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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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den wir oben schon seit dem zwölften Jahrhundert allmählig
haben herannahen sehen.

Der Autorität jener Randbemerkung zum Dante werden wir
also zugeben dürfen, daß Cimabue, in seinem Kreise, gegen Ende
des dreyzehnten Jahrhundertes der angesehenste Maler gewesen
sey. Doch berechtigt uns ein so allgemeines Zeugniß noch keines-
weges, ihn auch für den besten und größesten Maler seiner Zeit zu
halten. Gewiß ist es bedenklich, daß Duccio, obwohl ein Siene-
ser, doch dem Ghiberti, der beiden noch so nahe stand, bey wei-
tem mehr Achtung eingeflößt hatte; *) so wie selbst die allge-
meineren geschichtlichen Verhältnisse auf die Vermuthung lei-
ten, daß Florenz in den frühesten Zeiten, anstatt, wie Vasari
lehrt, den bildenden Künsten die Bahn zu brechen, vielmehr,
was diese angeht, den älteren Mittelpuncten der Macht und
des Handels um Einiges nachgestanden sey. Vergessen wir
nicht, daß die Größe von Pisa und Siena, selbst die Blüthe
von Lucca und Pistoja dem ersten entschiedneren Aufschwunge
des Florentinischen Gemeinwesens um ein Jahrhundert und
zum Theil um ungleich längere Zeit vorangegangen; daß Flo-
renz
erst, nachdem die Hohenstaufen mit ihren Anhängern,
den Ghibellinen, gesunken waren, zum Mittelpuncte der siegen-
den Parthey und durch Macht und Reichthum zur Hauptstadt
der ganzen Provinz gediehen ist. Daher entstand zu Pisa, wo
schon seit dem eilften Jahrhundert mit so großem Aufwande
gebaut worden, wohl ein Menschenalter vor Cimabue, wenn
dieser anders der Lehrer des Giotto gewesen, eine blühende
Bildnerschule, auf welche ich zurückkommen werde; Siena aber,
dessen politische Größe das dreyzehnte Jahrhundert durchmißt,

*) Ghib. MS. cit. fo. 9. a.
2 *

den wir oben ſchon ſeit dem zwoͤlften Jahrhundert allmaͤhlig
haben herannahen ſehen.

Der Autoritaͤt jener Randbemerkung zum Dante werden wir
alſo zugeben duͤrfen, daß Cimabue, in ſeinem Kreiſe, gegen Ende
des dreyzehnten Jahrhundertes der angeſehenſte Maler geweſen
ſey. Doch berechtigt uns ein ſo allgemeines Zeugniß noch keines-
weges, ihn auch fuͤr den beſten und groͤßeſten Maler ſeiner Zeit zu
halten. Gewiß iſt es bedenklich, daß Duccio, obwohl ein Siene-
ſer, doch dem Ghiberti, der beiden noch ſo nahe ſtand, bey wei-
tem mehr Achtung eingefloͤßt hatte; *) ſo wie ſelbſt die allge-
meineren geſchichtlichen Verhaͤltniſſe auf die Vermuthung lei-
ten, daß Florenz in den fruͤheſten Zeiten, anſtatt, wie Vaſari
lehrt, den bildenden Kuͤnſten die Bahn zu brechen, vielmehr,
was dieſe angeht, den aͤlteren Mittelpuncten der Macht und
des Handels um Einiges nachgeſtanden ſey. Vergeſſen wir
nicht, daß die Groͤße von Piſa und Siena, ſelbſt die Bluͤthe
von Lucca und Piſtoja dem erſten entſchiedneren Aufſchwunge
des Florentiniſchen Gemeinweſens um ein Jahrhundert und
zum Theil um ungleich laͤngere Zeit vorangegangen; daß Flo-
renz
erſt, nachdem die Hohenſtaufen mit ihren Anhaͤngern,
den Ghibellinen, geſunken waren, zum Mittelpuncte der ſiegen-
den Parthey und durch Macht und Reichthum zur Hauptſtadt
der ganzen Provinz gediehen iſt. Daher entſtand zu Piſa, wo
ſchon ſeit dem eilften Jahrhundert mit ſo großem Aufwande
gebaut worden, wohl ein Menſchenalter vor Cimabue, wenn
dieſer anders der Lehrer des Giotto geweſen, eine bluͤhende
Bildnerſchule, auf welche ich zuruͤckkommen werde; Siena aber,
deſſen politiſche Groͤße das dreyzehnte Jahrhundert durchmißt,

*) Ghib. MS. cit. fo. 9. a.
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[19/0037] den wir oben ſchon ſeit dem zwoͤlften Jahrhundert allmaͤhlig haben herannahen ſehen. Der Autoritaͤt jener Randbemerkung zum Dante werden wir alſo zugeben duͤrfen, daß Cimabue, in ſeinem Kreiſe, gegen Ende des dreyzehnten Jahrhundertes der angeſehenſte Maler geweſen ſey. Doch berechtigt uns ein ſo allgemeines Zeugniß noch keines- weges, ihn auch fuͤr den beſten und groͤßeſten Maler ſeiner Zeit zu halten. Gewiß iſt es bedenklich, daß Duccio, obwohl ein Siene- ſer, doch dem Ghiberti, der beiden noch ſo nahe ſtand, bey wei- tem mehr Achtung eingefloͤßt hatte; *) ſo wie ſelbſt die allge- meineren geſchichtlichen Verhaͤltniſſe auf die Vermuthung lei- ten, daß Florenz in den fruͤheſten Zeiten, anſtatt, wie Vaſari lehrt, den bildenden Kuͤnſten die Bahn zu brechen, vielmehr, was dieſe angeht, den aͤlteren Mittelpuncten der Macht und des Handels um Einiges nachgeſtanden ſey. Vergeſſen wir nicht, daß die Groͤße von Piſa und Siena, ſelbſt die Bluͤthe von Lucca und Piſtoja dem erſten entſchiedneren Aufſchwunge des Florentiniſchen Gemeinweſens um ein Jahrhundert und zum Theil um ungleich laͤngere Zeit vorangegangen; daß Flo- renz erſt, nachdem die Hohenſtaufen mit ihren Anhaͤngern, den Ghibellinen, geſunken waren, zum Mittelpuncte der ſiegen- den Parthey und durch Macht und Reichthum zur Hauptſtadt der ganzen Provinz gediehen iſt. Daher entſtand zu Piſa, wo ſchon ſeit dem eilften Jahrhundert mit ſo großem Aufwande gebaut worden, wohl ein Menſchenalter vor Cimabue, wenn dieſer anders der Lehrer des Giotto geweſen, eine bluͤhende Bildnerſchule, auf welche ich zuruͤckkommen werde; Siena aber, deſſen politiſche Groͤße das dreyzehnte Jahrhundert durchmißt, *) Ghib. MS. cit. fo. 9. a. 2 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/37>, abgerufen am 03.12.2024.