucken¬
den Unruhe ihres ſchmächtigen, halbwüchſigen Körpers ſpielte;
die herausfordernde Art und Weiſe, wie ſie, die krauſen, blon¬
den Locken ſchüttelnd, ihr mehr reizendes als ſchönes Geſicht
dem Publikum zukehrte, gab ihr etwas Frühreifes und Be¬
wußtes, das gleichzeitig anzog und abſtieß. Die Mittlere mit
dem Cello war ihr gerader Gegenſatz. In voll entwickelter
Jugendblüthe, die Wangen roſig, das glänzende ſchwarze Haar
ſchlicht aus der Stirne geſtrichen, ſaß ſie gelaſſen da und
wandte ihre ganze Aufmerkſamkeit dem ungelenken Inſtrumente
zu, das ſie handhabte. Einen wunderbaren Anblick aber bot
die Aelteſte dar, welche mit der Geige im Vordergrund der
Bühne ſtand. Sie mochte ungefähr fünfundzwanzig Jahre
zählen und war bereits von jenem ſchwermüthigem Reiz des
Verblühens umhaucht, welcher manche Frauen ſo anziehend
macht. Die zarte Wange leicht an das bräunliche Holz ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0217" n="201"/>
hier mit &#x017F;o viel Ausdruck und Präci&#x017F;ion vorgetragen wurden,<lb/>
daß &#x017F;ich der allgemeine Beifall oft und laut kundgab. Auch<lb/>
die Spielenden waren ganz geeignet, die Blicke auf &#x017F;ich zu<lb/>
ziehen. Sie trugen alle drei weiße Kleider mit Gürteln und<lb/>
Ach&#x017F;elbändern von &#x017F;chwarzem Taft, welche einfache Tracht ihre<lb/>
jugendlichen Er&#x017F;cheinungen anmuthig hervorhob. Obgleich &#x017F;ie<lb/>
einander gar nicht ähnlich &#x017F;ahen, &#x017F;o konnte man &#x017F;ich doch des<lb/>
Eindruckes nicht erwehren, man habe drei Schwe&#x017F;tern vor &#x017F;ich.<lb/>
Die Jüng&#x017F;te, welche am Claviere &#x017F;aß, war fa&#x017F;t noch ein Kind.<lb/>
Aber die Kraft und Sicherheit, mit welcher &#x017F;ie trotz der zucken¬<lb/>
den Unruhe ihres &#x017F;chmächtigen, halbwüch&#x017F;igen Körpers &#x017F;pielte;<lb/>
die herausfordernde Art und Wei&#x017F;e, wie &#x017F;ie, die krau&#x017F;en, blon¬<lb/>
den Locken &#x017F;chüttelnd, ihr mehr reizendes als &#x017F;chönes Ge&#x017F;icht<lb/>
dem Publikum zukehrte, gab ihr etwas Frühreifes und Be¬<lb/>
wußtes, das gleichzeitig anzog und ab&#x017F;tieß. Die Mittlere mit<lb/>
dem Cello war ihr gerader Gegen&#x017F;atz. In voll entwickelter<lb/>
Jugendblüthe, die Wangen ro&#x017F;ig, das glänzende &#x017F;chwarze Haar<lb/>
&#x017F;chlicht aus der Stirne ge&#x017F;trichen, &#x017F;&#x017F;ie gela&#x017F;&#x017F;en da und<lb/>
wandte ihre ganze Aufmerk&#x017F;amkeit dem ungelenken In&#x017F;trumente<lb/>
zu, das &#x017F;ie handhabte. Einen wunderbaren Anblick aber bot<lb/>
die Aelte&#x017F;te dar, welche mit der Geige im Vordergrund der<lb/>
Bühne &#x017F;tand. Sie mochte ungefähr fünfundzwanzig Jahre<lb/>
zählen und war bereits von jenem &#x017F;chwermüthigem Reiz des<lb/>
Verblühens umhaucht, welcher manche Frauen &#x017F;o anziehend<lb/>
macht. Die zarte Wange leicht an das bräunliche Holz ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0217] hier mit ſo viel Ausdruck und Präciſion vorgetragen wurden, daß ſich der allgemeine Beifall oft und laut kundgab. Auch die Spielenden waren ganz geeignet, die Blicke auf ſich zu ziehen. Sie trugen alle drei weiße Kleider mit Gürteln und Achſelbändern von ſchwarzem Taft, welche einfache Tracht ihre jugendlichen Erſcheinungen anmuthig hervorhob. Obgleich ſie einander gar nicht ähnlich ſahen, ſo konnte man ſich doch des Eindruckes nicht erwehren, man habe drei Schweſtern vor ſich. Die Jüngſte, welche am Claviere ſaß, war faſt noch ein Kind. Aber die Kraft und Sicherheit, mit welcher ſie trotz der zucken¬ den Unruhe ihres ſchmächtigen, halbwüchſigen Körpers ſpielte; die herausfordernde Art und Weiſe, wie ſie, die krauſen, blon¬ den Locken ſchüttelnd, ihr mehr reizendes als ſchönes Geſicht dem Publikum zukehrte, gab ihr etwas Frühreifes und Be¬ wußtes, das gleichzeitig anzog und abſtieß. Die Mittlere mit dem Cello war ihr gerader Gegenſatz. In voll entwickelter Jugendblüthe, die Wangen roſig, das glänzende ſchwarze Haar ſchlicht aus der Stirne geſtrichen, ſaß ſie gelaſſen da und wandte ihre ganze Aufmerkſamkeit dem ungelenken Inſtrumente zu, das ſie handhabte. Einen wunderbaren Anblick aber bot die Aelteſte dar, welche mit der Geige im Vordergrund der Bühne ſtand. Sie mochte ungefähr fünfundzwanzig Jahre zählen und war bereits von jenem ſchwermüthigem Reiz des Verblühens umhaucht, welcher manche Frauen ſo anziehend macht. Die zarte Wange leicht an das bräunliche Holz ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/217
Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/217>, abgerufen am 23.11.2024.