"Herr Auditor", begann der Oberst, "es ist vor ungefähr vier Monaten ein Urlauber, Namens Georg Huber, behufs kriegsrechtlicher Untersuchung hier eingeliefert worden."
Der Auditor fuhr unwillkürlich mit der Hand nach der Stirne. "Georg Huber -- ja, ja, ganz recht. Es handelt sich, wie ich glaube, um einen Todtschlag --"
"Allerdings; darum handelt es sich. Und ich wünschte, die Untersuchung beendet zu sehen."
"O nichts leichter, als das", fuhr der Andere aufath¬ mend fort. "Es ist eine ganz gewöhnliche Geschichte, wie sie unter solchen Leuten nur zu oft vorkommt. Man läßt den Mann ein paarmal durch die Gasse laufen, und die Sache ist abgethan."
"Nicht doch, Verehrtester", erwiederte der Oberst. "Das wäre ein höchst oberflächliches, gewaltsames Verfahren. Es liegt mir im Gegentheile daran, daß diese Angelegenheit, wenn gleich möglichst rasch, so doch ohne jede Ueberstürzung mit größter Umsicht und Sorgfalt geprüft und verhandelt werde. Denn ich erlaube mir, ohne damit Ihrer richterlichen Einsicht vor¬ greifen zu wollen, die Bemerkung, daß hier, wie ich mich über¬ zeugt habe, sehr eigenthümliche Verhältnisse mit im Spiele sind." Der Oberst hatte bei diesen Worten ernst die Brauen zusam¬ men gezogen; der Auditor wußte, was das zu bedeuten habe, machte eine stramme Verbeugung und ging. Dann eilte er geraden Wegs in seine Kanzlei, und da es ihm keineswegs
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„Herr Auditor“, begann der Oberſt, „es iſt vor ungefähr vier Monaten ein Urlauber, Namens Georg Huber, behufs kriegsrechtlicher Unterſuchung hier eingeliefert worden.“
Der Auditor fuhr unwillkürlich mit der Hand nach der Stirne. „Georg Huber — ja, ja, ganz recht. Es handelt ſich, wie ich glaube, um einen Todtſchlag —“
„Allerdings; darum handelt es ſich. Und ich wünſchte, die Unterſuchung beendet zu ſehen.“
„O nichts leichter, als das“, fuhr der Andere aufath¬ mend fort. „Es iſt eine ganz gewöhnliche Geſchichte, wie ſie unter ſolchen Leuten nur zu oft vorkommt. Man läßt den Mann ein paarmal durch die Gaſſe laufen, und die Sache iſt abgethan.“
„Nicht doch, Verehrteſter“, erwiederte der Oberſt. „Das wäre ein höchſt oberflächliches, gewaltſames Verfahren. Es liegt mir im Gegentheile daran, daß dieſe Angelegenheit, wenn gleich möglichſt raſch, ſo doch ohne jede Ueberſtürzung mit größter Umſicht und Sorgfalt geprüft und verhandelt werde. Denn ich erlaube mir, ohne damit Ihrer richterlichen Einſicht vor¬ greifen zu wollen, die Bemerkung, daß hier, wie ich mich über¬ zeugt habe, ſehr eigenthümliche Verhältniſſe mit im Spiele ſind.“ Der Oberſt hatte bei dieſen Worten ernſt die Brauen zuſam¬ men gezogen; der Auditor wußte, was das zu bedeuten habe, machte eine ſtramme Verbeugung und ging. Dann eilte er geraden Wegs in ſeine Kanzlei, und da es ihm keineswegs
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„Herr Auditor“, begann der Oberſt, „es iſt vor ungefähr
vier Monaten ein Urlauber, Namens Georg Huber, behufs
kriegsrechtlicher Unterſuchung hier eingeliefert worden.“
Der Auditor fuhr unwillkürlich mit der Hand nach der
Stirne. „Georg Huber — ja, ja, ganz recht. Es handelt
ſich, wie ich glaube, um einen Todtſchlag —“
„Allerdings; darum handelt es ſich. Und ich wünſchte,
die Unterſuchung beendet zu ſehen.“
„O nichts leichter, als das“, fuhr der Andere aufath¬
mend fort. „Es iſt eine ganz gewöhnliche Geſchichte, wie ſie
unter ſolchen Leuten nur zu oft vorkommt. Man läßt den
Mann ein paarmal durch die Gaſſe laufen, und die Sache
iſt abgethan.“
„Nicht doch, Verehrteſter“, erwiederte der Oberſt. „Das
wäre ein höchſt oberflächliches, gewaltſames Verfahren. Es
liegt mir im Gegentheile daran, daß dieſe Angelegenheit, wenn
gleich möglichſt raſch, ſo doch ohne jede Ueberſtürzung mit
größter Umſicht und Sorgfalt geprüft und verhandelt werde.
Denn ich erlaube mir, ohne damit Ihrer richterlichen Einſicht vor¬
greifen zu wollen, die Bemerkung, daß hier, wie ich mich über¬
zeugt habe, ſehr eigenthümliche Verhältniſſe mit im Spiele ſind.“
Der Oberſt hatte bei dieſen Worten ernſt die Brauen zuſam¬
men gezogen; der Auditor wußte, was das zu bedeuten habe,
machte eine ſtramme Verbeugung und ging. Dann eilte er
geraden Wegs in ſeine Kanzlei, und da es ihm keineswegs
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/195>, abgerufen am 16.07.2024.
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