Diese und andere Bildnernamen, welche wir noch aufzu- zählen haben, benutzt Morrona, dem die Verdächtigkeit obi- ger Inschriften durchaus entgangen, um seine pisanische Bild- nerschule bis in das zwölfte Jahrhundert zurückzuführen. Wir werden uns, bey so großer Entlegenheit des Ortes, von dem Localpatriotismus dieses und anderer Geschichtsforscher italie- nischer Städte nicht anstecken lassen, und lieber annehmen, daß wir den Geburtsort und die Schule jener alten Bildner, deren Namen uns der Zufall an gesunkenen und vergessenen Stätten bewahrt hat, durchaus nicht kennen. Gewiß meldet sich in der Verwaltung der italienischen Städte erst im drey- zehnten Jahrhundert einiges noch unausgebildete Streben nach geordneter, regelmäßiger Buchführung; und, wenn uns eben daher aus früheren Zeiten die so wichtigen Zahlungspartiten durchhin fehlen, so dürfen wir nicht etwa darauf rechnen, un- ter den losen Urkunden, den ältesten der Archive, einigen Er- satz zu finden, da es erst später, bey steigender Achtung der Kunst, üblich geworden, mit den Künstlern schriftliche Verträge abzuschließen. Das Vaterland und die Lebensumstände der ältesten Künstler werden wir also, wo überhaupt, doch nur aus Inschriften, oder durch zufällige Erwähnung ihrer Namen in Besitzesverträgen erlernen können.
Bey S. Salvatore, zu Lucca, einer kürzlich wieder ein- geweiheten und erneuerten Kirche, haben sich die alten Thür- bekleidungen unversehrt erhalten. Die Nebenthüre zur Rechten der Vorseite zeigt auf ihrem Architrave ein Relief von größter Unförmlichkeit, deren Gegenstand mir nicht deutlich geworden. Wahrscheinlich ist diese Arbeit ein Denkmal der schlimmsten Zeit, des zehnten, spätestens des eilften Jahrhunderts. Um etwas schlanker und besser gearbeitet, doch deßhalb keinesweges
Dieſe und andere Bildnernamen, welche wir noch aufzu- zaͤhlen haben, benutzt Morrona, dem die Verdaͤchtigkeit obi- ger Inſchriften durchaus entgangen, um ſeine piſaniſche Bild- nerſchule bis in das zwoͤlfte Jahrhundert zuruͤckzufuͤhren. Wir werden uns, bey ſo großer Entlegenheit des Ortes, von dem Localpatriotismus dieſes und anderer Geſchichtsforſcher italie- niſcher Staͤdte nicht anſtecken laſſen, und lieber annehmen, daß wir den Geburtsort und die Schule jener alten Bildner, deren Namen uns der Zufall an geſunkenen und vergeſſenen Staͤtten bewahrt hat, durchaus nicht kennen. Gewiß meldet ſich in der Verwaltung der italieniſchen Staͤdte erſt im drey- zehnten Jahrhundert einiges noch unausgebildete Streben nach geordneter, regelmaͤßiger Buchfuͤhrung; und, wenn uns eben daher aus fruͤheren Zeiten die ſo wichtigen Zahlungspartiten durchhin fehlen, ſo duͤrfen wir nicht etwa darauf rechnen, un- ter den loſen Urkunden, den aͤlteſten der Archive, einigen Er- ſatz zu finden, da es erſt ſpaͤter, bey ſteigender Achtung der Kunſt, uͤblich geworden, mit den Kuͤnſtlern ſchriftliche Vertraͤge abzuſchließen. Das Vaterland und die Lebensumſtaͤnde der aͤlteſten Kuͤnſtler werden wir alſo, wo uͤberhaupt, doch nur aus Inſchriften, oder durch zufaͤllige Erwaͤhnung ihrer Namen in Beſitzesvertraͤgen erlernen koͤnnen.
Bey S. Salvatore, zu Lucca, einer kuͤrzlich wieder ein- geweiheten und erneuerten Kirche, haben ſich die alten Thuͤr- bekleidungen unverſehrt erhalten. Die Nebenthuͤre zur Rechten der Vorſeite zeigt auf ihrem Architrave ein Relief von groͤßter Unfoͤrmlichkeit, deren Gegenſtand mir nicht deutlich geworden. Wahrſcheinlich iſt dieſe Arbeit ein Denkmal der ſchlimmſten Zeit, des zehnten, ſpaͤteſtens des eilften Jahrhunderts. Um etwas ſchlanker und beſſer gearbeitet, doch deßhalb keinesweges
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Dieſe und andere Bildnernamen, welche wir noch aufzu-
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nerſchule bis in das zwoͤlfte Jahrhundert zuruͤckzufuͤhren. Wir
werden uns, bey ſo großer Entlegenheit des Ortes, von dem
Localpatriotismus dieſes und anderer Geſchichtsforſcher italie-
niſcher Staͤdte nicht anſtecken laſſen, und lieber annehmen,
daß wir den Geburtsort und die Schule jener alten Bildner,
deren Namen uns der Zufall an geſunkenen und vergeſſenen
Staͤtten bewahrt hat, durchaus nicht kennen. Gewiß meldet
ſich in der Verwaltung der italieniſchen Staͤdte erſt im drey-
zehnten Jahrhundert einiges noch unausgebildete Streben nach
geordneter, regelmaͤßiger Buchfuͤhrung; und, wenn uns eben
daher aus fruͤheren Zeiten die ſo wichtigen Zahlungspartiten
durchhin fehlen, ſo duͤrfen wir nicht etwa darauf rechnen, un-
ter den loſen Urkunden, den aͤlteſten der Archive, einigen Er-
ſatz zu finden, da es erſt ſpaͤter, bey ſteigender Achtung der
Kunſt, uͤblich geworden, mit den Kuͤnſtlern ſchriftliche Vertraͤge
abzuſchließen. Das Vaterland und die Lebensumſtaͤnde der
aͤlteſten Kuͤnſtler werden wir alſo, wo uͤberhaupt, doch nur
aus Inſchriften, oder durch zufaͤllige Erwaͤhnung ihrer Namen
in Beſitzesvertraͤgen erlernen koͤnnen.
Bey S. Salvatore, zu Lucca, einer kuͤrzlich wieder ein-
geweiheten und erneuerten Kirche, haben ſich die alten Thuͤr-
bekleidungen unverſehrt erhalten. Die Nebenthuͤre zur Rechten
der Vorſeite zeigt auf ihrem Architrave ein Relief von groͤßter
Unfoͤrmlichkeit, deren Gegenſtand mir nicht deutlich geworden.
Wahrſcheinlich iſt dieſe Arbeit ein Denkmal der ſchlimmſten
Zeit, des zehnten, ſpaͤteſtens des eilften Jahrhunderts. Um
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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