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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827.

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Schon die Kunst der alten Griechen verdankte die Unbe-
scholtenheit ihres Styles der unausgesetzten Beachtung und
vernünftig bedingten Nachahmung ihrer eigenen Incunabeln;
so wie diese selbst eben jenes Verdienst gewiß nicht ohne die
Einwirkung fremder Schule oder fremder Vorbilder erworben
haben, da auch der vorkünstlerischen und willkührlich symboli-
schen Bildnerey der ältesten Völker, wenn auch die wesentli-
cheren Eigenschaften der Kunst, doch gewiß der Styl nicht
wohl abzusprechen ist. Nach demselben Gesetze entstand der
Styl der neueren Bildner und Maler in den frühesten Kunst-
versuchen der Christen, zunächst aus dem Style der Künstler
des classischen Alterthumes, dann aus den altchristlichen, durch
mancherley Mittelglieder wiederum der Styl der Italiener des
vierzehnten Jahrhunderts; so daß man von Hand zu Hand
bis in Raphaels gerühmteste Werke verfolgen kann, wie be-
stimmte Gewohnheiten der Anordnung und Zusammenstellung,
so schon in den herben, sogar den mehrseitigen Kunstfreund
noch schreckenden Bildern des vierten bis sechsten Jahrhun-
derts vorkommen, doch selbst dem größten Künstler der Neue-
ren noch für belehrend und bestimmend galten. In der That
möchte der Sinn, wie die Gewohnheit einer harmonischen
Anordnung der Theile, wie anderentheils die einfache, gerade,
und eben daher allein richtige Auffassung in sich beschlossener
Kunstaufgaben, auf der breiten und luftigen Höhe der Kunst
nicht wohl anders zu erlangen und festzuhalten seyn, als durch

berungen geringschätzt, welche mächtiger Geister unsägliches For-
schen und denkender Fleiß für das Gebiet der Kunst gemacht --
kennt ihren wahren Geist, ihr besseres, weiter gestecktes Ziel noch
nicht." -- Von seinen Beziehungen abgesondert, und ganz allge-
mein genommen, ist dieser Einwurf gewiß unwiderleglich.

Schon die Kunſt der alten Griechen verdankte die Unbe-
ſcholtenheit ihres Styles der unausgeſetzten Beachtung und
vernuͤnftig bedingten Nachahmung ihrer eigenen Incunabeln;
ſo wie dieſe ſelbſt eben jenes Verdienſt gewiß nicht ohne die
Einwirkung fremder Schule oder fremder Vorbilder erworben
haben, da auch der vorkuͤnſtleriſchen und willkuͤhrlich ſymboli-
ſchen Bildnerey der aͤlteſten Voͤlker, wenn auch die weſentli-
cheren Eigenſchaften der Kunſt, doch gewiß der Styl nicht
wohl abzuſprechen iſt. Nach demſelben Geſetze entſtand der
Styl der neueren Bildner und Maler in den fruͤheſten Kunſt-
verſuchen der Chriſten, zunaͤchſt aus dem Style der Kuͤnſtler
des claſſiſchen Alterthumes, dann aus den altchriſtlichen, durch
mancherley Mittelglieder wiederum der Styl der Italiener des
vierzehnten Jahrhunderts; ſo daß man von Hand zu Hand
bis in Raphaels geruͤhmteſte Werke verfolgen kann, wie be-
ſtimmte Gewohnheiten der Anordnung und Zuſammenſtellung,
ſo ſchon in den herben, ſogar den mehrſeitigen Kunſtfreund
noch ſchreckenden Bildern des vierten bis ſechsten Jahrhun-
derts vorkommen, doch ſelbſt dem groͤßten Kuͤnſtler der Neue-
ren noch fuͤr belehrend und beſtimmend galten. In der That
moͤchte der Sinn, wie die Gewohnheit einer harmoniſchen
Anordnung der Theile, wie anderentheils die einfache, gerade,
und eben daher allein richtige Auffaſſung in ſich beſchloſſener
Kunſtaufgaben, auf der breiten und luftigen Hoͤhe der Kunſt
nicht wohl anders zu erlangen und feſtzuhalten ſeyn, als durch

berungen geringſchaͤtzt, welche maͤchtiger Geiſter unſaͤgliches For-
ſchen und denkender Fleiß fuͤr das Gebiet der Kunſt gemacht —
kennt ihren wahren Geiſt, ihr beſſeres, weiter geſtecktes Ziel noch
nicht.“ — Von ſeinen Beziehungen abgeſondert, und ganz allge-
mein genommen, iſt dieſer Einwurf gewiß unwiderleglich.
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[162/0180] Schon die Kunſt der alten Griechen verdankte die Unbe- ſcholtenheit ihres Styles der unausgeſetzten Beachtung und vernuͤnftig bedingten Nachahmung ihrer eigenen Incunabeln; ſo wie dieſe ſelbſt eben jenes Verdienſt gewiß nicht ohne die Einwirkung fremder Schule oder fremder Vorbilder erworben haben, da auch der vorkuͤnſtleriſchen und willkuͤhrlich ſymboli- ſchen Bildnerey der aͤlteſten Voͤlker, wenn auch die weſentli- cheren Eigenſchaften der Kunſt, doch gewiß der Styl nicht wohl abzuſprechen iſt. Nach demſelben Geſetze entſtand der Styl der neueren Bildner und Maler in den fruͤheſten Kunſt- verſuchen der Chriſten, zunaͤchſt aus dem Style der Kuͤnſtler des claſſiſchen Alterthumes, dann aus den altchriſtlichen, durch mancherley Mittelglieder wiederum der Styl der Italiener des vierzehnten Jahrhunderts; ſo daß man von Hand zu Hand bis in Raphaels geruͤhmteſte Werke verfolgen kann, wie be- ſtimmte Gewohnheiten der Anordnung und Zuſammenſtellung, ſo ſchon in den herben, ſogar den mehrſeitigen Kunſtfreund noch ſchreckenden Bildern des vierten bis ſechsten Jahrhun- derts vorkommen, doch ſelbſt dem groͤßten Kuͤnſtler der Neue- ren noch fuͤr belehrend und beſtimmend galten. In der That moͤchte der Sinn, wie die Gewohnheit einer harmoniſchen Anordnung der Theile, wie anderentheils die einfache, gerade, und eben daher allein richtige Auffaſſung in ſich beſchloſſener Kunſtaufgaben, auf der breiten und luftigen Hoͤhe der Kunſt nicht wohl anders zu erlangen und feſtzuhalten ſeyn, als durch *) *) berungen geringſchaͤtzt, welche maͤchtiger Geiſter unſaͤgliches For- ſchen und denkender Fleiß fuͤr das Gebiet der Kunſt gemacht — kennt ihren wahren Geiſt, ihr beſſeres, weiter geſtecktes Ziel noch nicht.“ — Von ſeinen Beziehungen abgeſondert, und ganz allge- mein genommen, iſt dieſer Einwurf gewiß unwiderleglich.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/180>, abgerufen am 24.11.2024.