Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 6. Leipzig, 1839.99. Welch Unglück, weder recht zu wachen noch zu träumen, Auf Erden nicht zu Haus noch auch in Himmelsräumen. Im Schlaf zu wachen und zu wandeln, kann dir taugen Sowenig als ein Schlaf mit halbwach offnen Augen. Abwechselnd müssen Schlaf und Wachen sich erfrischen, Nicht lassen sich die zwei wie Wein und Wasser mischen. Nicht gatten können sich die zwei wie Licht und Schatten, Ohn' unerquicklich eins am andern zu ermatten. Die Dämmerung ist schön, doch nur als Uebergang, Ob aus ihr Sternennacht, ob Sonnentag entsprang. So zwischen Wachen auch und zwischen Schlafen liegt Ein schöner Augenblick, schön weil er schnell entfliegt; Wo Seele Bürgerin sich fühlet zweier Welten, Und in dem Augenblick vergleicht, was beide gelten. 99. Welch Ungluͤck, weder recht zu wachen noch zu traͤumen, Auf Erden nicht zu Haus noch auch in Himmelsraͤumen. Im Schlaf zu wachen und zu wandeln, kann dir taugen Sowenig als ein Schlaf mit halbwach offnen Augen. Abwechſelnd muͤſſen Schlaf und Wachen ſich erfriſchen, Nicht laſſen ſich die zwei wie Wein und Waſſer miſchen. Nicht gatten koͤnnen ſich die zwei wie Licht und Schatten, Ohn' unerquicklich eins am andern zu ermatten. Die Daͤmmerung iſt ſchoͤn, doch nur als Uebergang, Ob aus ihr Sternennacht, ob Sonnentag entſprang. So zwiſchen Wachen auch und zwiſchen Schlafen liegt Ein ſchoͤner Augenblick, ſchoͤn weil er ſchnell entfliegt; Wo Seele Buͤrgerin ſich fuͤhlet zweier Welten, Und in dem Augenblick vergleicht, was beide gelten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0185" n="175"/> <div n="2"> <head>99.</head><lb/> <lg type="poem"> <l/> <lg n="1"> <l>Welch Ungluͤck, weder recht zu wachen noch zu traͤumen,</l><lb/> <l>Auf Erden nicht zu Haus noch auch in Himmelsraͤumen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Im Schlaf zu wachen und zu wandeln, kann dir taugen</l><lb/> <l>Sowenig als ein Schlaf mit halbwach offnen Augen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Abwechſelnd muͤſſen Schlaf und Wachen ſich erfriſchen,</l><lb/> <l>Nicht laſſen ſich die zwei wie Wein und Waſſer miſchen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Nicht gatten koͤnnen ſich die zwei wie Licht und Schatten,</l><lb/> <l>Ohn' unerquicklich eins am andern zu ermatten.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Daͤmmerung iſt ſchoͤn, doch nur als Uebergang,</l><lb/> <l>Ob aus ihr Sternennacht, ob Sonnentag entſprang.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>So zwiſchen Wachen auch und zwiſchen Schlafen liegt</l><lb/> <l>Ein ſchoͤner Augenblick, ſchoͤn weil er ſchnell entfliegt;</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wo Seele Buͤrgerin ſich fuͤhlet zweier Welten,</l><lb/> <l>Und in dem Augenblick vergleicht, was beide gelten.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [175/0185]
99.
Welch Ungluͤck, weder recht zu wachen noch zu traͤumen,
Auf Erden nicht zu Haus noch auch in Himmelsraͤumen.
Im Schlaf zu wachen und zu wandeln, kann dir taugen
Sowenig als ein Schlaf mit halbwach offnen Augen.
Abwechſelnd muͤſſen Schlaf und Wachen ſich erfriſchen,
Nicht laſſen ſich die zwei wie Wein und Waſſer miſchen.
Nicht gatten koͤnnen ſich die zwei wie Licht und Schatten,
Ohn' unerquicklich eins am andern zu ermatten.
Die Daͤmmerung iſt ſchoͤn, doch nur als Uebergang,
Ob aus ihr Sternennacht, ob Sonnentag entſprang.
So zwiſchen Wachen auch und zwiſchen Schlafen liegt
Ein ſchoͤner Augenblick, ſchoͤn weil er ſchnell entfliegt;
Wo Seele Buͤrgerin ſich fuͤhlet zweier Welten,
Und in dem Augenblick vergleicht, was beide gelten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |