Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.Ansicht der Manieristen, willkührlichen und mehr als natür- *) Unter den verschiedenen Bezeichnungen dieser Ansicht, welche
über die neueste Literatur der Kunst und der Arch. verstreut sind, ist folgende besonders merkwürdig (Böttiger, Archäol. der Ma- lerey. S. 145): "Die Nothwendigkeit des Gesetzes mit der Liebe zum Idealen gatten." -- Vgl. Heinr. Meyer, Kunstgesch. Abth. 1. S. 36. Anſicht der Manieriſten, willkuͤhrlichen und mehr als natuͤr- *) Unter den verſchiedenen Bezeichnungen dieſer Anſicht, welche
uͤber die neueſte Literatur der Kunſt und der Arch. verſtreut ſind, iſt folgende beſonders merkwuͤrdig (Boͤttiger, Archaͤol. der Ma- lerey. S. 145): „Die Nothwendigkeit des Geſetzes mit der Liebe zum Idealen gatten.“ — Vgl. Heinr. Meyer, Kunſtgeſch. Abth. 1. S. 36. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="72"/> Anſicht der Manieriſten, willkuͤhrlichen und mehr als natuͤr-<lb/> lichen Kunſtformen durch eine gewiſſe allgemeine Naturgemaͤß-<lb/> heit, Geſetzmaͤßigkeit, oder wie einige ſagen, Naturnothwen-<lb/> digkeit bedingen <note place="foot" n="*)">Unter den verſchiedenen Bezeichnungen dieſer Anſicht, welche<lb/> uͤber die neueſte Literatur der Kunſt und der Arch. verſtreut ſind,<lb/> iſt folgende beſonders merkwuͤrdig (<hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118824775">Boͤttiger</persName></hi>, Archaͤol. der Ma-<lb/> lerey. S. 145): „<hi rendition="#g">Die Nothwendigkeit des Geſetzes mit<lb/> der Liebe zum Idealen gatten</hi>.“ — Vgl. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118733389">Heinr. Meyer</persName></hi>,<lb/> Kunſtgeſch. Abth. 1. S. 36.</note>. Sowohl aus der Wortbildung dieſer Aus-<lb/> druͤcke, als aus einzelnen Anwendungen und Beyſpielen erhel-<lb/> let zu Genuͤge, daß dieſe ſchon etwas herabgeſtimmten Anfo-<lb/> derungen unſerer theoretiſchen Idealiſten nur ſolches angehe,<lb/> was ich ſo eben als gruͤndliche und wiſſenſchaftliche Natur-<lb/> ſtudien bezeichnet und ausgeſondert habe. Gewiß ſind auch<lb/> dieſe Studien auf einer gewiſſen Hoͤhe der Kunſt ganz unum-<lb/> gaͤnglich. Indeß haben wir ſchon oben geſehen, daß ſie wohl<lb/> die Darſtellung befoͤrdern, doch fuͤr ſich allein auf keine Weiſe<lb/> alle Foderungen einer guten und faßlichen Darſtellung erfuͤllen<lb/> koͤnnen; und wenn es noch anderer Beyſpiele beduͤrfte, wuͤr-<lb/> den wir unter den neueren Schulen von einiger Gruͤndlichkeit<lb/> des Wiſſens naͤchſt der bologneſiſchen auch die neueſte franzoͤ-<lb/> ſiſche aufuͤhren koͤnnen, welche bey ausgezeichneter Kenntniß<lb/> allgemeiner Bildungsgeſetze der Natur an bezeichnenden und<lb/> darſtellenden Formen ſo arm iſt, als jedem bekannt, welcher<lb/> ihre Werke ohne vorgefaßte Meinung betrachtet hat. Dem-<lb/> nach wird uns jene kalte und uͤberlegte Auseinanderſetzung,<lb/> in welcher der Natur gleichſam durch Abfindung ihr Recht<lb/> abgedungen wird, durchaus nicht genuͤgen koͤnnen; im Gegen-<lb/> theil wuͤrden wir befuͤrchten muͤſſen, daß auf dieſem Wege<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0090]
Anſicht der Manieriſten, willkuͤhrlichen und mehr als natuͤr-
lichen Kunſtformen durch eine gewiſſe allgemeine Naturgemaͤß-
heit, Geſetzmaͤßigkeit, oder wie einige ſagen, Naturnothwen-
digkeit bedingen *). Sowohl aus der Wortbildung dieſer Aus-
druͤcke, als aus einzelnen Anwendungen und Beyſpielen erhel-
let zu Genuͤge, daß dieſe ſchon etwas herabgeſtimmten Anfo-
derungen unſerer theoretiſchen Idealiſten nur ſolches angehe,
was ich ſo eben als gruͤndliche und wiſſenſchaftliche Natur-
ſtudien bezeichnet und ausgeſondert habe. Gewiß ſind auch
dieſe Studien auf einer gewiſſen Hoͤhe der Kunſt ganz unum-
gaͤnglich. Indeß haben wir ſchon oben geſehen, daß ſie wohl
die Darſtellung befoͤrdern, doch fuͤr ſich allein auf keine Weiſe
alle Foderungen einer guten und faßlichen Darſtellung erfuͤllen
koͤnnen; und wenn es noch anderer Beyſpiele beduͤrfte, wuͤr-
den wir unter den neueren Schulen von einiger Gruͤndlichkeit
des Wiſſens naͤchſt der bologneſiſchen auch die neueſte franzoͤ-
ſiſche aufuͤhren koͤnnen, welche bey ausgezeichneter Kenntniß
allgemeiner Bildungsgeſetze der Natur an bezeichnenden und
darſtellenden Formen ſo arm iſt, als jedem bekannt, welcher
ihre Werke ohne vorgefaßte Meinung betrachtet hat. Dem-
nach wird uns jene kalte und uͤberlegte Auseinanderſetzung,
in welcher der Natur gleichſam durch Abfindung ihr Recht
abgedungen wird, durchaus nicht genuͤgen koͤnnen; im Gegen-
theil wuͤrden wir befuͤrchten muͤſſen, daß auf dieſem Wege
*) Unter den verſchiedenen Bezeichnungen dieſer Anſicht, welche
uͤber die neueſte Literatur der Kunſt und der Arch. verſtreut ſind,
iſt folgende beſonders merkwuͤrdig (Boͤttiger, Archaͤol. der Ma-
lerey. S. 145): „Die Nothwendigkeit des Geſetzes mit
der Liebe zum Idealen gatten.“ — Vgl. Heinr. Meyer,
Kunſtgeſch. Abth. 1. S. 36.
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