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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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Ambruogio Lorenzetti kunstreicher zu seyn, als alle übrigen."
Da er nun überhaupt, wie ich bereits erinnert habe, *)
die sienesische und florentinische Schule als völlig getrennt
und jede für sich betrachtete, so hielt er den Simon, dessen
Meister er nicht nennt, sicher für einen Sprößling der siene-
sischen, um so mehr, da er von den Florentinern, Stefano,
Maso, Taddeo, jedesmal anzeigt, daß sie bey Giotto gelernt
haben. Die Eigenthümlichkeit der sienesischen Schule, welche
während des vierzehnten Jahrhundertes noch immer sehr Vie-
les aus der griechischen Malart beybehalten hat, in welcher bis
auf Taddeo di Bartolo und später die Charaktere und Darstellun-
gen der neugriechischen Malerey nie so ganz in Vergessenheit
gekommen sind, mußte dem künstlerischen Scharfblick des Ghi-
berti
auffallen, zumal da es ihm, der eine längere Zeit in
Siena gearbeitet hatte, nicht an Lust, Zeit und Gelegenheit
gefehlt, beide Schulen gegenseitig zu vergleichen. Zudem be-
hauptete Siena, wiewohl schon im Sinken, doch zu Ghiber-
ti's
Zeit noch immer eine selbstständige, Achtung gebietende
Stellung, weßhalb es diesem nicht, wie späterhin dem Vasari,
in den Sinn kam, die ganze, höchst eigenthümliche und, wie
wir gesehn haben, uralte Schule den Florentinern gleichsam
unterzustecken. Auch Petrarca betrachtete den Simon als
einen selbstständigen Meister, wie theils aus ben beiden Ge-
dichten erhellt, deren erstes meisterlich in unsere Sprache über-
tragen worden, theils auch aus einem seiner Briefe, **) wo
er ihn dem Giotto gleichstellt und beide gemeinschaftlich für

*) S. Abhdl. VIII.
**) Vasari bedient sich in seinem Leben Giotto's der eige-
nen Worte des Petrarca, ohne sie in obiger Beziehung hinrei-
chend zu wägen.

Ambruogio Lorenzetti kunſtreicher zu ſeyn, als alle uͤbrigen.“
Da er nun uͤberhaupt, wie ich bereits erinnert habe, *)
die ſieneſiſche und florentiniſche Schule als voͤllig getrennt
und jede fuͤr ſich betrachtete, ſo hielt er den Simon, deſſen
Meiſter er nicht nennt, ſicher fuͤr einen Sproͤßling der ſiene-
ſiſchen, um ſo mehr, da er von den Florentinern, Stefano,
Maſo, Taddeo, jedesmal anzeigt, daß ſie bey Giotto gelernt
haben. Die Eigenthuͤmlichkeit der ſieneſiſchen Schule, welche
waͤhrend des vierzehnten Jahrhundertes noch immer ſehr Vie-
les aus der griechiſchen Malart beybehalten hat, in welcher bis
auf Taddeo di Bartolo und ſpaͤter die Charaktere und Darſtellun-
gen der neugriechiſchen Malerey nie ſo ganz in Vergeſſenheit
gekommen ſind, mußte dem kuͤnſtleriſchen Scharfblick des Ghi-
berti
auffallen, zumal da es ihm, der eine laͤngere Zeit in
Siena gearbeitet hatte, nicht an Luſt, Zeit und Gelegenheit
gefehlt, beide Schulen gegenſeitig zu vergleichen. Zudem be-
hauptete Siena, wiewohl ſchon im Sinken, doch zu Ghiber-
ti’s
Zeit noch immer eine ſelbſtſtaͤndige, Achtung gebietende
Stellung, weßhalb es dieſem nicht, wie ſpaͤterhin dem Vaſari,
in den Sinn kam, die ganze, hoͤchſt eigenthuͤmliche und, wie
wir geſehn haben, uralte Schule den Florentinern gleichſam
unterzuſtecken. Auch Petrarca betrachtete den Simon als
einen ſelbſtſtaͤndigen Meiſter, wie theils aus ben beiden Ge-
dichten erhellt, deren erſtes meiſterlich in unſere Sprache uͤber-
tragen worden, theils auch aus einem ſeiner Briefe, **) wo
er ihn dem Giotto gleichſtellt und beide gemeinſchaftlich fuͤr

*) S. Abhdl. VIII.
**) Vaſari bedient ſich in ſeinem Leben Giotto’s der eige-
nen Worte des Petrarca, ohne ſie in obiger Beziehung hinrei-
chend zu waͤgen.
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[93/0111] Ambruogio Lorenzetti kunſtreicher zu ſeyn, als alle uͤbrigen.“ Da er nun uͤberhaupt, wie ich bereits erinnert habe, *) die ſieneſiſche und florentiniſche Schule als voͤllig getrennt und jede fuͤr ſich betrachtete, ſo hielt er den Simon, deſſen Meiſter er nicht nennt, ſicher fuͤr einen Sproͤßling der ſiene- ſiſchen, um ſo mehr, da er von den Florentinern, Stefano, Maſo, Taddeo, jedesmal anzeigt, daß ſie bey Giotto gelernt haben. Die Eigenthuͤmlichkeit der ſieneſiſchen Schule, welche waͤhrend des vierzehnten Jahrhundertes noch immer ſehr Vie- les aus der griechiſchen Malart beybehalten hat, in welcher bis auf Taddeo di Bartolo und ſpaͤter die Charaktere und Darſtellun- gen der neugriechiſchen Malerey nie ſo ganz in Vergeſſenheit gekommen ſind, mußte dem kuͤnſtleriſchen Scharfblick des Ghi- berti auffallen, zumal da es ihm, der eine laͤngere Zeit in Siena gearbeitet hatte, nicht an Luſt, Zeit und Gelegenheit gefehlt, beide Schulen gegenſeitig zu vergleichen. Zudem be- hauptete Siena, wiewohl ſchon im Sinken, doch zu Ghiber- ti’s Zeit noch immer eine ſelbſtſtaͤndige, Achtung gebietende Stellung, weßhalb es dieſem nicht, wie ſpaͤterhin dem Vaſari, in den Sinn kam, die ganze, hoͤchſt eigenthuͤmliche und, wie wir geſehn haben, uralte Schule den Florentinern gleichſam unterzuſtecken. Auch Petrarca betrachtete den Simon als einen ſelbſtſtaͤndigen Meiſter, wie theils aus ben beiden Ge- dichten erhellt, deren erſtes meiſterlich in unſere Sprache uͤber- tragen worden, theils auch aus einem ſeiner Briefe, **) wo er ihn dem Giotto gleichſtellt und beide gemeinſchaftlich fuͤr *) S. Abhdl. VIII. **) Vaſari bedient ſich in ſeinem Leben Giotto’s der eige- nen Worte des Petrarca, ohne ſie in obiger Beziehung hinrei- chend zu waͤgen.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/111>, abgerufen am 18.12.2024.