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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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zuverlässiger Schriftsteller, so würde man annehmen müssen,
daß er dafür Gründe hatte, die gegenwärtig unbekannt sind.
Da es aber auch sonst seine Gewohnheit ist, Vermuthungen
als Gewißheiten auszusprechen, so hält seine Angabe gegen das
Ansehen des Bauherrn selbst nicht Stand. Die zuverlässig be-
kannten Lebensumstände des Francesco machen es vollends
unwahrscheinlich, daß ihm überhaupt, und vorzüglich in so
früher Zeit, eine Bauunternehmung von so großem Umfang
sey aufgetragen worden.

Denn zunächst scheint Francesco um 1459, als Pius
seinen Bau unternahm, erst ein Knabe, oder doch nur ein
Jüngling gewesen zu seyn, weil seine Thätigkeit um mehr als
vierzig Jahre später *) noch in Anspruch genommen wird.
Vasari, dem dieser Umstand entgangen war, setzt die Werke
des Francesco um 1480; Baldinucci läßt diesen Künstler gar
schon um 1470 sterben; gerade um die Zeit, da die zuverläs-
sigen Nachrichten von seiner Lebensthätigkeit beginnen. Wenn
diese Unkunde auf der einen Seite die Glaubwürdigkeit der
Behauptung Vasari's nicht gerade erhöht, so erklärt sie auf
der andern deren naive Sicherheit. -- Nun geben uns die
Sieneser Briefe **) aus einem Taufregister folgenden Auszug:
Francesco Maurizio di Giorgio di Martino pollajuolo,
battezato il 23. Settenbre 1439.
Ich habe das Taufbuch
selbst nicht gesehen; der Auszug aber hat das Ansehen der
Aechtheit. Denselben großväterlichen Namen: Martin, fand
ich unter den Magistraten, welche den 1. November 1485 ***)

*) Archiv. cit. Deliberazioni di Balia. T. XLVII. fo. 48. die
XXIV. Julii 1505. et T. XLVIII. fo. 59. die XXIII. Junii 1506.
**) To. III. p. 77.
***) Archiv. cit. consilia campanae, de a. 1485.

zuverlaͤſſiger Schriftſteller, ſo wuͤrde man annehmen muͤſſen,
daß er dafuͤr Gruͤnde hatte, die gegenwaͤrtig unbekannt ſind.
Da es aber auch ſonſt ſeine Gewohnheit iſt, Vermuthungen
als Gewißheiten auszuſprechen, ſo haͤlt ſeine Angabe gegen das
Anſehen des Bauherrn ſelbſt nicht Stand. Die zuverlaͤſſig be-
kannten Lebensumſtaͤnde des Francesco machen es vollends
unwahrſcheinlich, daß ihm uͤberhaupt, und vorzuͤglich in ſo
fruͤher Zeit, eine Bauunternehmung von ſo großem Umfang
ſey aufgetragen worden.

Denn zunaͤchſt ſcheint Francesco um 1459, als Pius
ſeinen Bau unternahm, erſt ein Knabe, oder doch nur ein
Juͤngling geweſen zu ſeyn, weil ſeine Thaͤtigkeit um mehr als
vierzig Jahre ſpaͤter *) noch in Anſpruch genommen wird.
Vaſari, dem dieſer Umſtand entgangen war, ſetzt die Werke
des Francesco um 1480; Baldinucci laͤßt dieſen Kuͤnſtler gar
ſchon um 1470 ſterben; gerade um die Zeit, da die zuverlaͤſ-
ſigen Nachrichten von ſeiner Lebensthaͤtigkeit beginnen. Wenn
dieſe Unkunde auf der einen Seite die Glaubwuͤrdigkeit der
Behauptung Vaſari’s nicht gerade erhoͤht, ſo erklaͤrt ſie auf
der andern deren naive Sicherheit. — Nun geben uns die
Sieneſer Briefe **) aus einem Taufregiſter folgenden Auszug:
Francesco Maurizio di Giorgio di Martino pollajuolo,
battezato il 23. Settenbre 1439.
Ich habe das Taufbuch
ſelbſt nicht geſehen; der Auszug aber hat das Anſehen der
Aechtheit. Denſelben großvaͤterlichen Namen: Martin, fand
ich unter den Magiſtraten, welche den 1. November 1485 ***)

*) Archiv. cit. Deliberazioni di Balia. T. XLVII. fo. 48. die
XXIV. Julii 1505. et T. XLVIII. fo. 59. die XXIII. Junii 1506.
**) To. III. p. 77.
***) Archiv. cit. consilia campanae, de a. 1485.
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[183/0201] zuverlaͤſſiger Schriftſteller, ſo wuͤrde man annehmen muͤſſen, daß er dafuͤr Gruͤnde hatte, die gegenwaͤrtig unbekannt ſind. Da es aber auch ſonſt ſeine Gewohnheit iſt, Vermuthungen als Gewißheiten auszuſprechen, ſo haͤlt ſeine Angabe gegen das Anſehen des Bauherrn ſelbſt nicht Stand. Die zuverlaͤſſig be- kannten Lebensumſtaͤnde des Francesco machen es vollends unwahrſcheinlich, daß ihm uͤberhaupt, und vorzuͤglich in ſo fruͤher Zeit, eine Bauunternehmung von ſo großem Umfang ſey aufgetragen worden. Denn zunaͤchſt ſcheint Francesco um 1459, als Pius ſeinen Bau unternahm, erſt ein Knabe, oder doch nur ein Juͤngling geweſen zu ſeyn, weil ſeine Thaͤtigkeit um mehr als vierzig Jahre ſpaͤter *) noch in Anſpruch genommen wird. Vaſari, dem dieſer Umſtand entgangen war, ſetzt die Werke des Francesco um 1480; Baldinucci laͤßt dieſen Kuͤnſtler gar ſchon um 1470 ſterben; gerade um die Zeit, da die zuverlaͤſ- ſigen Nachrichten von ſeiner Lebensthaͤtigkeit beginnen. Wenn dieſe Unkunde auf der einen Seite die Glaubwuͤrdigkeit der Behauptung Vaſari’s nicht gerade erhoͤht, ſo erklaͤrt ſie auf der andern deren naive Sicherheit. — Nun geben uns die Sieneſer Briefe **) aus einem Taufregiſter folgenden Auszug: Francesco Maurizio di Giorgio di Martino pollajuolo, battezato il 23. Settenbre 1439. Ich habe das Taufbuch ſelbſt nicht geſehen; der Auszug aber hat das Anſehen der Aechtheit. Denſelben großvaͤterlichen Namen: Martin, fand ich unter den Magiſtraten, welche den 1. November 1485 ***) *) Archiv. cit. Deliberazioni di Balia. T. XLVII. fo. 48. die XXIV. Julii 1505. et T. XLVIII. fo. 59. die XXIII. Junii 1506. **) To. III. p. 77. ***) Archiv. cit. consilia campanae, de a. 1485.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/201>, abgerufen am 05.05.2024.