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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Die drey Seitenwände und die Decke der Kappelle sind hier
durchaus und in verschiedenen Abtheilungen bemalt; in den
Feldern des Kreuzgewölbes Sibyllen, an den Wänden Wun-
der und Ereignisse aus dem Leben und Hinscheiden des Hl.
Franz. Diese letzten verdienen mehr Aufmerksamkeit, als jene
lässiger behandelte Deckenverzierung.

Zur Rechten des Eintretenden begegnet dem Blicke so-
gleich der Tod des Hl. Franz, das Meisterstück dieser Kap-
pelle und, wenn ich nicht irre, überhaupt das gelungenste hi-
storische
Bild des Ghirlandajo. Den Hauptentwurf ent-
lehnte der Künstler allerdings aus älteren Darstellungen die-
ses Momentes, welcher in der Malerey des neueren Mittel-
alters häufig wiederkehrt und daher frühe einen bestimmten
Aufdruck empfangen hat. Doch in der Ausbildung der leich-
ten Andeutungen jener älteren Kunstgebilde zeigte er, wie man
es auf vorgerückten Kunststufen mit Solchem zu halten habe,
welches in Bezug auf Anordnung und Auffassung wenig, in
Bezug auf Ausführung Alles zu wünschen übrig läßt. Denn,
obwohl er sich strenge an den herkömmlichen Entwurf hielt,
in einzelnen Figuren sogar gewisse Erweiterungen der Mund-
winkel beybehielt, welche den älteren Malern behülflich waren,
Stärke des Affectes auszudrücken; so verglich er doch jeden
einzelnen Theil mit den Erscheinungen des wirklichen Lebens,
ließ keine der Eigenthümlichkeiten des mönchischen, keinen der
kirchlichen Gebräuche unbeachtet, nutzte die naive Unbehülflich-
keit jugendlicher Novizen, die Lichtspiele der Kerzen, die In-
tension des Ausdruckes in den Köpfen älterer Mönche, die
breiten Faltenmassen der malerischen Bekleidung der Söhne
des Hl. Franz und Alles, was der Gegenstand nur immer
herbeyführte, oder zuließ, seine Darstellung so anziehend und

Die drey Seitenwaͤnde und die Decke der Kappelle ſind hier
durchaus und in verſchiedenen Abtheilungen bemalt; in den
Feldern des Kreuzgewoͤlbes Sibyllen, an den Waͤnden Wun-
der und Ereigniſſe aus dem Leben und Hinſcheiden des Hl.
Franz. Dieſe letzten verdienen mehr Aufmerkſamkeit, als jene
laͤſſiger behandelte Deckenverzierung.

Zur Rechten des Eintretenden begegnet dem Blicke ſo-
gleich der Tod des Hl. Franz, das Meiſterſtuͤck dieſer Kap-
pelle und, wenn ich nicht irre, uͤberhaupt das gelungenſte hi-
ſtoriſche
Bild des Ghirlandajo. Den Hauptentwurf ent-
lehnte der Kuͤnſtler allerdings aus aͤlteren Darſtellungen die-
ſes Momentes, welcher in der Malerey des neueren Mittel-
alters haͤufig wiederkehrt und daher fruͤhe einen beſtimmten
Aufdruck empfangen hat. Doch in der Ausbildung der leich-
ten Andeutungen jener aͤlteren Kunſtgebilde zeigte er, wie man
es auf vorgeruͤckten Kunſtſtufen mit Solchem zu halten habe,
welches in Bezug auf Anordnung und Auffaſſung wenig, in
Bezug auf Ausfuͤhrung Alles zu wuͤnſchen uͤbrig laͤßt. Denn,
obwohl er ſich ſtrenge an den herkoͤmmlichen Entwurf hielt,
in einzelnen Figuren ſogar gewiſſe Erweiterungen der Mund-
winkel beybehielt, welche den aͤlteren Malern behuͤlflich waren,
Staͤrke des Affectes auszudruͤcken; ſo verglich er doch jeden
einzelnen Theil mit den Erſcheinungen des wirklichen Lebens,
ließ keine der Eigenthuͤmlichkeiten des moͤnchiſchen, keinen der
kirchlichen Gebraͤuche unbeachtet, nutzte die naive Unbehuͤlflich-
keit jugendlicher Novizen, die Lichtſpiele der Kerzen, die In-
tenſion des Ausdruckes in den Koͤpfen aͤlterer Moͤnche, die
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[280/0298] Die drey Seitenwaͤnde und die Decke der Kappelle ſind hier durchaus und in verſchiedenen Abtheilungen bemalt; in den Feldern des Kreuzgewoͤlbes Sibyllen, an den Waͤnden Wun- der und Ereigniſſe aus dem Leben und Hinſcheiden des Hl. Franz. Dieſe letzten verdienen mehr Aufmerkſamkeit, als jene laͤſſiger behandelte Deckenverzierung. Zur Rechten des Eintretenden begegnet dem Blicke ſo- gleich der Tod des Hl. Franz, das Meiſterſtuͤck dieſer Kap- pelle und, wenn ich nicht irre, uͤberhaupt das gelungenſte hi- ſtoriſche Bild des Ghirlandajo. Den Hauptentwurf ent- lehnte der Kuͤnſtler allerdings aus aͤlteren Darſtellungen die- ſes Momentes, welcher in der Malerey des neueren Mittel- alters haͤufig wiederkehrt und daher fruͤhe einen beſtimmten Aufdruck empfangen hat. Doch in der Ausbildung der leich- ten Andeutungen jener aͤlteren Kunſtgebilde zeigte er, wie man es auf vorgeruͤckten Kunſtſtufen mit Solchem zu halten habe, welches in Bezug auf Anordnung und Auffaſſung wenig, in Bezug auf Ausfuͤhrung Alles zu wuͤnſchen uͤbrig laͤßt. Denn, obwohl er ſich ſtrenge an den herkoͤmmlichen Entwurf hielt, in einzelnen Figuren ſogar gewiſſe Erweiterungen der Mund- winkel beybehielt, welche den aͤlteren Malern behuͤlflich waren, Staͤrke des Affectes auszudruͤcken; ſo verglich er doch jeden einzelnen Theil mit den Erſcheinungen des wirklichen Lebens, ließ keine der Eigenthuͤmlichkeiten des moͤnchiſchen, keinen der kirchlichen Gebraͤuche unbeachtet, nutzte die naive Unbehuͤlflich- keit jugendlicher Novizen, die Lichtſpiele der Kerzen, die In- tenſion des Ausdruckes in den Koͤpfen aͤlterer Moͤnche, die breiten Faltenmaſſen der maleriſchen Bekleidung der Soͤhne des Hl. Franz und Alles, was der Gegenſtand nur immer herbeyfuͤhrte, oder zuließ, ſeine Darſtellung ſo anziehend und

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/298>, abgerufen am 20.05.2024.