Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Baukunst. Allem, was Karl in dieser Kunst unternahm, la-
gen römische und ravennatische Vorbilder zum Grunde. Bloße
Nachahmung erzeugt aber keine Künstler; die Schule muß
hinzukommen. Daher vermuthe ich, daß der mächtigste Herr-
scher jener Zeit in eben dem Lande, welches ihm theils unbe-
dingt gehorchte, theils doch sein höchstes Ansehen anerkannte,
späte Sprößlinge der alten römischen Bauschule an sich gezo-
gen, um unter ihrer Leitung und durch ihre Kunst in seinen
rheinischen Sitzen sich mit römischen Erinnerungen zu umgeben.

Gewiß fehlte es auch den Franken dieser Zeit weder an
Vorbildern und Beyspielen römisch-christlicher Kunstart, noch
an einiger Schule und Anleitung sie fortzuüben. Noch immer
bestehen, vornehmlich in den südlichen und westlichen Provin-
zen des französischen Reiches, sehr ausgezeichnete Denkmale
der römischen Baukunst *); im achten Jahrhundert mußten sie
sich in größerer Menge finden, und besser im Stande seyn.
Gregor von Tours beschreibt ein römisches Castrum, angeb-
lich die Stiftung Aurelians, als völlig erhalten; dessen regel-
mäßige und dauerhafte Befestigung ward noch zu seiner Zeit
genutzt **). Unter den Burgundionen und Gothen ***), so-
gar noch unter den fränkischen Königen des ersten Stammes +),
wurden Kirchen nach römischer Anlage gebaut, durch schönes
Gestein und Musivmalerey gleich den italienischen geschmückt.

*) S. Clerisseau, antt. de la France, Paris 1778. fo.
**) Gregor. Tur. lib. III. c. 19. (ap. Du Chesne scriptt. T. 1.)
***) Ds. s. Abh. VIII.
+) Ds. lib. V. c. 46. Vom Agroecula, Bischof zu Chalons:
"Multa in civitate illa aedificia fecit, domos composuit, Ecclesiam
fabricavit, quam columnis fulcivit, variavit marmore, musivo de-
pinxit."

Baukunſt. Allem, was Karl in dieſer Kunſt unternahm, la-
gen roͤmiſche und ravennatiſche Vorbilder zum Grunde. Bloße
Nachahmung erzeugt aber keine Kuͤnſtler; die Schule muß
hinzukommen. Daher vermuthe ich, daß der maͤchtigſte Herr-
ſcher jener Zeit in eben dem Lande, welches ihm theils unbe-
dingt gehorchte, theils doch ſein hoͤchſtes Anſehen anerkannte,
ſpaͤte Sproͤßlinge der alten roͤmiſchen Bauſchule an ſich gezo-
gen, um unter ihrer Leitung und durch ihre Kunſt in ſeinen
rheiniſchen Sitzen ſich mit roͤmiſchen Erinnerungen zu umgeben.

Gewiß fehlte es auch den Franken dieſer Zeit weder an
Vorbildern und Beyſpielen roͤmiſch-chriſtlicher Kunſtart, noch
an einiger Schule und Anleitung ſie fortzuuͤben. Noch immer
beſtehen, vornehmlich in den ſuͤdlichen und weſtlichen Provin-
zen des franzoͤſiſchen Reiches, ſehr ausgezeichnete Denkmale
der roͤmiſchen Baukunſt *); im achten Jahrhundert mußten ſie
ſich in groͤßerer Menge finden, und beſſer im Stande ſeyn.
Gregor von Tours beſchreibt ein roͤmiſches Caſtrum, angeb-
lich die Stiftung Aurelians, als voͤllig erhalten; deſſen regel-
maͤßige und dauerhafte Befeſtigung ward noch zu ſeiner Zeit
genutzt **). Unter den Burgundionen und Gothen ***), ſo-
gar noch unter den fraͤnkiſchen Koͤnigen des erſten Stammes †),
wurden Kirchen nach roͤmiſcher Anlage gebaut, durch ſchoͤnes
Geſtein und Muſivmalerey gleich den italieniſchen geſchmuͤckt.

