Am südlichen Ende Prags, auf einem gegen die Moldau felsig abstürzenden Hügel, erhebt sich ernst und düster die Wyschehrader Citadelle. Es läßt sich im Umkreise einer großen, volk¬ reichen Stadt nichts einsam Abgeschiedeneres denken, als dieses alte, ziemlich ausgedehnte Fort. Denn die Besatzung beschränkt sich in Friedenszeiten auf eine Officierswache von geringer Stärke, die nur den allernöthigsten Sicherheitsdienst an den Thoren und auf den Wällen versieht. Die Casematten und Block¬ häuser im Innern stehen leer und verödet, und die spärlich gefüllten Pulvermagazine scheinen wie die Belagerungsgeschütze nur da zu sein, um einem invaliden Unteroffizier der Artillerie zur Sinecure eines Zeugwartes zu verhelfen. Auch die Post¬ straße, welche durch die Citadelle über den Rücken des Hügels nach Budweis führt, wird nur wenig benützt. Harmlose Spa¬ ziergänger nach dem nahen anmuthigen Dorfe Podol, Landleute aus der Umgegend, welche Lebensmittel zum Prager Markt brin¬ gen, und hin und wieder ein bestäubter Wanderbursche sind fast
Saar, Novellen aus Oesterreich. 1
Am ſüdlichen Ende Prags, auf einem gegen die Moldau felſig abſtürzenden Hügel, erhebt ſich ernſt und düſter die Wyſchehrader Citadelle. Es läßt ſich im Umkreiſe einer großen, volk¬ reichen Stadt nichts einſam Abgeſchiedeneres denken, als dieſes alte, ziemlich ausgedehnte Fort. Denn die Beſatzung beſchränkt ſich in Friedenszeiten auf eine Officierswache von geringer Stärke, die nur den allernöthigſten Sicherheitsdienſt an den Thoren und auf den Wällen verſieht. Die Caſematten und Block¬ häuſer im Innern ſtehen leer und verödet, und die ſpärlich gefüllten Pulvermagazine ſcheinen wie die Belagerungsgeſchütze nur da zu ſein, um einem invaliden Unteroffizier der Artillerie zur Sinecure eines Zeugwartes zu verhelfen. Auch die Poſt¬ ſtraße, welche durch die Citadelle über den Rücken des Hügels nach Budweis führt, wird nur wenig benützt. Harmloſe Spa¬ ziergänger nach dem nahen anmuthigen Dorfe Podol, Landleute aus der Umgegend, welche Lebensmittel zum Prager Markt brin¬ gen, und hin und wieder ein beſtäubter Wanderburſche ſind faſt
Saar, Novellen aus Oeſterreich. 1
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Am ſüdlichen Ende Prags, auf einem gegen die Moldau
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Wyſchehrader Citadelle. Es läßt ſich im Umkreiſe einer großen, volk¬
reichen Stadt nichts einſam Abgeſchiedeneres denken, als dieſes alte,
ziemlich ausgedehnte Fort. Denn die Beſatzung beſchränkt ſich
in Friedenszeiten auf eine Officierswache von geringer Stärke,
die nur den allernöthigſten Sicherheitsdienſt an den Thoren
und auf den Wällen verſieht. Die Caſematten und Block¬
häuſer im Innern ſtehen leer und verödet, und die ſpärlich
gefüllten Pulvermagazine ſcheinen wie die Belagerungsgeſchütze
nur da zu ſein, um einem invaliden Unteroffizier der Artillerie
zur Sinecure eines Zeugwartes zu verhelfen. Auch die Poſt¬
ſtraße, welche durch die Citadelle über den Rücken des Hügels
nach Budweis führt, wird nur wenig benützt. Harmloſe Spa¬
ziergänger nach dem nahen anmuthigen Dorfe Podol, Landleute
aus der Umgegend, welche Lebensmittel zum Prager Markt brin¬
gen, und hin und wieder ein beſtäubter Wanderburſche ſind faſt
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/17>, abgerufen am 27.11.2024.
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