Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.gel. Ich befürchte daher, daß Raphael wohl jenen Act ge- Die Gleichgültigkeit des Ausdruckes, die unbestimmte *) Zu Florenz, Paris, Bologna, zu Rom auf dem Capitol. **) So schließt man aus der sicheren, schulmäßigen Zeichnung, den ohne pastose Unterlage lasirten Schattenseiten, der generellen Behandlung der Landschaft. ***) Vas . P. c. p. 86. suchte den Rückschritt Raphaels, den Grund
des Tadels, dem er in späteren Jahren ausgesetzt war, theils in einem seinem Naturell unangemessenen Wetteifer mit dem Michelangelo (per mostrare ch' egli intendeva gl' ignudi cosi bene come Michelagnuolo), theils, gelegentlich der Psyche, aus dem Umstande, daß er die Ausführung seiner Entwürfe mehr und mehr seinen Gehülfen überließ (l'havergli fatti colorire ad altri col suo disegno). Das Geräusch muß groß ge- wesen seyn, da Vasari wagen konnte, zu sagen: non si sarebbe tolto parte di quel buon nome, che acquistato si haveva. -- Also sehr mit Unrecht hält man diese alte Bemerkung für ein Paradoxon der Roman- tiker. gel. Ich befuͤrchte daher, daß Raphael wohl jenen Act ge- Die Gleichguͤltigkeit des Ausdruckes, die unbeſtimmte *) Zu Florenz, Paris, Bologna, zu Rom auf dem Capitol. **) So ſchließt man aus der ſicheren, ſchulmäßigen Zeichnung, den ohne paſtoſe Unterlage laſirten Schattenſeiten, der generellen Behandlung der Landſchaft. ***) Vas . P. c. p. 86. ſuchte den Rückſchritt Raphaels, den Grund
des Tadels, dem er in ſpäteren Jahren ausgeſetzt war, theils in einem ſeinem Naturell unangemeſſenen Wetteifer mit dem Michelangelo (per mostrare ch’ egli intendeva gl’ ignudi cosi bene come Michelagnuolo), theils, gelegentlich der Pſyche, aus dem Umſtande, daß er die Ausführung ſeiner Entwürfe mehr und mehr ſeinen Gehülfen überließ (l’havergli fatti colorire ad altri col suo disegno). Das Geräuſch muß groß ge- weſen ſeyn, da Vaſari wagen konnte, zu ſagen: non si sarebbe tolto parte di quel buon nome, che acquistato si haveva. — Alſo ſehr mit Unrecht hält man dieſe alte Bemerkung für ein Paradoxon der Roman- tiker. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="136"/> gel. Ich befuͤrchte daher, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> wohl jenen Act ge-<lb/> zeichnet, wohl gebilligt habe, daß er von ſeinen Gehuͤlfen und<lb/> Schuͤlern, vielleicht im Wetteifer, maleriſch ausgefuͤhrt werde,<lb/> doch ohne an irgend einer dieſer zahlreichen Repliken thaͤtigen<lb/> Antheil zu nehmen. Einige gehoͤren ſicher ſeiner Schule<lb/> an <note place="foot" n="*)">Zu <placeName>Florenz</placeName>, <placeName>Paris</placeName>, <placeName>Bologna</placeName>, zu <placeName>Rom</placeName> auf dem Capitol.</note>; allein das Berliner Exemplar galt zu <placeName>Florenz</placeName>, wo ich<lb/> es erſtanden, nicht ohne Gruͤnde fuͤr eine Jugendarbeit des<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118794280">Francesco Salviati</persName> <note place="foot" n="**)">So ſchließt man aus der ſicheren, ſchulmäßigen Zeichnung, den<lb/> ohne paſtoſe Unterlage laſirten Schattenſeiten, der generellen Behandlung<lb/> der Landſchaft.</note>.</p><lb/> <p>Die Gleichguͤltigkeit des Ausdruckes, die unbeſtimmte<lb/> Allgemeinheit der Charaktere, die Schwaͤchen der Zeichnung,<lb/> welche in dieſen Bildern haͤufig wahrgenommen werden, brachte<lb/> in den letzten Decennien den alten Vorwurf <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vas .</persName> P. c. p. 86.