Namen im Saume des Gewandes, welches aus Raphaelischen Handzeichnungen entnommen ist, und wohl so viel Anspruch hat, für Raphaels Arbeit geltend gemacht zu werden, als so viele andere Bilder dieser Art.
Bei geringeren Ansprüchen, erhielt sich unter dem Namen Raphaels in der Tribune der öffentlichen Gallerie zu Florenz eine Madonna, welche, mehr noch dem Andrea del Sarto, als dem Raphael nachgeahmt, ein Cento der lucchesischen Schule ist; in der Düsseldorfer Gallerie langezeit jener Jo- hannes, dessen alte Copie zu Rom, im Capitol, für Salviati gilt, wie jetzt in München das Original.
Mit besserem Grunde werden Schulbilder, welche oft, besonders in den Madonnen, dem Typus des Meisters sehr nahe kommen, für dessen Arbeit ausgegeben; so die vierge aux candelabres, jetzt im Schlosse zu Lucca, sonst, nebst jener, welche den Schleyer aufhebt, im Besitze des Fürsten von Ca- nino; so ein zierliches Bildchen der Jungfrau bei Herrn Vin- cenz Camoccini, so eine andere, welche Edelink, und spätere unter dem Namen, la vierge au diademe, gestochen haben.
Solche Aneignungen raphaelischer Aeußerlichkeiten sind nicht selten glücklich ausgefallen. Doch einen Genius, wel- cher dem raphaelischen dem Wesen nach gleichzustellen wäre, dürfte man in dem gesammten Zeitalter vergebens aufsuchen, zeigte er sich nicht etwa in den Jugendwerken des Andrea del Sarto. Der einförmig heitere, oberflächliche Glanz der späteren Arbeiten dieses Meisters hat seine Bewunderer ihm häufig entfremdet. Leichtsinn, oder äußere Unfälle, brachten ihn zeitig in häusliche Bedrängnisse, woraus entstand, daß er, seiner angebornen Leichtigkeit nachgebend, endlich in eine flüchtige, gehaltlose Manier verfiel. Allein seine Mauerge-
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Namen im Saume des Gewandes, welches aus Raphaeliſchen Handzeichnungen entnommen iſt, und wohl ſo viel Anſpruch hat, fuͤr Raphaels Arbeit geltend gemacht zu werden, als ſo viele andere Bilder dieſer Art.
Bei geringeren Anſpruͤchen, erhielt ſich unter dem Namen Raphaels in der Tribune der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz eine Madonna, welche, mehr noch dem Andrea del Sarto, als dem Raphael nachgeahmt, ein Cento der luccheſiſchen Schule iſt; in der Duͤſſeldorfer Gallerie langezeit jener Jo- hannes, deſſen alte Copie zu Rom, im Capitol, fuͤr Salviati gilt, wie jetzt in Muͤnchen das Original.
Mit beſſerem Grunde werden Schulbilder, welche oft, beſonders in den Madonnen, dem Typus des Meiſters ſehr nahe kommen, fuͤr deſſen Arbeit ausgegeben; ſo die vierge aux candelabres, jetzt im Schloſſe zu Lucca, ſonſt, nebſt jener, welche den Schleyer aufhebt, im Beſitze des Fuͤrſten von Ca- nino; ſo ein zierliches Bildchen der Jungfrau bei Herrn Vin- cenz Camoccini, ſo eine andere, welche Edelink, und ſpaͤtere unter dem Namen, la vierge au diadème, geſtochen haben.
Solche Aneignungen raphaeliſcher Aeußerlichkeiten ſind nicht ſelten gluͤcklich ausgefallen. Doch einen Genius, wel- cher dem raphaeliſchen dem Weſen nach gleichzuſtellen waͤre, duͤrfte man in dem geſammten Zeitalter vergebens aufſuchen, zeigte er ſich nicht etwa in den Jugendwerken des Andrea del Sarto. Der einfoͤrmig heitere, oberflaͤchliche Glanz der ſpaͤteren Arbeiten dieſes Meiſters hat ſeine Bewunderer ihm haͤufig entfremdet. Leichtſinn, oder aͤußere Unfaͤlle, brachten ihn zeitig in haͤusliche Bedraͤngniſſe, woraus entſtand, daß er, ſeiner angebornen Leichtigkeit nachgebend, endlich in eine fluͤchtige, gehaltloſe Manier verfiel. Allein ſeine Mauerge-
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ſo viele andere Bilder dieſer Art.
Bei geringeren Anſpruͤchen, erhielt ſich unter dem Namen
Raphaels in der Tribune der oͤffentlichen Gallerie zu Florenz
eine Madonna, welche, mehr noch dem Andrea del Sarto,
als dem Raphael nachgeahmt, ein Cento der luccheſiſchen
Schule iſt; in der Duͤſſeldorfer Gallerie langezeit jener Jo-
hannes, deſſen alte Copie zu Rom, im Capitol, fuͤr Salviati
gilt, wie jetzt in Muͤnchen das Original.
Mit beſſerem Grunde werden Schulbilder, welche oft,
beſonders in den Madonnen, dem Typus des Meiſters ſehr
nahe kommen, fuͤr deſſen Arbeit ausgegeben; ſo die vierge
aux candelabres, jetzt im Schloſſe zu Lucca, ſonſt, nebſt jener,
welche den Schleyer aufhebt, im Beſitze des Fuͤrſten von Ca-
nino; ſo ein zierliches Bildchen der Jungfrau bei Herrn Vin-
cenz Camoccini, ſo eine andere, welche Edelink, und ſpaͤtere
unter dem Namen, la vierge au diadème, geſtochen haben.
Solche Aneignungen raphaeliſcher Aeußerlichkeiten ſind
nicht ſelten gluͤcklich ausgefallen. Doch einen Genius, wel-
cher dem raphaeliſchen dem Weſen nach gleichzuſtellen waͤre,
duͤrfte man in dem geſammten Zeitalter vergebens aufſuchen,
zeigte er ſich nicht etwa in den Jugendwerken des Andrea
del Sarto. Der einfoͤrmig heitere, oberflaͤchliche Glanz der
ſpaͤteren Arbeiten dieſes Meiſters hat ſeine Bewunderer ihm
haͤufig entfremdet. Leichtſinn, oder aͤußere Unfaͤlle, brachten
ihn zeitig in haͤusliche Bedraͤngniſſe, woraus entſtand, daß
er, ſeiner angebornen Leichtigkeit nachgebend, endlich in eine
fluͤchtige, gehaltloſe Manier verfiel. Allein ſeine Mauerge-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/169>, abgerufen am 29.07.2024.
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