mit fortgerissen. Kaum aber hatte Walberg einen Blick in das bleiche Antlitz des Weibes gethan, als er mich mit einem unterdrückten Aufschrei beim Arm ergriff und fortziehen wollte. Er faßte sich aber gleich wieder, trat auf die Sicherheitswache zu, die sich eingefunden hatte und wechselte mit dem Manne einige Worte. Mittlerweile hatte man Vorkehrungen getrof¬ fen, die, wie es schien, bereits Entseelte in die nächste Ret¬ tungsanstalt zu bringen. Wir schloßen uns dem traurigen Zuge an und traten, indeß die Menge draußen zurückgehalten wurde, bei dem Wundarzte ein. Während dieser mit seinen Gehilfen im Nebenzimmer Belebungsversuche anstellte, sank Walberg erschöpft in einen Stuhl und schrieb einige Worte auf ein Blatt Papier, welches er aus seinem Notizbuche los¬ getrennt hatte. Der Arzt erschien bald und erklärte achsel¬ zuckend, daß Alles vergebens und das Frauenzimmer todt sei. Walberg erhob sich und trat, während ich folgte, noch einmal an die Leiche, welche im grellen Lichte einer von der Decke niederhängenden Lampe auf dem Sopha des Zimmers lag. Es war eine schlanke, zartbusige Gestalt; bereits über die eigentliche Jugend hinaus, aber selbst noch im Tode von jener Anmuth umflossen, welche nie altert. Die nassen, an den Formen klebenden Gewänder erschienen ziemlich abgetragen und auch die Handschuhe, sowie die knappen Stiefelchen wiesen leicht erkennbare Schäden auf. Der Arzt hatte das Hütchen, welches früher noch unter dem Kinne der Todten festgeknüpft
mit fortgeriſſen. Kaum aber hatte Walberg einen Blick in das bleiche Antlitz des Weibes gethan, als er mich mit einem unterdrückten Aufſchrei beim Arm ergriff und fortziehen wollte. Er faßte ſich aber gleich wieder, trat auf die Sicherheitswache zu, die ſich eingefunden hatte und wechſelte mit dem Manne einige Worte. Mittlerweile hatte man Vorkehrungen getrof¬ fen, die, wie es ſchien, bereits Entſeelte in die nächſte Ret¬ tungsanſtalt zu bringen. Wir ſchloßen uns dem traurigen Zuge an und traten, indeß die Menge draußen zurückgehalten wurde, bei dem Wundarzte ein. Während dieſer mit ſeinen Gehilfen im Nebenzimmer Belebungsverſuche anſtellte, ſank Walberg erſchöpft in einen Stuhl und ſchrieb einige Worte auf ein Blatt Papier, welches er aus ſeinem Notizbuche los¬ getrennt hatte. Der Arzt erſchien bald und erklärte achſel¬ zuckend, daß Alles vergebens und das Frauenzimmer todt ſei. Walberg erhob ſich und trat, während ich folgte, noch einmal an die Leiche, welche im grellen Lichte einer von der Decke niederhängenden Lampe auf dem Sopha des Zimmers lag. Es war eine ſchlanke, zartbuſige Geſtalt; bereits über die eigentliche Jugend hinaus, aber ſelbſt noch im Tode von jener Anmuth umfloſſen, welche nie altert. Die naſſen, an den Formen klebenden Gewänder erſchienen ziemlich abgetragen und auch die Handſchuhe, ſowie die knappen Stiefelchen wieſen leicht erkennbare Schäden auf. Der Arzt hatte das Hütchen, welches früher noch unter dem Kinne der Todten feſtgeknüpft
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mit fortgeriſſen. Kaum aber hatte Walberg einen Blick in
das bleiche Antlitz des Weibes gethan, als er mich mit einem
unterdrückten Aufſchrei beim Arm ergriff und fortziehen wollte.
Er faßte ſich aber gleich wieder, trat auf die Sicherheitswache
zu, die ſich eingefunden hatte und wechſelte mit dem Manne
einige Worte. Mittlerweile hatte man Vorkehrungen getrof¬
fen, die, wie es ſchien, bereits Entſeelte in die nächſte Ret¬
tungsanſtalt zu bringen. Wir ſchloßen uns dem traurigen
Zuge an und traten, indeß die Menge draußen zurückgehalten
wurde, bei dem Wundarzte ein. Während dieſer mit ſeinen
Gehilfen im Nebenzimmer Belebungsverſuche anſtellte, ſank
Walberg erſchöpft in einen Stuhl und ſchrieb einige Worte
auf ein Blatt Papier, welches er aus ſeinem Notizbuche los¬
getrennt hatte. Der Arzt erſchien bald und erklärte achſel¬
zuckend, daß Alles vergebens und das Frauenzimmer todt ſei.
Walberg erhob ſich und trat, während ich folgte, noch einmal
an die Leiche, welche im grellen Lichte einer von der Decke
niederhängenden Lampe auf dem Sopha des Zimmers lag.
Es war eine ſchlanke, zartbuſige Geſtalt; bereits über die
eigentliche Jugend hinaus, aber ſelbſt noch im Tode von jener
Anmuth umfloſſen, welche nie altert. Die naſſen, an den
Formen klebenden Gewänder erſchienen ziemlich abgetragen und
auch die Handſchuhe, ſowie die knappen Stiefelchen wieſen
leicht erkennbare Schäden auf. Der Arzt hatte das Hütchen,
welches früher noch unter dem Kinne der Todten feſtgeknüpft
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/212>, abgerufen am 23.11.2024.
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