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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Gestalten gehen, welche mithin sogar unter byzantinischen Ar-
beiten durch Hagerkeit sich auszeichneten.

Wenn wir nun diese roheren Fabrikate ausnehmen, und
zugleich von allen bildnerischen Versuchen der Byzantiner im
Allgemeinen voraussetzen, daß sie den malerischen durchhin um
einige Stufen nachgestanden; so werden wir uns unbedenklich
der Bewunderung ihrer älteren Malereyen hingeben können.
Größere musivische Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann
ich allerdings nicht anführen, noch weniger genau bezeichnen;
kleinere indeß die Fülle, deren Erhaltung wir höchst wahr-
scheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in gesittete
Länder zu verdanken haben.

Unbedenklich gebe ich unter diesen, da jene Rolle der
Vaticana, mit geistreichen Zeichnungen aus der Geschichte des
Josua, schon oben berührt worden, dem musivischen Kalenda-
rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr-
hunderts von einer venetianischen Dame, der Wittwe eines
byzantinischen Kämmerlings, dem Schatze der Johanniskirche
zu Florenz gegen eine ansehnliche Leibrente überlassen wor-
den *). Es besteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichstem
Musiv, welches in ästhetischer, wie in kunsthistorischer Bezie-
hung für uns von höchster Wichtigkeit ist. In ästhetischer,
weil es in solchen Theilen, wo hochalterthümliche Vorbilder
dem Künstler zu Hülfe kommen, Vortheile der Anordnung
und der Charakteristik zeigt, welche in der neueren Malerey

erst
*) S. Gori, mon. Basil. Bapt. Flor. p. 23. IV. 4. Die Dame
hieß Nicoletta de Grionibus. Ihr Gemahl war früher des Joh.
Kantacuzenus
Kämmerling gewesen. Das Kunstwerk soll er aus
der kais. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins
Blaue hinein behauptet.

Geſtalten gehen, welche mithin ſogar unter byzantiniſchen Ar-
beiten durch Hagerkeit ſich auszeichneten.

Wenn wir nun dieſe roheren Fabrikate ausnehmen, und
zugleich von allen bildneriſchen Verſuchen der Byzantiner im
Allgemeinen vorausſetzen, daß ſie den maleriſchen durchhin um
einige Stufen nachgeſtanden; ſo werden wir uns unbedenklich
der Bewunderung ihrer aͤlteren Malereyen hingeben koͤnnen.
Groͤßere muſiviſche Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann
ich allerdings nicht anfuͤhren, noch weniger genau bezeichnen;
kleinere indeß die Fuͤlle, deren Erhaltung wir hoͤchſt wahr-
ſcheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in geſittete
Laͤnder zu verdanken haben.

Unbedenklich gebe ich unter dieſen, da jene Rolle der
Vaticana, mit geiſtreichen Zeichnungen aus der Geſchichte des
Joſua, ſchon oben beruͤhrt worden, dem muſiviſchen Kalenda-
rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr-
hunderts von einer venetianiſchen Dame, der Wittwe eines
byzantiniſchen Kaͤmmerlings, dem Schatze der Johanniskirche
zu Florenz gegen eine anſehnliche Leibrente uͤberlaſſen wor-
den *). Es beſteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichſtem
Muſiv, welches in aͤſthetiſcher, wie in kunſthiſtoriſcher Bezie-
hung fuͤr uns von hoͤchſter Wichtigkeit iſt. In aͤſthetiſcher,
weil es in ſolchen Theilen, wo hochalterthuͤmliche Vorbilder
dem Kuͤnſtler zu Huͤlfe kommen, Vortheile der Anordnung
und der Charakteriſtik zeigt, welche in der neueren Malerey

erſt
*) S. Gori, mon. Basil. Bapt. Flor. p. 23. IV. 4. Die Dame
hieß Nicoletta de Grionibus. Ihr Gemahl war fruͤher des Joh.
Kantacuzenus
Kaͤmmerling geweſen. Das Kunſtwerk ſoll er aus
der kaiſ. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins
Blaue hinein behauptet.
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[304/0322] Geſtalten gehen, welche mithin ſogar unter byzantiniſchen Ar- beiten durch Hagerkeit ſich auszeichneten. Wenn wir nun dieſe roheren Fabrikate ausnehmen, und zugleich von allen bildneriſchen Verſuchen der Byzantiner im Allgemeinen vorausſetzen, daß ſie den maleriſchen durchhin um einige Stufen nachgeſtanden; ſo werden wir uns unbedenklich der Bewunderung ihrer aͤlteren Malereyen hingeben koͤnnen. Groͤßere muſiviſche Werke, Wandmalereyen und Tafeln kann ich allerdings nicht anfuͤhren, noch weniger genau bezeichnen; kleinere indeß die Fuͤlle, deren Erhaltung wir hoͤchſt wahr- ſcheinlich nur ihrer Tragbarkeit und Verpflanzung in geſittete Laͤnder zu verdanken haben. Unbedenklich gebe ich unter dieſen, da jene Rolle der Vaticana, mit geiſtreichen Zeichnungen aus der Geſchichte des Joſua, ſchon oben beruͤhrt worden, dem muſiviſchen Kalenda- rio den Vorrang, welches gegen Ende des vierzehnten Jahr- hunderts von einer venetianiſchen Dame, der Wittwe eines byzantiniſchen Kaͤmmerlings, dem Schatze der Johanniskirche zu Florenz gegen eine anſehnliche Leibrente uͤberlaſſen wor- den *). Es beſteht aus zwey kleinen Tafeln von zierlichſtem Muſiv, welches in aͤſthetiſcher, wie in kunſthiſtoriſcher Bezie- hung fuͤr uns von hoͤchſter Wichtigkeit iſt. In aͤſthetiſcher, weil es in ſolchen Theilen, wo hochalterthuͤmliche Vorbilder dem Kuͤnſtler zu Huͤlfe kommen, Vortheile der Anordnung und der Charakteriſtik zeigt, welche in der neueren Malerey erſt *) S. Gori, mon. Basil. Bapt. Flor. p. 23. IV. 4. Die Dame hieß Nicoletta de Grionibus. Ihr Gemahl war fruͤher des Joh. Kantacuzenus Kaͤmmerling geweſen. Das Kunſtwerk ſoll er aus der kaiſ. Kapelle empfangen haben, wie man vielleicht nur ins Blaue hinein behauptet.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/322>, abgerufen am 15.05.2024.