Niccolo di Fuligno war demnach den berühmteren Ma- lern der umbrischen Schule eben in jenem nur ihnen eigen- thümlichen Ausdrucke fleckenloser Seelenreinheit, zum Höchsten aufsteigender Sehnsucht und gänzlicher Hingebung in süß schmerzliche und schwärmerisch zärtliche Gefühle um Jahrze- hende vorangegangen, hatte bey einer langen Lebensdauer un- streitig durch Beyspiel und Lehre auf einen großen Theil jener Maler einwirken können, welche man meist, obwohl nicht im- mer mit ausreichenden Gründen, der Schule des Peter von Perugio unterordnet. Hingegen hatte der kühlere Fiorenzo di Lorenzo, welcher in Ansehung seiner hellen Färbung, seiner feinausgeschärften Mundwinkel und anderer Eigenthümlichkei- ten bey Benozzo gelernt haben möchte, von diesem letzten die schärfere Bezeichnung des Einzelnen, und manche Vortheile der malerischen Anordnung angenommen, welche dem Niccolo fremd geblieben sind. Aus einer gewissen Verschmelzung der Anregungen und Lehren, welche von diesen Künstlern ausgehen mußten, werden nebst anderen Zeitgenossen, sowohl Peter von Castello della Pieve, als Bernardino Pinturicchio sich hervor- gebildet haben; obwohl diese weitgereiseten und lange unstät umherschweifenden Meister, in der Folge mit vielen anderen Schulen in Berührung gekommen sind, und sich bemüht ha- ben mögen, was ihnen jedesmal vortrefflich schien, nach Kräf- ten sich anzueignen.
Es ist mir nicht gelungen, die Wirksamkeit des Fiorenzo weiter rückwärts zu verfolgen, als Mariotti, welcher ihn be- reits im Jahre 1472. den höchsten Magistrat seiner Stadt bekleiden sieht *). Nehmen wir an, daß Fiorenzo schon im
Jahre
*)Mariotti bezieht sich offenbar auf die Worte (Archiv. pubbl. di Perugia Annali Xvirali 1472. p. 156.): Florentius Rentii Cecchi
Niccolò di Fuligno war demnach den beruͤhmteren Ma- lern der umbriſchen Schule eben in jenem nur ihnen eigen- thuͤmlichen Ausdrucke fleckenloſer Seelenreinheit, zum Hoͤchſten aufſteigender Sehnſucht und gaͤnzlicher Hingebung in ſuͤß ſchmerzliche und ſchwaͤrmeriſch zaͤrtliche Gefuͤhle um Jahrze- hende vorangegangen, hatte bey einer langen Lebensdauer un- ſtreitig durch Beyſpiel und Lehre auf einen großen Theil jener Maler einwirken koͤnnen, welche man meiſt, obwohl nicht im- mer mit ausreichenden Gruͤnden, der Schule des Peter von Perugio unterordnet. Hingegen hatte der kuͤhlere Fiorenzo di Lorenzo, welcher in Anſehung ſeiner hellen Faͤrbung, ſeiner feinausgeſchaͤrften Mundwinkel und anderer Eigenthuͤmlichkei- ten bey Benozzo gelernt haben moͤchte, von dieſem letzten die ſchaͤrfere Bezeichnung des Einzelnen, und manche Vortheile der maleriſchen Anordnung angenommen, welche dem Niccolò fremd geblieben ſind. Aus einer gewiſſen Verſchmelzung der Anregungen und Lehren, welche von dieſen Kuͤnſtlern ausgehen mußten, werden nebſt anderen Zeitgenoſſen, ſowohl Peter von Caſtello della Pieve, als Bernardino Pinturicchio ſich hervor- gebildet haben; obwohl dieſe weitgereiſeten und lange unſtaͤt umherſchweifenden Meiſter, in der Folge mit vielen anderen Schulen in Beruͤhrung gekommen ſind, und ſich bemuͤht ha- ben moͤgen, was ihnen jedesmal vortrefflich ſchien, nach Kraͤf- ten ſich anzueignen.
Es iſt mir nicht gelungen, die Wirkſamkeit des Fiorenzo weiter ruͤckwaͤrts zu verfolgen, als Mariotti, welcher ihn be- reits im Jahre 1472. den hoͤchſten Magiſtrat ſeiner Stadt bekleiden ſieht *). Nehmen wir an, daß Fiorenzo ſchon im
Jahre
*)Mariotti bezieht ſich offenbar auf die Worte (Archiv. pubbl. di Perugia Annali Xvirali 1472. p. 156.): Florentius Rentii Cecchi
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Niccolò di Fuligno war demnach den beruͤhmteren Ma-
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aufſteigender Sehnſucht und gaͤnzlicher Hingebung in ſuͤß
ſchmerzliche und ſchwaͤrmeriſch zaͤrtliche Gefuͤhle um Jahrze-
hende vorangegangen, hatte bey einer langen Lebensdauer un-
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Maler einwirken koͤnnen, welche man meiſt, obwohl nicht im-
mer mit ausreichenden Gruͤnden, der Schule des Peter von
Perugio unterordnet. Hingegen hatte der kuͤhlere Fiorenzo di
Lorenzo, welcher in Anſehung ſeiner hellen Faͤrbung, ſeiner
feinausgeſchaͤrften Mundwinkel und anderer Eigenthuͤmlichkei-
ten bey Benozzo gelernt haben moͤchte, von dieſem letzten die
ſchaͤrfere Bezeichnung des Einzelnen, und manche Vortheile der
maleriſchen Anordnung angenommen, welche dem Niccolò
fremd geblieben ſind. Aus einer gewiſſen Verſchmelzung der
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mußten, werden nebſt anderen Zeitgenoſſen, ſowohl Peter von
Caſtello della Pieve, als Bernardino Pinturicchio ſich hervor-
gebildet haben; obwohl dieſe weitgereiſeten und lange unſtaͤt
umherſchweifenden Meiſter, in der Folge mit vielen anderen
Schulen in Beruͤhrung gekommen ſind, und ſich bemuͤht ha-
ben moͤgen, was ihnen jedesmal vortrefflich ſchien, nach Kraͤf-
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Es iſt mir nicht gelungen, die Wirkſamkeit des Fiorenzo
weiter ruͤckwaͤrts zu verfolgen, als Mariotti, welcher ihn be-
reits im Jahre 1472. den hoͤchſten Magiſtrat ſeiner Stadt
bekleiden ſieht *). Nehmen wir an, daß Fiorenzo ſchon im
Jahre
*) Mariotti bezieht ſich offenbar auf die Worte (Archiv. pubbl.
di Perugia Annali Xvirali 1472. p. 156.): Florentius Rentii Cecchi
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/338>, abgerufen am 16.02.2025.
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