Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.denklich erschlagen. Denn sie zu tödten, erschien den Meisten als ein Werk der Gerechtigkeit, wohl selbst als eine Handlung der Sühne und Reinigung. Jene bewaffneten Banden, deren Zahl und Macht den großen Häusern damaliger Zeit nicht bloß zum Schutze, nein auch diente, vor der Welt ihren Glanz, ihre Auszeichnung zu behaupten, führten mit Grund den Namen: Banditi, das heißt: Verbannte, Geächtete. Denn aus Missethätern auf eigene Gefahr und für eigenen Vortheil wurden sie gesammelt und zusammengesetzt. Sie pflegten ihren Brodherren mit unerschütterlicher Treue anzuhängen und den Mächtigen, welche sie gegen das Gesetz beschützten, in Allem blindlings Folge zu leisten. Bündnisse solcher Art, wie schlimm ihre Grundlage nun auch sein möge, gebaren mindestens ein Trugbild jener schönsten Tugend des Menschenlebens: der Treue und Ergebenheit bis in den Tod. -- So häufig entspringen aus den Lastern Tugenden, aus den Tugenden wiederum Verbrechen und schwere Verschuldungen, daß man wähnen könnte, diese Dinge seien viel inniger verknüpft und unter sich verwachsen, als gemeinhin angenommen wird. Die Ankömmlinge zogen nun in den Hof ein, dessen Pflaster verwittert und von Schutt und Gras überdeckt war. Auch im Innern des Schlosses zeigten sich Spuren überhandnehmenden Verfalles; die Treppe war gesunken, viele Stufen stark beschädigt, der Hauptgang wüst, dessen Fenster gegen die eindringende Nässe nothdürftig geschützt durch hölzerne, halbvermoderte Läden. denklich erschlagen. Denn sie zu tödten, erschien den Meisten als ein Werk der Gerechtigkeit, wohl selbst als eine Handlung der Sühne und Reinigung. Jene bewaffneten Banden, deren Zahl und Macht den großen Häusern damaliger Zeit nicht bloß zum Schutze, nein auch diente, vor der Welt ihren Glanz, ihre Auszeichnung zu behaupten, führten mit Grund den Namen: Banditi, das heißt: Verbannte, Geächtete. Denn aus Missethätern auf eigene Gefahr und für eigenen Vortheil wurden sie gesammelt und zusammengesetzt. Sie pflegten ihren Brodherren mit unerschütterlicher Treue anzuhängen und den Mächtigen, welche sie gegen das Gesetz beschützten, in Allem blindlings Folge zu leisten. Bündnisse solcher Art, wie schlimm ihre Grundlage nun auch sein möge, gebaren mindestens ein Trugbild jener schönsten Tugend des Menschenlebens: der Treue und Ergebenheit bis in den Tod. — So häufig entspringen aus den Lastern Tugenden, aus den Tugenden wiederum Verbrechen und schwere Verschuldungen, daß man wähnen könnte, diese Dinge seien viel inniger verknüpft und unter sich verwachsen, als gemeinhin angenommen wird. Die Ankömmlinge zogen nun in den Hof ein, dessen Pflaster verwittert und von Schutt und Gras überdeckt war. Auch im Innern des Schlosses zeigten sich Spuren überhandnehmenden Verfalles; die Treppe war gesunken, viele Stufen stark beschädigt, der Hauptgang wüst, dessen Fenster gegen die eindringende Nässe nothdürftig geschützt durch hölzerne, halbvermoderte Läden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040"/> denklich erschlagen. Denn sie zu tödten, erschien den Meisten als ein Werk der Gerechtigkeit, wohl selbst als eine Handlung der Sühne und Reinigung. Jene bewaffneten Banden, deren Zahl und Macht den großen Häusern damaliger Zeit nicht bloß zum Schutze, nein auch diente, vor der Welt ihren Glanz, ihre Auszeichnung zu behaupten, führten mit Grund den Namen: Banditi, das heißt: Verbannte, Geächtete. Denn aus Missethätern auf eigene Gefahr und für eigenen Vortheil wurden sie gesammelt und zusammengesetzt. Sie pflegten ihren Brodherren mit unerschütterlicher Treue anzuhängen und den Mächtigen, welche sie gegen das Gesetz beschützten, in Allem blindlings Folge zu leisten. Bündnisse solcher Art, wie schlimm ihre Grundlage nun auch sein möge, gebaren mindestens ein Trugbild jener schönsten Tugend des Menschenlebens: der Treue und Ergebenheit bis in den Tod. — So häufig entspringen aus den Lastern Tugenden, aus den Tugenden wiederum Verbrechen und schwere Verschuldungen, daß man wähnen könnte, diese Dinge seien viel inniger verknüpft und unter sich verwachsen, als gemeinhin angenommen wird.</p><lb/> <p>Die Ankömmlinge zogen nun in den Hof ein, dessen Pflaster verwittert und von Schutt und Gras überdeckt war. Auch im Innern des Schlosses zeigten sich Spuren überhandnehmenden Verfalles; die Treppe war gesunken, viele Stufen stark beschädigt, der Hauptgang wüst, dessen Fenster gegen die eindringende Nässe nothdürftig geschützt durch hölzerne, halbvermoderte Läden.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
denklich erschlagen. Denn sie zu tödten, erschien den Meisten als ein Werk der Gerechtigkeit, wohl selbst als eine Handlung der Sühne und Reinigung. Jene bewaffneten Banden, deren Zahl und Macht den großen Häusern damaliger Zeit nicht bloß zum Schutze, nein auch diente, vor der Welt ihren Glanz, ihre Auszeichnung zu behaupten, führten mit Grund den Namen: Banditi, das heißt: Verbannte, Geächtete. Denn aus Missethätern auf eigene Gefahr und für eigenen Vortheil wurden sie gesammelt und zusammengesetzt. Sie pflegten ihren Brodherren mit unerschütterlicher Treue anzuhängen und den Mächtigen, welche sie gegen das Gesetz beschützten, in Allem blindlings Folge zu leisten. Bündnisse solcher Art, wie schlimm ihre Grundlage nun auch sein möge, gebaren mindestens ein Trugbild jener schönsten Tugend des Menschenlebens: der Treue und Ergebenheit bis in den Tod. — So häufig entspringen aus den Lastern Tugenden, aus den Tugenden wiederum Verbrechen und schwere Verschuldungen, daß man wähnen könnte, diese Dinge seien viel inniger verknüpft und unter sich verwachsen, als gemeinhin angenommen wird.
Die Ankömmlinge zogen nun in den Hof ein, dessen Pflaster verwittert und von Schutt und Gras überdeckt war. Auch im Innern des Schlosses zeigten sich Spuren überhandnehmenden Verfalles; die Treppe war gesunken, viele Stufen stark beschädigt, der Hauptgang wüst, dessen Fenster gegen die eindringende Nässe nothdürftig geschützt durch hölzerne, halbvermoderte Läden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/40 |
Zitationshilfe: | Rumohr, Karl Friedrich: Der letzte Savello. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 125–209. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_savello_1910/40>, abgerufen am 16.07.2024. |