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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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liebe, sondern ergab sich eben nur aus dem Umstande, daß
in jener neuen Bauart dem Maler ein weiterer Spielraum
vorbereitet war, als dem Bildner, dessen Hervorbringungen
darin nur selten eine günstige Stelle fanden.

Als darauf, vornehmlich durch den Einfluß des Michel-
agnuolo
*), die Baukunst gegen die Mitte des sechzehnten

*) Michelagnuolo war von frühester Jugend auf für die Schön-
heit des Maßes unempfänglich, wie die Abtheilungen und Einfas-
sungen der Deckengemälde in der sixtinischen Kappelle, die wunder-
lichen Sarcophage und kleinlichen Eintheilungen in den medizei-
schen Denkmalen der Kirche s. Lorenzo zu Florenz darlegen, welche
ganz seiner eigenen Laune und Erfindung angehören, da in jener
beglückten Zeit für solche Unformen überall noch kein Beyspiel vor-
handen war. Allerdings zeigte er, als ihn mächtige Gönner in sei-
nen spätesten Jahren auf die wirkliche Baukunst hinüberlenkten,
auch in dieser Kunst Anstelligkeit und Verstand, ohne jedoch jene
ihm eigenthümliche Rohigkeit des Sinnes jemals ganz zu verläug-
nen. Die Vergötterung seiner großen und edlen Persönlichkeit ver-
leitete die Zeitgenossen seinem Beyspiele, wie besonders dem ver-
derblichen Grundsatze zu folgen: daß ein großer Geist auch in der
Baukunst durch Neuheit der Erfindung überraschen müsse. In ei-
ner Lobschrift auf Michelangelo (wiederabgedruckt bei Richa delle
chiese di Firenze
), welche bald nach dessen Tode abgefaßt worden,
wird gezeigt, daß Buonarota in der Baukunst sich größer gezeigt
habe, als in den übrigen Künsten, eben weil er darin ganz von der
gewohnten Bahn abgewichen und durchhin neu sey. In diesem Irr-
thume liegt der Ursprung aller jener architectonischen Undinge ver-
borgen, welche seit drey Jahrhunderten allmählich diesen Welttheil
und selbst die Hauptstädte der neuen Welt überdeckt haben.
Die Erfindung der Bauverzierungen bewegt sich innerhalb sehr
enger, wohlzubeachtender Grenzen, was kaum zu beklagen ist, da die
Durchdringung der Aufgabe und alles Gegebenen, welches sie beglei-
tet, an sich selbst, auch wo man das Herkömmliche festhält, stets
neue Schwierigkeiten herbeyführt, deren Beseitigung das Nachden-

liebe, ſondern ergab ſich eben nur aus dem Umſtande, daß
in jener neuen Bauart dem Maler ein weiterer Spielraum
vorbereitet war, als dem Bildner, deſſen Hervorbringungen
darin nur ſelten eine guͤnſtige Stelle fanden.

Als darauf, vornehmlich durch den Einfluß des Michel-
agnuolo
*), die Baukunſt gegen die Mitte des ſechzehnten

