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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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ist es nicht ohne Beyspiel, daß man neubeliebte Titel auf äl-
tere Gebäude übertragen *); aus dem Titel allein wird daher,
wenn bessere Gründe fehlen, das Alter des Gebäudes nicht
wohl zu bestimmen seyn.

Nicht unwichtig sind uns, bei solcher Dürftigkeit der
Denkmale, die Ueberreste von Wandmalereyen in der unterir-
dischen kleinen Basilica, über welche der gegenwärtige Dom
zu Asisi im zwölften Jahrhundert aufgerichtet worden. Diese
kleine Kirche wird von sechs Säulen gestützt, deren Kapitäle,
aus Travertin, antik zu seyn scheinen, oder doch alten Vor-
bildern mit vielem Fleiße nachgebildet sind. Die alten Um-
fangsmauern sind von drey Seiten vermauert; nur die Mauer
der Tribune, in welche der Säulengang ausgeht, bestand noch
in ihrer ersten Gestalt, als ich dieses Denkmal im Jahre
1819 besichtigte. Die verzierende Einfassung, ein Zickzack in
Braun und Grün, ist noch mit antiker Praxis gemalt; denn
die Lichter sind pastos aufgetragen, was späterhin sich verliert.
Die Zeichen der Evangelisten, die Figur eines Heiligen, das
Einzige, so nicht abgefallen, waren den erwähnten Bücherver-
zierungen in Wahl, Vertheilung und Zeichnung nicht unähn-
lich. Erwägen wir, daß diese Malereyen für die frühere
Epoche, das fünfte und sechste Jahrhundert, zu unvollkommen,

*) Anast. l. c. vita Sergii II. (ap. Mur. scriptt. T. c. p. 229.
col. 2). -- Nam et basilicam Beati Romani martyris, quae non
longe ab urbe foris porta salaria sita est, a fundamentis perfecit.
Quam etiam titulo SS. Silvestri et Martini Parrochiam esse decre-
vit
. -- Hierauf gründete ich oben die Vermuthung: daß zu Vene-
dig
schon vor der Ueberkunft der Reliquien des heil. Marcus an
der Stelle der gegenwärtigen Kirche dieses Heil. eine andere vor-
handen war.
I. 13

iſt es nicht ohne Beyſpiel, daß man neubeliebte Titel auf aͤl-
tere Gebaͤude uͤbertragen *); aus dem Titel allein wird daher,
wenn beſſere Gruͤnde fehlen, das Alter des Gebaͤudes nicht
wohl zu beſtimmen ſeyn.

Nicht unwichtig ſind uns, bei ſolcher Duͤrftigkeit der
Denkmale, die Ueberreſte von Wandmalereyen in der unterir-
diſchen kleinen Baſilica, uͤber welche der gegenwaͤrtige Dom
zu Aſiſi im zwoͤlften Jahrhundert aufgerichtet worden. Dieſe
kleine Kirche wird von ſechs Saͤulen geſtuͤtzt, deren Kapitaͤle,
aus Travertin, antik zu ſeyn ſcheinen, oder doch alten Vor-
bildern mit vielem Fleiße nachgebildet ſind. Die alten Um-
fangsmauern ſind von drey Seiten vermauert; nur die Mauer
der Tribune, in welche der Saͤulengang ausgeht, beſtand noch
in ihrer erſten Geſtalt, als ich dieſes Denkmal im Jahre
1819 beſichtigte. Die verzierende Einfaſſung, ein Zickzack in
Braun und Gruͤn, iſt noch mit antiker Praxis gemalt; denn
die Lichter ſind paſtos aufgetragen, was ſpaͤterhin ſich verliert.
Die Zeichen der Evangeliſten, die Figur eines Heiligen, das
Einzige, ſo nicht abgefallen, waren den erwaͤhnten Buͤcherver-
zierungen in Wahl, Vertheilung und Zeichnung nicht unaͤhn-
lich. Erwaͤgen wir, daß dieſe Malereyen fuͤr die fruͤhere
Epoche, das fuͤnfte und ſechste Jahrhundert, zu unvollkommen,

*) Anast. l. c. vita Sergii II. (ap. Mur. scriptt. T. c. p. 229.
col. 2). — Nam et basilicam Beati Romani martyris, quae non
longe ab urbe foris porta salaria sita est, a fundamentis perfecit.
Quam etiam titulo SS. Silvestri et Martini Parrochiam esse decre-
vit
. — Hierauf gruͤndete ich oben die Vermuthung: daß zu Vene-
dig
ſchon vor der Ueberkunft der Reliquien des heil. Marcus an
der Stelle der gegenwaͤrtigen Kirche dieſes Heil. eine andere vor-
handen war.
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[193/0211] iſt es nicht ohne Beyſpiel, daß man neubeliebte Titel auf aͤl- tere Gebaͤude uͤbertragen *); aus dem Titel allein wird daher, wenn beſſere Gruͤnde fehlen, das Alter des Gebaͤudes nicht wohl zu beſtimmen ſeyn. Nicht unwichtig ſind uns, bei ſolcher Duͤrftigkeit der Denkmale, die Ueberreſte von Wandmalereyen in der unterir- diſchen kleinen Baſilica, uͤber welche der gegenwaͤrtige Dom zu Aſiſi im zwoͤlften Jahrhundert aufgerichtet worden. Dieſe kleine Kirche wird von ſechs Saͤulen geſtuͤtzt, deren Kapitaͤle, aus Travertin, antik zu ſeyn ſcheinen, oder doch alten Vor- bildern mit vielem Fleiße nachgebildet ſind. Die alten Um- fangsmauern ſind von drey Seiten vermauert; nur die Mauer der Tribune, in welche der Saͤulengang ausgeht, beſtand noch in ihrer erſten Geſtalt, als ich dieſes Denkmal im Jahre 1819 beſichtigte. Die verzierende Einfaſſung, ein Zickzack in Braun und Gruͤn, iſt noch mit antiker Praxis gemalt; denn die Lichter ſind paſtos aufgetragen, was ſpaͤterhin ſich verliert. Die Zeichen der Evangeliſten, die Figur eines Heiligen, das Einzige, ſo nicht abgefallen, waren den erwaͤhnten Buͤcherver- zierungen in Wahl, Vertheilung und Zeichnung nicht unaͤhn- lich. Erwaͤgen wir, daß dieſe Malereyen fuͤr die fruͤhere Epoche, das fuͤnfte und ſechste Jahrhundert, zu unvollkommen, *) Anast. l. c. vita Sergii II. (ap. Mur. scriptt. T. c. p. 229. col. 2). — Nam et basilicam Beati Romani martyris, quae non longe ab urbe foris porta salaria sita est, a fundamentis perfecit. Quam etiam titulo SS. Silvestri et Martini Parrochiam esse decre- vit. — Hierauf gruͤndete ich oben die Vermuthung: daß zu Vene- dig ſchon vor der Ueberkunft der Reliquien des heil. Marcus an der Stelle der gegenwaͤrtigen Kirche dieſes Heil. eine andere vor- handen war. I. 13

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/211>, abgerufen am 19.05.2024.