in dem Sinne, daß nur Männer von ächtem Genius wahre Kunstwerke beurtheilen können.
Setzen wir hingegen, durch ihre technisch-scientifische Bildung, so würde diese allerdings wohl den großen Künstler in die Lage versetzen, zu beurtheilen, zu würdigen, was in Kunstwerken ihrem Producenten besondere Schwierigkeit ge- macht, also in so fern es gelungen ist, von Tüchtigkeit, Kraft- aufwand und Kenntniß zeugt. Wie in jeder menschlichen Thätigkeitsbeziehung, so findet auch im Kunstleben jener Pro- ceß gegenseitiger Anerkennung und Habilitirung Raum, welcher vom Beyfall des Gefühles durchaus verschieden ist und ganz dem eigenthümlichen Zunftleben angehört. Hierin den Mei- stern die Vorberechtigung ihres Urtheils absprechen zu wollen, ist wohl bis dahin Niemand in den Sinn gekommen. Indeß sind diese Erfahrungen und Kenntnisse wohl für das Gedeihen der Kunst von größter Wichtigkeit, doch nicht schon die Kunst selbst, vielmehr nur die Mittel deren sie sich bedient, ihrem eigentlichen Ziele näher zu kommen. Der tüchtige Künstler aber ist stets geneigt, zu überschätzen, was ihm die größte Anstrengung gekostet: die Herrschaft über sein Rüstzeug. Es ist mir nicht erinnerlich, ob man es jemals ganz sich deutlich gemacht habe, daß der Verfall der neueren Kunst, in so fern er von der Schule des Buonaroti ausging, durch überhand- nehmende Zunftpedanterey, durch Ueberschätzung von bloßen Hülfskenntnissen, durch Prunk und Wetteifer in deren Dar- legung, herbeygeführt wurde. Es hat demnach diese einzig einzuräumende, ausschließlich künstlerische Kennerschaft doch ihre mißliche, ihre gefährliche Seite, kann von dem richtigeren Bestreben ableiten, auf das menschliche Daseyn, durch Anre- gung der Phantasie, durch Stimmung des Gemüthes und
in dem Sinne, daß nur Maͤnner von aͤchtem Genius wahre Kunſtwerke beurtheilen koͤnnen.
Setzen wir hingegen, durch ihre techniſch-ſcientifiſche Bildung, ſo wuͤrde dieſe allerdings wohl den großen Kuͤnſtler in die Lage verſetzen, zu beurtheilen, zu wuͤrdigen, was in Kunſtwerken ihrem Producenten beſondere Schwierigkeit ge- macht, alſo in ſo fern es gelungen iſt, von Tuͤchtigkeit, Kraft- aufwand und Kenntniß zeugt. Wie in jeder menſchlichen Thaͤtigkeitsbeziehung, ſo findet auch im Kunſtleben jener Pro- ceß gegenſeitiger Anerkennung und Habilitirung Raum, welcher vom Beyfall des Gefuͤhles durchaus verſchieden iſt und ganz dem eigenthuͤmlichen Zunftleben angehoͤrt. Hierin den Mei- ſtern die Vorberechtigung ihres Urtheils abſprechen zu wollen, iſt wohl bis dahin Niemand in den Sinn gekommen. Indeß ſind dieſe Erfahrungen und Kenntniſſe wohl fuͤr das Gedeihen der Kunſt von groͤßter Wichtigkeit, doch nicht ſchon die Kunſt ſelbſt, vielmehr nur die Mittel deren ſie ſich bedient, ihrem eigentlichen Ziele naͤher zu kommen. Der tuͤchtige Kuͤnſtler aber iſt ſtets geneigt, zu uͤberſchaͤtzen, was ihm die groͤßte Anſtrengung gekoſtet: die Herrſchaft uͤber ſein Ruͤſtzeug. Es iſt mir nicht erinnerlich, ob man es jemals ganz ſich deutlich gemacht habe, daß der Verfall der neueren Kunſt, in ſo fern er von der Schule des Buonaroti ausging, durch uͤberhand- nehmende Zunftpedanterey, durch Ueberſchaͤtzung von bloßen Huͤlfskenntniſſen, durch Prunk und Wetteifer in deren Dar- legung, herbeygefuͤhrt wurde. Es hat demnach dieſe einzig einzuraͤumende, ausſchließlich kuͤnſtleriſche Kennerſchaft doch ihre mißliche, ihre gefaͤhrliche Seite, kann von dem richtigeren Beſtreben ableiten, auf das menſchliche Daſeyn, durch Anre- gung der Phantaſie, durch Stimmung des Gemuͤthes und
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in dem Sinne, daß nur Maͤnner von aͤchtem Genius wahre
Kunſtwerke beurtheilen koͤnnen.
Setzen wir hingegen, durch ihre techniſch-ſcientifiſche
Bildung, ſo wuͤrde dieſe allerdings wohl den großen Kuͤnſtler
in die Lage verſetzen, zu beurtheilen, zu wuͤrdigen, was in
Kunſtwerken ihrem Producenten beſondere Schwierigkeit ge-
macht, alſo in ſo fern es gelungen iſt, von Tuͤchtigkeit, Kraft-
aufwand und Kenntniß zeugt. Wie in jeder menſchlichen
Thaͤtigkeitsbeziehung, ſo findet auch im Kunſtleben jener Pro-
ceß gegenſeitiger Anerkennung und Habilitirung Raum, welcher
vom Beyfall des Gefuͤhles durchaus verſchieden iſt und ganz
dem eigenthuͤmlichen Zunftleben angehoͤrt. Hierin den Mei-
ſtern die Vorberechtigung ihres Urtheils abſprechen zu wollen,
iſt wohl bis dahin Niemand in den Sinn gekommen. Indeß
ſind dieſe Erfahrungen und Kenntniſſe wohl fuͤr das Gedeihen
der Kunſt von groͤßter Wichtigkeit, doch nicht ſchon die Kunſt
ſelbſt, vielmehr nur die Mittel deren ſie ſich bedient, ihrem
eigentlichen Ziele naͤher zu kommen. Der tuͤchtige Kuͤnſtler
aber iſt ſtets geneigt, zu uͤberſchaͤtzen, was ihm die groͤßte
Anſtrengung gekoſtet: die Herrſchaft uͤber ſein Ruͤſtzeug. Es
iſt mir nicht erinnerlich, ob man es jemals ganz ſich deutlich
gemacht habe, daß der Verfall der neueren Kunſt, in ſo fern
er von der Schule des Buonaroti ausging, durch uͤberhand-
nehmende Zunftpedanterey, durch Ueberſchaͤtzung von bloßen
Huͤlfskenntniſſen, durch Prunk und Wetteifer in deren Dar-
legung, herbeygefuͤhrt wurde. Es hat demnach dieſe einzig
einzuraͤumende, ausſchließlich kuͤnſtleriſche Kennerſchaft doch
ihre mißliche, ihre gefaͤhrliche Seite, kann von dem richtigeren
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/172>, abgerufen am 29.07.2024.
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