errege. Zu seiner Zeit, aber auch noch späterhin, befand es sich in der Sacristey der Kirche S. Maria del Popolo zu Rom; doch um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wußte Bottari nicht mehr anzugeben, wohin es gerathen sey. Man glaubt, es in Florenz zu besitzen.
Das Bild Julius II. in der Tribune der Gallerie der Uffizj ist allerdings ein schönes und altes; demungeachtet wird dessen Originalität seit kurzem von einigen, vielleicht zu ge- nauen Kennern in Zweifel gezogen. In der Gallerie Pitti derselben Stadt giebt es zwey Copieen desselben Bildes, deren eine für geistreicher gelten darf, als jene der Tribune, übri- gens einen späteren Pinsel verräth; eine dritte ist im Hause Corsini zu finden. Gewiß entspricht das Bild in der Tribune der Charakteristik des Vasari nicht sonderlich; der Ausdruck ist nicht gebieterisch, noch Furcht erregend, entspricht vielmehr der grämelnden Kraftlosigkeit des Alters. Vergleichen wir dieses Bildniß mit denen der Messe von Bolsena und des Heliodor, so erscheint uns weder der Gegenstand, noch der Künstler, ganz derselbe. Sehen wir endlich auf die Behand- lung und den Auftrag der Farbe so scheint allerdings, da Manches, z. B. das weiße Untergewand, kein richtiges Ver- ständniß der Motive darlegt, vielmehr ängstlich, stumpf, an- schauungslos gemalt ist, jener Zweifel, über welchen ich mich selbst noch unentschieden bekenne, mehr und mehr Bestand zu gewinnen. Ihn zu lösen, möchte eine ausgezeichnete, vielleicht von Sebastian Piombo herrührende Copie behülflich seyn kön- nen, welche aus der Sammlung Giustiniani in die öffentliche Gallerie zu Berlin gelangt ist. Ohne diesem Bilde vor den florentinischen einen höheren Kunstwerth einzuräumen, be- fürchte ich doch, daß es in Allem, was dem mechanischen
errege. Zu ſeiner Zeit, aber auch noch ſpaͤterhin, befand es ſich in der Sacriſtey der Kirche S. Maria del Popolo zu Rom; doch um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wußte Bottari nicht mehr anzugeben, wohin es gerathen ſey. Man glaubt, es in Florenz zu beſitzen.
Das Bild Julius II. in der Tribune der Gallerie der Uffizj iſt allerdings ein ſchoͤnes und altes; demungeachtet wird deſſen Originalitaͤt ſeit kurzem von einigen, vielleicht zu ge- nauen Kennern in Zweifel gezogen. In der Gallerie Pitti derſelben Stadt giebt es zwey Copieen deſſelben Bildes, deren eine fuͤr geiſtreicher gelten darf, als jene der Tribune, uͤbri- gens einen ſpaͤteren Pinſel verraͤth; eine dritte iſt im Hauſe Corſini zu finden. Gewiß entſpricht das Bild in der Tribune der Charakteriſtik des Vaſari nicht ſonderlich; der Ausdruck iſt nicht gebieteriſch, noch Furcht erregend, entſpricht vielmehr der graͤmelnden Kraftloſigkeit des Alters. Vergleichen wir dieſes Bildniß mit denen der Meſſe von Bolſena und des Heliodor, ſo erſcheint uns weder der Gegenſtand, noch der Kuͤnſtler, ganz derſelbe. Sehen wir endlich auf die Behand- lung und den Auftrag der Farbe ſo ſcheint allerdings, da Manches, z. B. das weiße Untergewand, kein richtiges Ver- ſtaͤndniß der Motive darlegt, vielmehr aͤngſtlich, ſtumpf, an- ſchauungslos gemalt iſt, jener Zweifel, uͤber welchen ich mich ſelbſt noch unentſchieden bekenne, mehr und mehr Beſtand zu gewinnen. Ihn zu loͤſen, moͤchte eine ausgezeichnete, vielleicht von Sebaſtian Piombo herruͤhrende Copie behuͤlflich ſeyn koͤn- nen, welche aus der Sammlung Giuſtiniani in die oͤffentliche Gallerie zu Berlin gelangt iſt. Ohne dieſem Bilde vor den florentiniſchen einen hoͤheren Kunſtwerth einzuraͤumen, be- fuͤrchte ich doch, daß es in Allem, was dem mechaniſchen
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errege. Zu ſeiner Zeit, aber auch noch ſpaͤterhin, befand es
ſich in der Sacriſtey der Kirche S. Maria del Popolo zu
Rom; doch um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wußte
Bottari nicht mehr anzugeben, wohin es gerathen ſey. Man
glaubt, es in Florenz zu beſitzen.
Das Bild Julius II. in der Tribune der Gallerie der
Uffizj iſt allerdings ein ſchoͤnes und altes; demungeachtet wird
deſſen Originalitaͤt ſeit kurzem von einigen, vielleicht zu ge-
nauen Kennern in Zweifel gezogen. In der Gallerie Pitti
derſelben Stadt giebt es zwey Copieen deſſelben Bildes, deren
eine fuͤr geiſtreicher gelten darf, als jene der Tribune, uͤbri-
gens einen ſpaͤteren Pinſel verraͤth; eine dritte iſt im Hauſe
Corſini zu finden. Gewiß entſpricht das Bild in der Tribune
der Charakteriſtik des Vaſari nicht ſonderlich; der Ausdruck
iſt nicht gebieteriſch, noch Furcht erregend, entſpricht vielmehr
der graͤmelnden Kraftloſigkeit des Alters. Vergleichen wir
dieſes Bildniß mit denen der Meſſe von Bolſena und des
Heliodor, ſo erſcheint uns weder der Gegenſtand, noch der
Kuͤnſtler, ganz derſelbe. Sehen wir endlich auf die Behand-
lung und den Auftrag der Farbe ſo ſcheint allerdings, da
Manches, z. B. das weiße Untergewand, kein richtiges Ver-
ſtaͤndniß der Motive darlegt, vielmehr aͤngſtlich, ſtumpf, an-
ſchauungslos gemalt iſt, jener Zweifel, uͤber welchen ich mich
ſelbſt noch unentſchieden bekenne, mehr und mehr Beſtand zu
gewinnen. Ihn zu loͤſen, moͤchte eine ausgezeichnete, vielleicht
von Sebaſtian Piombo herruͤhrende Copie behuͤlflich ſeyn koͤn-
nen, welche aus der Sammlung Giuſtiniani in die oͤffentliche
Gallerie zu Berlin gelangt iſt. Ohne dieſem Bilde vor den
florentiniſchen einen hoͤheren Kunſtwerth einzuraͤumen, be-
fuͤrchte ich doch, daß es in Allem, was dem mechaniſchen
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/130>, abgerufen am 29.07.2024.
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