nicht eben gefällige Durchschnittsbildung; wahrscheinlich folgte er hier einem älteren Typus. Auch in dem Gradino jener Tafel der Kirche s. Margherita, mit der Anbetung der Kö- nige, dem Kindermord, der Vorstellung im Tempel, zeigt sich ungleich mehr Feinheit, als man diesem Künstler zutrauen sollte, wenn man nur etwa die Staffeleygemälde der florenti- nischen Sammlungen gesehn, deren einige in die mehrgedachte, ehmals solly'sche Sammlung übergegangen sind. Eines sei- ner besten Staffeleygemälde befindet sich zu Pistoja im Hause des Cavaliere Alessandro Bracciolini, dem Erben des Hau- ses und der Kappelle Bellucci, für welche dieses Bild nach Vasari, gemalt worden. Die Figuren sind naiv und nicht unschön, das Bildniß des Stifters würde auch einem Zeitge- nossen Raphaels Ehre machen.
Seiner Ungleichheiten ungeachtet, war Fra Filippo bis- weilen vortrefflich, unter allen Umständen seit dem Angelico unter den florentinischen Malern der erste, welcher gewagt, über das sinnlich Vorliegende hinauszugehn und seiner eigen- thümlichen Empfindung ihren Lauf zu lassen. Freylich grenzte diese nicht selten an das Gemeine; doch war es eben da- mals an der Zeit, den florentinischen, meist bey der Charak- teristik des Einzelnen verweilenden Malern, ein wesentliches Element des malerischen Ausdrucks, die Handlung und den Affect, in Erinnerung zu bringen.
Indeß wirkte er, wie es geschieht, nicht auf Solche, welche in entgegengesetzter Richtung vorschritten, mithin einer gewissen Beymischung des eben nur ihm Eigenthümlichen be- durft hätten, vielmehr einzig auf seine Schüler und späteren Nachfolger, woher zu erklären, daß der vorwaltende Natura- lismus der Florentiner sich nunmehr in zwey entgegengesetzte
nicht eben gefaͤllige Durchſchnittsbildung; wahrſcheinlich folgte er hier einem aͤlteren Typus. Auch in dem Gradino jener Tafel der Kirche ſ. Margherita, mit der Anbetung der Koͤ- nige, dem Kindermord, der Vorſtellung im Tempel, zeigt ſich ungleich mehr Feinheit, als man dieſem Kuͤnſtler zutrauen ſollte, wenn man nur etwa die Staffeleygemaͤlde der florenti- niſchen Sammlungen geſehn, deren einige in die mehrgedachte, ehmals ſolly’ſche Sammlung uͤbergegangen ſind. Eines ſei- ner beſten Staffeleygemaͤlde befindet ſich zu Piſtoja im Hauſe des Cavaliere Aleſſandro Bracciolini, dem Erben des Hau- ſes und der Kappelle Bellucci, fuͤr welche dieſes Bild nach Vaſari, gemalt worden. Die Figuren ſind naiv und nicht unſchoͤn, das Bildniß des Stifters wuͤrde auch einem Zeitge- noſſen Raphaels Ehre machen.
Seiner Ungleichheiten ungeachtet, war Fra Filippo bis- weilen vortrefflich, unter allen Umſtaͤnden ſeit dem Angelico unter den florentiniſchen Malern der erſte, welcher gewagt, uͤber das ſinnlich Vorliegende hinauszugehn und ſeiner eigen- thuͤmlichen Empfindung ihren Lauf zu laſſen. Freylich grenzte dieſe nicht ſelten an das Gemeine; doch war es eben da- mals an der Zeit, den florentiniſchen, meiſt bey der Charak- teriſtik des Einzelnen verweilenden Malern, ein weſentliches Element des maleriſchen Ausdrucks, die Handlung und den Affect, in Erinnerung zu bringen.
Indeß wirkte er, wie es geſchieht, nicht auf Solche, welche in entgegengeſetzter Richtung vorſchritten, mithin einer gewiſſen Beymiſchung des eben nur ihm Eigenthuͤmlichen be- durft haͤtten, vielmehr einzig auf ſeine Schuͤler und ſpaͤteren Nachfolger, woher zu erklaͤren, daß der vorwaltende Natura- lismus der Florentiner ſich nunmehr in zwey entgegengeſetzte
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nicht eben gefaͤllige Durchſchnittsbildung; wahrſcheinlich folgte
er hier einem aͤlteren Typus. Auch in dem Gradino jener
Tafel der Kirche ſ. Margherita, mit der Anbetung der Koͤ-
nige, dem Kindermord, der Vorſtellung im Tempel, zeigt ſich
ungleich mehr Feinheit, als man dieſem Kuͤnſtler zutrauen
ſollte, wenn man nur etwa die Staffeleygemaͤlde der florenti-
niſchen Sammlungen geſehn, deren einige in die mehrgedachte,
ehmals ſolly’ſche Sammlung uͤbergegangen ſind. Eines ſei-
ner beſten Staffeleygemaͤlde befindet ſich zu Piſtoja im Hauſe
des Cavaliere Aleſſandro Bracciolini, dem Erben des Hau-
ſes und der Kappelle Bellucci, fuͤr welche dieſes Bild nach
Vaſari, gemalt worden. Die Figuren ſind naiv und nicht
unſchoͤn, das Bildniß des Stifters wuͤrde auch einem Zeitge-
noſſen Raphaels Ehre machen.
Seiner Ungleichheiten ungeachtet, war Fra Filippo bis-
weilen vortrefflich, unter allen Umſtaͤnden ſeit dem Angelico
unter den florentiniſchen Malern der erſte, welcher gewagt,
uͤber das ſinnlich Vorliegende hinauszugehn und ſeiner eigen-
thuͤmlichen Empfindung ihren Lauf zu laſſen. Freylich grenzte
dieſe nicht ſelten an das Gemeine; doch war es eben da-
mals an der Zeit, den florentiniſchen, meiſt bey der Charak-
teriſtik des Einzelnen verweilenden Malern, ein weſentliches
Element des maleriſchen Ausdrucks, die Handlung und den
Affect, in Erinnerung zu bringen.
Indeß wirkte er, wie es geſchieht, nicht auf Solche,
welche in entgegengeſetzter Richtung vorſchritten, mithin einer
gewiſſen Beymiſchung des eben nur ihm Eigenthuͤmlichen be-
durft haͤtten, vielmehr einzig auf ſeine Schuͤler und ſpaͤteren
Nachfolger, woher zu erklaͤren, daß der vorwaltende Natura-
lismus der Florentiner ſich nunmehr in zwey entgegengeſetzte
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/289>, abgerufen am 25.11.2024.
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