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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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sienesischen Topographen, wenn ich recht entsinne, bisher über-
sehen haben.

Kräftiger freylich und vielseitiger zeigt sich Giovann Antonio
in jener Reihe von Darstellungen aus dem Leben des Hl. Be-
nedict im Kloster Monte Uliveto maggiore. Neun dieser großen
Gemälde beendigte Luca Signorelli aus Cortona; sie gehören
zu seinen spätesten, aber auch zu seinen reifesten und überleg-
testen Werken, in welchen Razzi offenbar an einzelnen Stellen
ausgeholfen hat, vornehmlich bey jenem schönen Jüngling in
buntgeflammter Bekleidung, welcher über den Formengeschmack
des Signorelli hinauszugehen scheint. Uebrigens hatte Luca
vor jenem eine größere Sicherheit in der Handhabung der
Malerey al fresco voraus, besonders eine gewisse Energie der
Handlung und Stärke des Charakters. Vielleicht wählte er
eben deßhalb die späteren, ernsteren Lebensereignisse des Hei-
ligen, wie denn überhaupt beide Künstler gemeinschaftlich und

designum unius fabricati per Franciscum Georgii pro pretio flor.
octingentorum
de Libris 4. pro quolibet floreno (pro) apostolo
quolibet, et de pretio basis et positionis et locationis in columnis
sit plene remissum in dictos tres et de basamentis
.
Presente dicto magistro Jacobo et acceptanti. Actum etc.
Die Erörterung dieses Umstandes ist nicht so unwesentlich, als
man glauben dürfte, Giovann Antonio Razzi erreichte in seinen
besten Arbeiten eine Schönheit und Ausbildung der Form, welche
in der modernen Malerey unübertroffen blieb. Diesen Vorzug
mochte er seinen bildnerischen Vorarbeiten verdanken, was uns
von Neuem an den Einfluß der bildnerischen Bestrebungen auf die
Entwickelung der Malerey erinnert, den ich in der vorangehenden
Abhandlung verschiedentlich hervorgehoben. Einige Bekanntschaft
mit den Handgriffen des Modellirens in nassem Thon, einige Ver-
suche, die Form als Form, nicht einzig dem Scheine nach, aufzu-
fassen, dürften mithin der höheren Ausbildung malerischer Anlagen
im Ganzen förderlich seyn.
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ſieneſiſchen Topographen, wenn ich recht entſinne, bisher uͤber-
ſehen haben.

Kraͤftiger freylich und vielſeitiger zeigt ſich Giovann Antonio
in jener Reihe von Darſtellungen aus dem Leben des Hl. Be-
nedict im Kloſter Monte Uliveto maggiore. Neun dieſer großen
Gemaͤlde beendigte Luca Signorelli aus Cortona; ſie gehoͤren
zu ſeinen ſpaͤteſten, aber auch zu ſeinen reifeſten und uͤberleg-
teſten Werken, in welchen Razzi offenbar an einzelnen Stellen
ausgeholfen hat, vornehmlich bey jenem ſchoͤnen Juͤngling in
buntgeflammter Bekleidung, welcher uͤber den Formengeſchmack
des Signorelli hinauszugehen ſcheint. Uebrigens hatte Luca
vor jenem eine groͤßere Sicherheit in der Handhabung der
Malerey al fresco voraus, beſonders eine gewiſſe Energie der
Handlung und Staͤrke des Charakters. Vielleicht waͤhlte er
eben deßhalb die ſpaͤteren, ernſteren Lebensereigniſſe des Hei-
ligen, wie denn uͤberhaupt beide Kuͤnſtler gemeinſchaftlich und

designum unius fabricati per Franciscum Georgii pro pretio flor.
octingentorum
de Libris 4. pro quolibet floreno (pro) apostolo
quolibet, et de pretio basis et positionis et locationis in columnis
sit plene remissum in dictos tres et de basamentis
.
Presente dicto magistro Jacobo et acceptanti. Actum etc.
Die Eroͤrterung dieſes Umſtandes iſt nicht ſo unweſentlich, als
man glauben duͤrfte, Giovann Antonio Razzi erreichte in ſeinen
beſten Arbeiten eine Schoͤnheit und Ausbildung der Form, welche
in der modernen Malerey unuͤbertroffen blieb. Dieſen Vorzug
mochte er ſeinen bildneriſchen Vorarbeiten verdanken, was uns
von Neuem an den Einfluß der bildneriſchen Beſtrebungen auf die
Entwickelung der Malerey erinnert, den ich in der vorangehenden
Abhandlung verſchiedentlich hervorgehoben. Einige Bekanntſchaft
mit den Handgriffen des Modellirens in naſſem Thon, einige Ver-
ſuche, die Form als Form, nicht einzig dem Scheine nach, aufzu-
faſſen, duͤrften mithin der hoͤheren Ausbildung maleriſcher Anlagen
im Ganzen foͤrderlich ſeyn.
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[387/0405] ſieneſiſchen Topographen, wenn ich recht entſinne, bisher uͤber- ſehen haben. Kraͤftiger freylich und vielſeitiger zeigt ſich Giovann Antonio in jener Reihe von Darſtellungen aus dem Leben des Hl. Be- nedict im Kloſter Monte Uliveto maggiore. Neun dieſer großen Gemaͤlde beendigte Luca Signorelli aus Cortona; ſie gehoͤren zu ſeinen ſpaͤteſten, aber auch zu ſeinen reifeſten und uͤberleg- teſten Werken, in welchen Razzi offenbar an einzelnen Stellen ausgeholfen hat, vornehmlich bey jenem ſchoͤnen Juͤngling in buntgeflammter Bekleidung, welcher uͤber den Formengeſchmack des Signorelli hinauszugehen ſcheint. Uebrigens hatte Luca vor jenem eine groͤßere Sicherheit in der Handhabung der Malerey al fresco voraus, beſonders eine gewiſſe Energie der Handlung und Staͤrke des Charakters. Vielleicht waͤhlte er eben deßhalb die ſpaͤteren, ernſteren Lebensereigniſſe des Hei- ligen, wie denn uͤberhaupt beide Kuͤnſtler gemeinſchaftlich und *) *) designum unius fabricati per Franciscum Georgii pro pretio flor. octingentorum de Libris 4. pro quolibet floreno (pro) apostolo quolibet, et de pretio basis et positionis et locationis in columnis sit plene remissum in dictos tres et de basamentis. Presente dicto magistro Jacobo et acceptanti. Actum etc. Die Eroͤrterung dieſes Umſtandes iſt nicht ſo unweſentlich, als man glauben duͤrfte, Giovann Antonio Razzi erreichte in ſeinen beſten Arbeiten eine Schoͤnheit und Ausbildung der Form, welche in der modernen Malerey unuͤbertroffen blieb. Dieſen Vorzug mochte er ſeinen bildneriſchen Vorarbeiten verdanken, was uns von Neuem an den Einfluß der bildneriſchen Beſtrebungen auf die Entwickelung der Malerey erinnert, den ich in der vorangehenden Abhandlung verſchiedentlich hervorgehoben. Einige Bekanntſchaft mit den Handgriffen des Modellirens in naſſem Thon, einige Ver- ſuche, die Form als Form, nicht einzig dem Scheine nach, aufzu- faſſen, duͤrften mithin der hoͤheren Ausbildung maleriſcher Anlagen im Ganzen foͤrderlich ſeyn. 25 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/405>, abgerufen am 03.05.2024.