*) Michelagnuolo war von fruͤheſter Jugend auf fuͤr die Schoͤn-
heit des Maßes unempfaͤnglich, wie die Abtheilungen und Einfaſ-
ſungen der Deckengemaͤlde in der ſixtiniſchen Kappelle, die wunder-
lichen Sarcophage und kleinlichen Eintheilungen in den medizei-
ſchen Denkmalen der Kirche ſ. Lorenzo zu Florenz darlegen, welche
ganz ſeiner eigenen Laune und Erfindung angehoͤren, da in jener
begluͤckten Zeit fuͤr ſolche Unformen uͤberall noch kein Beyſpiel vor-
handen war. Allerdings zeigte er, als ihn maͤchtige Goͤnner in ſei-
nen ſpaͤteſten Jahren auf die wirkliche Baukunſt hinuͤberlenkten,
auch in dieſer Kunſt Anſtelligkeit und Verſtand, ohne jedoch jene
ihm eigenthuͤmliche Rohigkeit des Sinnes jemals ganz zu verlaͤug-
nen. Die Vergoͤtterung ſeiner großen und edlen Perſoͤnlichkeit ver-
leitete die Zeitgenoſſen ſeinem Beyſpiele, wie beſonders dem ver-
derblichen Grundſatze zu folgen: daß ein großer Geiſt auch in der
Baukunſt durch Neuheit der Erfindung uͤberraſchen muͤſſe. In ei-
ner Lobſchrift auf Michelangelo (wiederabgedruckt bei Richa delle
chiese di Firenze
), welche bald nach deſſen Tode abgefaßt worden,
wird gezeigt, daß Buonarota in der Baukunſt ſich groͤßer gezeigt
habe, als in den uͤbrigen Kuͤnſten, eben weil er darin ganz von der
gewohnten Bahn abgewichen und durchhin neu ſey. In dieſem Irr-
thume liegt der Urſprung aller jener architectoniſchen Undinge ver-
borgen, welche ſeit drey Jahrhunderten allmaͤhlich dieſen Welttheil
und ſelbſt die Hauptſtaͤdte der neuen Welt uͤberdeckt haben.
Die Erfindung der Bauverzierungen bewegt ſich innerhalb ſehr
enger, wohlzubeachtender Grenzen, was kaum zu beklagen iſt, da die
Durchdringung der Aufgabe und alles Gegebenen, welches ſie beglei-
tet, an ſich ſelbſt, auch wo man das Herkoͤmmliche feſthaͤlt, ſtets
neue Schwierigkeiten herbeyfuͤhrt, deren Beſeitigung das Nachden-
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[411/0429] liebe, ſondern ergab ſich eben nur aus dem Umſtande, daß in jener neuen Bauart dem Maler ein weiterer Spielraum vorbereitet war, als dem Bildner, deſſen Hervorbringungen darin nur ſelten eine guͤnſtige Stelle fanden. Als darauf, vornehmlich durch den Einfluß des Michel- agnuolo *), die Baukunſt gegen die Mitte des ſechzehnten *) Michelagnuolo war von fruͤheſter Jugend auf fuͤr die Schoͤn- heit des Maßes unempfaͤnglich, wie die Abtheilungen und Einfaſ- ſungen der Deckengemaͤlde in der ſixtiniſchen Kappelle, die wunder- lichen Sarcophage und kleinlichen Eintheilungen in den medizei- ſchen Denkmalen der Kirche ſ. Lorenzo zu Florenz darlegen, welche ganz ſeiner eigenen Laune und Erfindung angehoͤren, da in jener begluͤckten Zeit fuͤr ſolche Unformen uͤberall noch kein Beyſpiel vor- handen war. Allerdings zeigte er, als ihn maͤchtige Goͤnner in ſei- nen ſpaͤteſten Jahren auf die wirkliche Baukunſt hinuͤberlenkten, auch in dieſer Kunſt Anſtelligkeit und Verſtand, ohne jedoch jene ihm eigenthuͤmliche Rohigkeit des Sinnes jemals ganz zu verlaͤug- nen. Die Vergoͤtterung ſeiner großen und edlen Perſoͤnlichkeit ver- leitete die Zeitgenoſſen ſeinem Beyſpiele, wie beſonders dem ver- derblichen Grundſatze zu folgen: daß ein großer Geiſt auch in der Baukunſt durch Neuheit der Erfindung uͤberraſchen muͤſſe. In ei- ner Lobſchrift auf Michelangelo (wiederabgedruckt bei Richa delle chiese di Firenze), welche bald nach deſſen Tode abgefaßt worden, wird gezeigt, daß Buonarota in der Baukunſt ſich groͤßer gezeigt habe, als in den uͤbrigen Kuͤnſten, eben weil er darin ganz von der gewohnten Bahn abgewichen und durchhin neu ſey. In dieſem Irr- thume liegt der Urſprung aller jener architectoniſchen Undinge ver- borgen, welche ſeit drey Jahrhunderten allmaͤhlich dieſen Welttheil und ſelbſt die Hauptſtaͤdte der neuen Welt uͤberdeckt haben. Die Erfindung der Bauverzierungen bewegt ſich innerhalb ſehr enger, wohlzubeachtender Grenzen, was kaum zu beklagen iſt, da die Durchdringung der Aufgabe und alles Gegebenen, welches ſie beglei- tet, an ſich ſelbſt, auch wo man das Herkoͤmmliche feſthaͤlt, ſtets neue Schwierigkeiten herbeyfuͤhrt, deren Beſeitigung das Nachden-

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/429>, abgerufen am 25.11.2024.