von Zeitraum zu Zeitraum Gegensätze bildend. Daher werden wir bey erwähnten Wandmalereyen vielleicht über die Natio- nalschule entscheiden können, aus welcher sie entstanden, doch nimmer über den Meister, der sie vollbracht. In dieser Be- ziehung bin ich geneigt, sie durchhin für griechische Arbeit zu halten. Bey Junta, Guido, Solsernus, sogar bey dem flo- rentinischen Jacob, zeigt sich neben dem Aufdruck griechischer Schule oder Vorbildlichkeit, noch immer einige Spur italieni- scher Gewohnheiten; die Kürze und Plumpheit, in welche die älteren Italiener verfallen waren, veranlaßte sie, denke ich, als sie zum entgegengesetzten Aeußersten der griechischen Hager- keit übergingen, diese um ein Geringes zu füllen und in die Breite zu erweitern. Allein in den Malereyen der Kirche S. Pietro in Grado zeigt sich eben jene zierliche Hagerkeit der Behandlung und der Verhältnisse mehr, als irgend sonst in alten toscanischen Arbeiten. Auch ist es mir in solchen nir- gend vorgekommen, daß sie, in emsiger Nachahmung hochal- terthümlicher Vorbilder, deren Charakter so wohl getroffen, als in jenen geschehen ist. -- Ob die Wandmalereyen einer al- ten Kirche zu Cremona, welche mir nur aus Millins Be- schreibung bekannt sind, in griechischer, oder in entgegengesetz- ter italienischer Schulart gemalt seyn, wage ich nicht zu ent- scheiden. Doch bezweifle ich, ob dieser Forscher mit Sicherheit aufgefaßt habe, wodurch im höheren Mittelalter italienische Ar- beiten von griechischen sich unterscheiden *). Gewiß versäumte
*)Millin, voy. dans le Mil. T. II. p. 317. -- Vom Dome zu Cremona: "Ce qui reste sur la voaute des deux nefs laterales est veritablement unique. Les sujets sont tires de l'histoire sainte. Les figures sont malheureusement petites et la lumiere est tres rare. Le dessin est sec; mais le coloris est tres vif et les costumes sont
von Zeitraum zu Zeitraum Gegenſaͤtze bildend. Daher werden wir bey erwaͤhnten Wandmalereyen vielleicht uͤber die Natio- nalſchule entſcheiden koͤnnen, aus welcher ſie entſtanden, doch nimmer uͤber den Meiſter, der ſie vollbracht. In dieſer Be- ziehung bin ich geneigt, ſie durchhin fuͤr griechiſche Arbeit zu halten. Bey Junta, Guido, Solſernus, ſogar bey dem flo- rentiniſchen Jacob, zeigt ſich neben dem Aufdruck griechiſcher Schule oder Vorbildlichkeit, noch immer einige Spur italieni- ſcher Gewohnheiten; die Kuͤrze und Plumpheit, in welche die aͤlteren Italiener verfallen waren, veranlaßte ſie, denke ich, als ſie zum entgegengeſetzten Aeußerſten der griechiſchen Hager- keit uͤbergingen, dieſe um ein Geringes zu fuͤllen und in die Breite zu erweitern. Allein in den Malereyen der Kirche S. Pietro in Grado zeigt ſich eben jene zierliche Hagerkeit der Behandlung und der Verhaͤltniſſe mehr, als irgend ſonſt in alten toscaniſchen Arbeiten. Auch iſt es mir in ſolchen nir- gend vorgekommen, daß ſie, in emſiger Nachahmung hochal- terthuͤmlicher Vorbilder, deren Charakter ſo wohl getroffen, als in jenen geſchehen iſt. — Ob die Wandmalereyen einer al- ten Kirche zu Cremona, welche mir nur aus Millins Be- ſchreibung bekannt ſind, in griechiſcher, oder in entgegengeſetz- ter italieniſcher Schulart gemalt ſeyn, wage ich nicht zu ent- ſcheiden. Doch bezweifle ich, ob dieſer Forſcher mit Sicherheit aufgefaßt habe, wodurch im hoͤheren Mittelalter italieniſche Ar- beiten von griechiſchen ſich unterſcheiden *). Gewiß verſaͤumte
*)Millin, voy. dans le Mil. T. II. p. 317. — Vom Dome zu Cremona: „Ce qui reste sur la voûte des deux nefs latérales est véritablement unique. Les sujets sont tirés de l’histoire sainte. Les figures sont malheureusement petites et la lumière est très rare. Le dessin est sec; mais le coloris est très vif et les costumes sont
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von Zeitraum zu Zeitraum Gegenſaͤtze bildend. Daher werden
wir bey erwaͤhnten Wandmalereyen vielleicht uͤber die Natio-
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nimmer uͤber den Meiſter, der ſie vollbracht. In dieſer Be-
ziehung bin ich geneigt, ſie durchhin fuͤr griechiſche Arbeit zu
halten. Bey Junta, Guido, Solſernus, ſogar bey dem flo-
rentiniſchen Jacob, zeigt ſich neben dem Aufdruck griechiſcher
Schule oder Vorbildlichkeit, noch immer einige Spur italieni-
ſcher Gewohnheiten; die Kuͤrze und Plumpheit, in welche die
aͤlteren Italiener verfallen waren, veranlaßte ſie, denke ich,
als ſie zum entgegengeſetzten Aeußerſten der griechiſchen Hager-
keit uͤbergingen, dieſe um ein Geringes zu fuͤllen und in die
Breite zu erweitern. Allein in den Malereyen der Kirche S.
Pietro in Grado zeigt ſich eben jene zierliche Hagerkeit der
Behandlung und der Verhaͤltniſſe mehr, als irgend ſonſt in
alten toscaniſchen Arbeiten. Auch iſt es mir in ſolchen nir-
gend vorgekommen, daß ſie, in emſiger Nachahmung hochal-
terthuͤmlicher Vorbilder, deren Charakter ſo wohl getroffen, als
in jenen geſchehen iſt. — Ob die Wandmalereyen einer al-
ten Kirche zu Cremona, welche mir nur aus Millins Be-
ſchreibung bekannt ſind, in griechiſcher, oder in entgegengeſetz-
ter italieniſcher Schulart gemalt ſeyn, wage ich nicht zu ent-
ſcheiden. Doch bezweifle ich, ob dieſer Forſcher mit Sicherheit
aufgefaßt habe, wodurch im hoͤheren Mittelalter italieniſche Ar-
beiten von griechiſchen ſich unterſcheiden *). Gewiß verſaͤumte
*) Millin, voy. dans le Mil. T. II. p. 317. — Vom Dome
zu Cremona: „Ce qui reste sur la voûte des deux nefs latérales
est véritablement unique. Les sujets sont tirés de l’histoire sainte.
Les figures sont malheureusement petites et la lumière est très rare.
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/364>, abgerufen am 30.07.2024.
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