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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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cher, während seine Schaafe aus einer Quelle trinken, auf
seiner Flöte Griffe zu versuchen scheint; in den unteren Mut-
ter Anna, welche ihren zurückkehrenden Gatten mit anmuthi-
ger Herzlichkeit umarmt; zur Seite die Geburt der Madonna,
wo das Kosen der Weiber mit der Neugeborenen unübertreff-
lich ausgedrückt ist. Alle diese naive und anmuthvolle Züge
vereinigen sich in der freylich sehr beschädigten Trauung der
Jungfrau mit Bewegung und größerer Abwechselung der Ge-
sichtszüge. Vielleicht ist dieses Werk unter den noch erhalte-
nen Proben seines Talentes die schönste.

Das andere, von diesem in Auffassung und Manier him-
melweit abweichende Leben der Jungfrau in der Altarnische
der Sacristey, galt dem Vasari, welcher indeß nur den Gegen-
stand der gegenüberliegenden Wand näher bezeichnet, ebenfalls
für eine Arbeit des Taddeo. Sie dürfte indeß neuer seyn,
weil sie bey weniger Einfachheit des Sinnes mehr Geschick-
lichkeit in der Handhabung zeigt. Auf dem Altare ist ein viel
neueres Bild mit der Jahreszahl 1378., welches mit jenen
Mauergemälden zugleich beschafft seyn dürfte. *) -- Das Chor
in s. Francesco zu Pisa, in welchem Vasari die Inschrift:
Taddeus Gaddus (?) de Florentia etc. 1342. will gele-
sen haben, ist an den Wänden überweißt; die noch vorhande-
nen Gemälde der Decke sind aber so übel zugerichtet, daß man
auch diese als verloren betrachten darf. In den allegorischen
Gemälden der linken Seitenwand im Kapitel des Klosters sta
Maria novella erkennt man wohl den allgemeinen Entwurf,

dessen
*) Ueber den späten Bau dieser Sacristey ist Richa, delle
chiese di Fir. etc. sta Croce
, einzusehn.

cher, waͤhrend ſeine Schaafe aus einer Quelle trinken, auf
ſeiner Floͤte Griffe zu verſuchen ſcheint; in den unteren Mut-
ter Anna, welche ihren zuruͤckkehrenden Gatten mit anmuthi-
ger Herzlichkeit umarmt; zur Seite die Geburt der Madonna,
wo das Koſen der Weiber mit der Neugeborenen unuͤbertreff-
lich ausgedruͤckt iſt. Alle dieſe naive und anmuthvolle Zuͤge
vereinigen ſich in der freylich ſehr beſchaͤdigten Trauung der
Jungfrau mit Bewegung und groͤßerer Abwechſelung der Ge-
ſichtszuͤge. Vielleicht iſt dieſes Werk unter den noch erhalte-
nen Proben ſeines Talentes die ſchoͤnſte.

Das andere, von dieſem in Auffaſſung und Manier him-
melweit abweichende Leben der Jungfrau in der Altarniſche
der Sacriſtey, galt dem Vaſari, welcher indeß nur den Gegen-
ſtand der gegenuͤberliegenden Wand naͤher bezeichnet, ebenfalls
fuͤr eine Arbeit des Taddeo. Sie duͤrfte indeß neuer ſeyn,
weil ſie bey weniger Einfachheit des Sinnes mehr Geſchick-
lichkeit in der Handhabung zeigt. Auf dem Altare iſt ein viel
neueres Bild mit der Jahreszahl 1378., welches mit jenen
Mauergemaͤlden zugleich beſchafft ſeyn duͤrfte. *) — Das Chor
in ſ. Francesco zu Piſa, in welchem Vaſari die Inſchrift:
Taddeus Gaddus (?) de Florentia etc. 1342. will gele-
ſen haben, iſt an den Waͤnden uͤberweißt; die noch vorhande-
nen Gemaͤlde der Decke ſind aber ſo uͤbel zugerichtet, daß man
auch dieſe als verloren betrachten darf. In den allegoriſchen
Gemaͤlden der linken Seitenwand im Kapitel des Kloſters ſta
Maria novella erkennt man wohl den allgemeinen Entwurf,

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*) Ueber den ſpaͤten Bau dieſer Sacriſtey iſt Richa, delle
chiese di Fir. etc. sta Croce
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[80/0098] cher, waͤhrend ſeine Schaafe aus einer Quelle trinken, auf ſeiner Floͤte Griffe zu verſuchen ſcheint; in den unteren Mut- ter Anna, welche ihren zuruͤckkehrenden Gatten mit anmuthi- ger Herzlichkeit umarmt; zur Seite die Geburt der Madonna, wo das Koſen der Weiber mit der Neugeborenen unuͤbertreff- lich ausgedruͤckt iſt. Alle dieſe naive und anmuthvolle Zuͤge vereinigen ſich in der freylich ſehr beſchaͤdigten Trauung der Jungfrau mit Bewegung und groͤßerer Abwechſelung der Ge- ſichtszuͤge. Vielleicht iſt dieſes Werk unter den noch erhalte- nen Proben ſeines Talentes die ſchoͤnſte. Das andere, von dieſem in Auffaſſung und Manier him- melweit abweichende Leben der Jungfrau in der Altarniſche der Sacriſtey, galt dem Vaſari, welcher indeß nur den Gegen- ſtand der gegenuͤberliegenden Wand naͤher bezeichnet, ebenfalls fuͤr eine Arbeit des Taddeo. Sie duͤrfte indeß neuer ſeyn, weil ſie bey weniger Einfachheit des Sinnes mehr Geſchick- lichkeit in der Handhabung zeigt. Auf dem Altare iſt ein viel neueres Bild mit der Jahreszahl 1378., welches mit jenen Mauergemaͤlden zugleich beſchafft ſeyn duͤrfte. *) — Das Chor in ſ. Francesco zu Piſa, in welchem Vaſari die Inſchrift: Taddeus Gaddus (?) de Florentia etc. 1342. will gele- ſen haben, iſt an den Waͤnden uͤberweißt; die noch vorhande- nen Gemaͤlde der Decke ſind aber ſo uͤbel zugerichtet, daß man auch dieſe als verloren betrachten darf. In den allegoriſchen Gemaͤlden der linken Seitenwand im Kapitel des Kloſters ſta Maria novella erkennt man wohl den allgemeinen Entwurf, deſſen *) Ueber den ſpaͤten Bau dieſer Sacriſtey iſt Richa, delle chiese di Fir. etc. sta Croce, einzuſehn.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/98>, abgerufen am 03.05.2024.