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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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dieser kleinen Altarverzierung, weil das Angeführte hinreichen
mag, die Kunststufe zu bezeichnen, welche das Ganze einnimmt,
und es wird schon aus diesem Beyspiele deutlich seyn, daß
die griechische Bildnerey des Mittelalters, wie sie auch an sich
selbst beschränkt und bedingt seyn mochte, doch immer noch
sehr weit von der Rohigkeit der italienischen entfernt war, auf
welche wir oben einige unwillige Blicke gerichtet haben. Min-
der vortheilhaft erscheinen allerdings die Schmelzarbeiten der
Griechen, deren wir größere und kleinere die Fülle besitzen.
Diese entsprechen jenem Schnitzwerke in einer einzigen Bezie-
hung, in der übermäßigen Verlängerung der Gestalten, welche,
mit Ausnahme einiger Malereyen in Büchern, oder des klei-
nen Musives im Schatze der Johanniskirche zu Florenz, auf
welches wir zurückkommen werden, ein allgemeines Kennzeichen
griechisch-mittelalterlicher Kunst ist, ein sicheres Merkmal zu-
gleich der Unterscheidung von eigenthümlich Italienischem, wel-
ches, wie gezeigt worden, weit über das Mögliche hinaus sich
zum Kurzen zu neigen pflegt.

Die ehernen Thore S. Pauls vor Rom, die ähnlichen
der Hauptkirche zu Amalfi, welche beide gegen Ende des eilf-
ten Jahrhunderts zu Constantinopel angefertigt worden *),
übertreffen an Ausdehnung alle andere Beyspiele jener merk-
würdigen Verbindung der Niello und Schmelzarbeit, welche
damals in Griechenland verfertigt, und als Gegenstand der
Pracht waarenartig in das westliche Europa eingeführt wurde.
Kleinere Arbeiten dieser Art, welche überall das Gepräge des

*) Nach den Inschriften, welche in verschiedenen gelehrten
Werken abgedruckt und erläutert worden sind, warden wenigstens
jene der Paulskirche im Jahre 1070 angefertigt.

dieſer kleinen Altarverzierung, weil das Angefuͤhrte hinreichen
mag, die Kunſtſtufe zu bezeichnen, welche das Ganze einnimmt,
und es wird ſchon aus dieſem Beyſpiele deutlich ſeyn, daß
die griechiſche Bildnerey des Mittelalters, wie ſie auch an ſich
ſelbſt beſchraͤnkt und bedingt ſeyn mochte, doch immer noch
ſehr weit von der Rohigkeit der italieniſchen entfernt war, auf
welche wir oben einige unwillige Blicke gerichtet haben. Min-
der vortheilhaft erſcheinen allerdings die Schmelzarbeiten der
Griechen, deren wir groͤßere und kleinere die Fuͤlle beſitzen.
Dieſe entſprechen jenem Schnitzwerke in einer einzigen Bezie-
hung, in der uͤbermaͤßigen Verlaͤngerung der Geſtalten, welche,
mit Ausnahme einiger Malereyen in Buͤchern, oder des klei-
nen Muſives im Schatze der Johanniskirche zu Florenz, auf
welches wir zuruͤckkommen werden, ein allgemeines Kennzeichen
griechiſch-mittelalterlicher Kunſt iſt, ein ſicheres Merkmal zu-
gleich der Unterſcheidung von eigenthuͤmlich Italieniſchem, wel-
ches, wie gezeigt worden, weit uͤber das Moͤgliche hinaus ſich
zum Kurzen zu neigen pflegt.

Die ehernen Thore S. Pauls vor Rom, die aͤhnlichen
der Hauptkirche zu Amalfi, welche beide gegen Ende des eilf-
ten Jahrhunderts zu Conſtantinopel angefertigt worden *),
uͤbertreffen an Ausdehnung alle andere Beyſpiele jener merk-
wuͤrdigen Verbindung der Niello und Schmelzarbeit, welche
damals in Griechenland verfertigt, und als Gegenſtand der
Pracht waarenartig in das weſtliche Europa eingefuͤhrt wurde.
Kleinere Arbeiten dieſer Art, welche uͤberall das Gepraͤge des

*) Nach den Inſchriften, welche in verſchiedenen gelehrten
Werken abgedruckt und erlaͤutert worden ſind, warden wenigſtens
jene der Paulskirche im Jahre 1070 angefertigt.
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[302/0320] dieſer kleinen Altarverzierung, weil das Angefuͤhrte hinreichen mag, die Kunſtſtufe zu bezeichnen, welche das Ganze einnimmt, und es wird ſchon aus dieſem Beyſpiele deutlich ſeyn, daß die griechiſche Bildnerey des Mittelalters, wie ſie auch an ſich ſelbſt beſchraͤnkt und bedingt ſeyn mochte, doch immer noch ſehr weit von der Rohigkeit der italieniſchen entfernt war, auf welche wir oben einige unwillige Blicke gerichtet haben. Min- der vortheilhaft erſcheinen allerdings die Schmelzarbeiten der Griechen, deren wir groͤßere und kleinere die Fuͤlle beſitzen. Dieſe entſprechen jenem Schnitzwerke in einer einzigen Bezie- hung, in der uͤbermaͤßigen Verlaͤngerung der Geſtalten, welche, mit Ausnahme einiger Malereyen in Buͤchern, oder des klei- nen Muſives im Schatze der Johanniskirche zu Florenz, auf welches wir zuruͤckkommen werden, ein allgemeines Kennzeichen griechiſch-mittelalterlicher Kunſt iſt, ein ſicheres Merkmal zu- gleich der Unterſcheidung von eigenthuͤmlich Italieniſchem, wel- ches, wie gezeigt worden, weit uͤber das Moͤgliche hinaus ſich zum Kurzen zu neigen pflegt. Die ehernen Thore S. Pauls vor Rom, die aͤhnlichen der Hauptkirche zu Amalfi, welche beide gegen Ende des eilf- ten Jahrhunderts zu Conſtantinopel angefertigt worden *), uͤbertreffen an Ausdehnung alle andere Beyſpiele jener merk- wuͤrdigen Verbindung der Niello und Schmelzarbeit, welche damals in Griechenland verfertigt, und als Gegenſtand der Pracht waarenartig in das weſtliche Europa eingefuͤhrt wurde. Kleinere Arbeiten dieſer Art, welche uͤberall das Gepraͤge des *) Nach den Inſchriften, welche in verſchiedenen gelehrten Werken abgedruckt und erlaͤutert worden ſind, warden wenigſtens jene der Paulskirche im Jahre 1070 angefertigt.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/320>, abgerufen am 25.11.2024.