Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.finsteren Mannes nimmt und dabei manchmal mit ihren wun¬ Ende Juni. Du meinst, ich sei im besten Zuge eine Thorheit zu begehen und Als ich gestern nach Tisch wie gewöhnlich in den Garten finſteren Mannes nimmt und dabei manchmal mit ihren wun¬ Ende Juni. Du meinſt, ich ſei im beſten Zuge eine Thorheit zu begehen und Als ich geſtern nach Tiſch wie gewöhnlich in den Garten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0117" n="101"/> finſteren Mannes nimmt und dabei manchmal mit ihren wun¬<lb/> derbaren Augen nach mir zurückblickt: da, Theuerſter, zieht<lb/> ſich mein Herz immer ſchmerzlich zuſammen und es iſt mir<lb/> oft, als ſollt' ich aufſpringen und ihm das ſüße Geſchöpf von<lb/> der Seite reißen, für deſſen Zauber ſeine ſchwungloſe Seele<lb/> ſo wenig Verſtändniß hat!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p rendition="#right"><hi rendition="#g">Ende Juni</hi>.</p><lb/> <p>Du meinſt, ich ſei im beſten Zuge eine Thorheit zu begehen und<lb/> mich ernſtlich in die junge Frau zu verlieben. Und wenn dies der<lb/> Fall wäre? Wenn ich — aber fürchte nichts, Guter! Du ſollteſt doch<lb/> wiſſen, daß ich an Entſagung gewöhnt bin; ja noch mehr: ich<lb/> habe — ſo ſeltſam dies auch klingen mag — bereits gelernt, <hi rendition="#g">ent¬<lb/> ſagend zu genießen</hi>. Und es iſt gut, daß es ſo iſt; denn<lb/> ſonſt — — Höre nur, was ſich zwiſchen uns Beiden ereignet hat.</p><lb/> <p>Als ich geſtern nach Tiſch wie gewöhnlich in den Garten<lb/> kam, fand ich Marianne mit den Kindern allein. Sie hatte<lb/> ſich, da über der Laube noch die volle Juniſonne brannte, auf<lb/> der Bank bei dem dichten Hollundergebüſch niedergelaſſen,<lb/> welches mit dem nahen Pavillon im Schatten lag. Ihr zu<lb/> Füßen ſaß Erni, in eifrige Betrachtung einer zierlichen Stickerei<lb/> der Tante verſunken; auf der andern Seite ſchlummerte das<lb/> Knäblein im Wiegenkorbe, mit einem Fliegenſchleier bedeckt.<lb/> Marianne las in einem Büchlein, das ſie, kaum meiner an¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [101/0117]
finſteren Mannes nimmt und dabei manchmal mit ihren wun¬
derbaren Augen nach mir zurückblickt: da, Theuerſter, zieht
ſich mein Herz immer ſchmerzlich zuſammen und es iſt mir
oft, als ſollt' ich aufſpringen und ihm das ſüße Geſchöpf von
der Seite reißen, für deſſen Zauber ſeine ſchwungloſe Seele
ſo wenig Verſtändniß hat!
Ende Juni.
Du meinſt, ich ſei im beſten Zuge eine Thorheit zu begehen und
mich ernſtlich in die junge Frau zu verlieben. Und wenn dies der
Fall wäre? Wenn ich — aber fürchte nichts, Guter! Du ſollteſt doch
wiſſen, daß ich an Entſagung gewöhnt bin; ja noch mehr: ich
habe — ſo ſeltſam dies auch klingen mag — bereits gelernt, ent¬
ſagend zu genießen. Und es iſt gut, daß es ſo iſt; denn
ſonſt — — Höre nur, was ſich zwiſchen uns Beiden ereignet hat.
Als ich geſtern nach Tiſch wie gewöhnlich in den Garten
kam, fand ich Marianne mit den Kindern allein. Sie hatte
ſich, da über der Laube noch die volle Juniſonne brannte, auf
der Bank bei dem dichten Hollundergebüſch niedergelaſſen,
welches mit dem nahen Pavillon im Schatten lag. Ihr zu
Füßen ſaß Erni, in eifrige Betrachtung einer zierlichen Stickerei
der Tante verſunken; auf der andern Seite ſchlummerte das
Knäblein im Wiegenkorbe, mit einem Fliegenſchleier bedeckt.
Marianne las in einem Büchlein, das ſie, kaum meiner an¬
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