</hi> ſuchte den Rückſchritt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName>, den Grund<lb/> des Tadels, dem er in ſpäteren Jahren ausgeſetzt war, theils in einem<lb/> ſeinem Naturell unangemeſſenen Wetteifer mit dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelangelo</persName> <hi rendition="#aq">(per<lb/> mostrare ch’ egli intendeva gl’ ignudi cosi bene come <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelagnuolo</persName>)</hi>,<lb/> theils, gelegentlich der Pſyche, aus dem Umſtande, daß er die Ausführung<lb/> ſeiner Entwürfe mehr und mehr ſeinen Gehülfen überließ (<hi rendition="#aq">l’havergli<lb/> fatti colorire ad altri col suo disegno</hi>). Das Geräuſch muß groß ge-<lb/> weſen ſeyn, da <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626213">Vaſari</persName> wagen konnte, zu ſagen: <hi rendition="#aq">non si sarebbe tolto<lb/> parte di quel buon nome, che acquistato si haveva.</hi> — Alſo ſehr mit<lb/> Unrecht hält man dieſe alte Bemerkung für ein Paradoxon der Roman-<lb/> tiker.</note> wiederum<lb/> in Anregung, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> in ſeinen letzten Lebensjahren zu-<lb/> ruͤckgeſchritten ſey. Unſtreitig befriedigen die Werke, welche<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> ganz mit eigener Hand zu Ende gebracht, unter die-<lb/> ſen ſogar ſeine aͤlteſten, ungleich mehr, als jene Schuͤlerar-<lb/> beiten. Wie ſollte auch der unmittelbare Erguß eines ſo<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [136/0158]
gel. Ich befuͤrchte daher, daß Raphael wohl jenen Act ge-
zeichnet, wohl gebilligt habe, daß er von ſeinen Gehuͤlfen und
Schuͤlern, vielleicht im Wetteifer, maleriſch ausgefuͤhrt werde,
doch ohne an irgend einer dieſer zahlreichen Repliken thaͤtigen
Antheil zu nehmen. Einige gehoͤren ſicher ſeiner Schule
an *); allein das Berliner Exemplar galt zu Florenz, wo ich
es erſtanden, nicht ohne Gruͤnde fuͤr eine Jugendarbeit des
Francesco Salviati **).
Die Gleichguͤltigkeit des Ausdruckes, die unbeſtimmte
Allgemeinheit der Charaktere, die Schwaͤchen der Zeichnung,
welche in dieſen Bildern haͤufig wahrgenommen werden, brachte
in den letzten Decennien den alten Vorwurf ***) wiederum
in Anregung, daß Raphael in ſeinen letzten Lebensjahren zu-
ruͤckgeſchritten ſey. Unſtreitig befriedigen die Werke, welche
Raphael ganz mit eigener Hand zu Ende gebracht, unter die-
ſen ſogar ſeine aͤlteſten, ungleich mehr, als jene Schuͤlerar-
beiten. Wie ſollte auch der unmittelbare Erguß eines ſo
*) Zu Florenz, Paris, Bologna, zu Rom auf dem Capitol.
**) So ſchließt man aus der ſicheren, ſchulmäßigen Zeichnung, den
ohne paſtoſe Unterlage laſirten Schattenſeiten, der generellen Behandlung
der Landſchaft.
***) Vas . P. c. p. 86. ſuchte den Rückſchritt Raphaels, den Grund
des Tadels, dem er in ſpäteren Jahren ausgeſetzt war, theils in einem
ſeinem Naturell unangemeſſenen Wetteifer mit dem Michelangelo (per
mostrare ch’ egli intendeva gl’ ignudi cosi bene come Michelagnuolo),
theils, gelegentlich der Pſyche, aus dem Umſtande, daß er die Ausführung
ſeiner Entwürfe mehr und mehr ſeinen Gehülfen überließ (l’havergli
fatti colorire ad altri col suo disegno). Das Geräuſch muß groß ge-
weſen ſeyn, da Vaſari wagen konnte, zu ſagen: non si sarebbe tolto
parte di quel buon nome, che acquistato si haveva. — Alſo ſehr mit
Unrecht hält man dieſe alte Bemerkung für ein Paradoxon der Roman-
tiker.
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