*) S. Clérisseau, antt. de la France, Paris 1778. fo.
**) Gregor. Tur. lib. III. c. 19. (ap. Du Chesne scriptt. T. 1.)
***) Dſ. ſ. Abh. VIII.
†) Dſ. lib. V. c. 46. Vom Agroecula, Biſchof zu Chalons:
„Multa in civitate illa aedificia fecit, domos composuit, Ecclesiam
fabricavit, quam columnis fulcivit, variavit marmore, musivo de-
pinxit.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="206"/>
Baukun&#x017F;t. Allem, was <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118560034">Karl</persName> in die&#x017F;er Kun&#x017F;t unternahm, la-<lb/>
gen ro&#x0364;mi&#x017F;che und ravennati&#x017F;che Vorbilder zum Grunde. Bloße<lb/>
Nachahmung erzeugt aber keine Ku&#x0364;n&#x017F;tler; die Schule muß<lb/>
hinzukommen. Daher vermuthe ich, daß der ma&#x0364;chtig&#x017F;te Herr-<lb/>
&#x017F;cher jener Zeit in eben dem Lande, welches ihm theils unbe-<lb/>
dingt gehorchte, theils doch &#x017F;ein ho&#x0364;ch&#x017F;tes An&#x017F;ehen anerkannte,<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;te Spro&#x0364;ßlinge der alten ro&#x0364;mi&#x017F;chen Bau&#x017F;chule an &#x017F;ich gezo-<lb/>
gen, um unter ihrer Leitung und durch ihre Kun&#x017F;t in &#x017F;einen<lb/>
rheini&#x017F;chen Sitzen &#x017F;ich mit ro&#x0364;mi&#x017F;chen Erinnerungen zu umgeben.</p><lb/>
          <p>Gewiß fehlte es auch den Franken die&#x017F;er Zeit weder an<lb/>
Vorbildern und Bey&#x017F;pielen ro&#x0364;mi&#x017F;ch-chri&#x017F;tlicher Kun&#x017F;tart, noch<lb/>
an einiger Schule und Anleitung &#x017F;ie fortzuu&#x0364;ben. Noch immer<lb/>
be&#x017F;tehen, vornehmlich in den &#x017F;u&#x0364;dlichen und we&#x017F;tlichen Provin-<lb/>
zen des franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Reiches, &#x017F;ehr ausgezeichnete Denkmale<lb/>
der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Baukun&#x017F;t <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118874233">Clérisseau</persName></hi>, antt. de la <placeName>France</placeName>, <placeName>Paris</placeName> 1778. fo.</hi></note>; im achten Jahrhundert mußten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich in gro&#x0364;ßerer Menge finden, und be&#x017F;&#x017F;er im Stande &#x017F;eyn.<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118697439">Gregor <hi rendition="#g">von Tours</hi></persName> be&#x017F;chreibt ein ro&#x0364;mi&#x017F;ches Ca&#x017F;trum, angeb-<lb/>
lich die Stiftung <placeName>Aurelians</placeName>, als vo&#x0364;llig erhalten; de&#x017F;&#x017F;en regel-<lb/>
ma&#x0364;ßige und dauerhafte Befe&#x017F;tigung ward noch zu &#x017F;einer Zeit<lb/>
genutzt <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118697439"><hi rendition="#g">Gregor</hi>. Tur.</persName> lib. III. c. 19. (ap. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117657336">Du Chesne</persName></hi> scriptt. T. 1.)</hi></note>. Unter den Burgundionen und Gothen <note place="foot" n="***)">D&#x017F;. &#x017F;. Abh. <hi rendition="#aq">VIII.</hi></note>, &#x017F;o-<lb/>
gar noch unter den fra&#x0364;nki&#x017F;chen Ko&#x0364;nigen des er&#x017F;ten Stammes <note place="foot" n="&#x2020;)">D&#x017F;. <hi rendition="#aq">lib. V. c.</hi> 46. Vom <hi rendition="#g"><placeName>Agroecula</placeName></hi>, Bi&#x017F;chof zu <placeName>Chalons</placeName>:<lb/><hi rendition="#aq">&#x201E;Multa in civitate illa aedificia fecit, domos composuit, Ecclesiam<lb/>
fabricavit, quam columnis fulcivit, variavit marmore, musivo de-<lb/>
pinxit.&#x201C;</hi></note>,<lb/>
wurden Kirchen nach ro&#x0364;mi&#x017F;cher Anlage gebaut, durch &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
Ge&#x017F;tein und Mu&#x017F;ivmalerey gleich den italieni&#x017F;chen ge&#x017F;chmu&#x0364;ckt.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0224] Baukunſt. Allem, was Karl in dieſer Kunſt unternahm, la- gen roͤmiſche und ravennatiſche Vorbilder zum Grunde. Bloße Nachahmung erzeugt aber keine Kuͤnſtler; die Schule muß hinzukommen. Daher vermuthe ich, daß der maͤchtigſte Herr- ſcher jener Zeit in eben dem Lande, welches ihm theils unbe- dingt gehorchte, theils doch ſein hoͤchſtes Anſehen anerkannte, ſpaͤte Sproͤßlinge der alten roͤmiſchen Bauſchule an ſich gezo- gen, um unter ihrer Leitung und durch ihre Kunſt in ſeinen rheiniſchen Sitzen ſich mit roͤmiſchen Erinnerungen zu umgeben. Gewiß fehlte es auch den Franken dieſer Zeit weder an Vorbildern und Beyſpielen roͤmiſch-chriſtlicher Kunſtart, noch an einiger Schule und Anleitung ſie fortzuuͤben. Noch immer beſtehen, vornehmlich in den ſuͤdlichen und weſtlichen Provin- zen des franzoͤſiſchen Reiches, ſehr ausgezeichnete Denkmale der roͤmiſchen Baukunſt *); im achten Jahrhundert mußten ſie ſich in groͤßerer Menge finden, und beſſer im Stande ſeyn. Gregor von Tours beſchreibt ein roͤmiſches Caſtrum, angeb- lich die Stiftung Aurelians, als voͤllig erhalten; deſſen regel- maͤßige und dauerhafte Befeſtigung ward noch zu ſeiner Zeit genutzt **). Unter den Burgundionen und Gothen ***), ſo- gar noch unter den fraͤnkiſchen Koͤnigen des erſten Stammes †), wurden Kirchen nach roͤmiſcher Anlage gebaut, durch ſchoͤnes Geſtein und Muſivmalerey gleich den italieniſchen geſchmuͤckt. *) S. Clérisseau, antt. de la France, Paris 1778. fo. **) Gregor. Tur. lib. III. c. 19. (ap. Du Chesne scriptt. T. 1.) ***) Dſ. ſ. Abh. VIII. †) Dſ. lib. V. c. 46. Vom Agroecula, Biſchof zu Chalons: „Multa in civitate illa aedificia fecit, domos composuit, Ecclesiam fabricavit, quam columnis fulcivit, variavit marmore, musivo de- pinxit.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/224
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/224>, abgerufen am 19.05.2024.