Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.5. Entweder überstreng an andern magst du schelten Den Flecken, um dadurch nur selber rein zu gelten; Oder entschuldigen zu nachsichtvoll die Schwächen Der andern, daß sie nur dir selbst den Stab nicht brechen: Du hast in jedem Fall zum Fehler dich bekannt, Dort weil du ihn zu groß, hier weil zu klein genannt. Magst du ihn schweigend dort ableugnen, hier einräumen, In jedem Fall wirst du zu bessern ihn versäumen. 6. Aufs Unglück sei gefaßt, denn morgen kann es kommen, Gefaßt wie auf den Gast, der seyn will aufgenommen. Doch wie es kommen kann, so kanns auch außenbleiben, Und niemal sollst du selbst dein Ungemach betreiben. Sei nur darauf gefaßt, nie sei darum beklommen, Mag nun der leid'ge Gast ausbleiben oder kommen. 5. Entweder uͤberſtreng an andern magſt du ſchelten Den Flecken, um dadurch nur ſelber rein zu gelten; Oder entſchuldigen zu nachſichtvoll die Schwaͤchen Der andern, daß ſie nur dir ſelbſt den Stab nicht brechen: Du haſt in jedem Fall zum Fehler dich bekannt, Dort weil du ihn zu groß, hier weil zu klein genannt. Magſt du ihn ſchweigend dort ableugnen, hier einraͤumen, In jedem Fall wirſt du zu beſſern ihn verſaͤumen. 6. Aufs Ungluͤck ſei gefaßt, denn morgen kann es kommen, Gefaßt wie auf den Gaſt, der ſeyn will aufgenommen. Doch wie es kommen kann, ſo kanns auch außenbleiben, Und niemal ſollſt du ſelbſt dein Ungemach betreiben. Sei nur darauf gefaßt, nie ſei darum beklommen, Mag nun der leid'ge Gaſt ausbleiben oder kommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0223" n="213"/> <div n="2"> <head>5.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Entweder uͤberſtreng an andern magſt du ſchelten</l><lb/> <l>Den Flecken, um dadurch nur ſelber rein zu gelten;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Oder entſchuldigen zu nachſichtvoll die Schwaͤchen</l><lb/> <l>Der andern, daß ſie nur dir ſelbſt den Stab nicht brechen:</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du haſt in jedem Fall zum Fehler dich bekannt,</l><lb/> <l>Dort weil du ihn zu groß, hier weil zu klein genannt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Magſt du ihn ſchweigend dort ableugnen, hier einraͤumen,</l><lb/> <l>In jedem Fall wirſt du zu beſſern ihn verſaͤumen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>6.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Aufs Ungluͤck ſei gefaßt, denn morgen kann es kommen,</l><lb/> <l>Gefaßt wie auf den Gaſt, der ſeyn will aufgenommen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch wie es kommen kann, ſo kanns auch außenbleiben,</l><lb/> <l>Und niemal ſollſt du ſelbſt dein Ungemach betreiben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sei nur darauf gefaßt, nie ſei darum beklommen,</l><lb/> <l>Mag nun der leid'ge Gaſt ausbleiben oder kommen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [213/0223]
5.
Entweder uͤberſtreng an andern magſt du ſchelten
Den Flecken, um dadurch nur ſelber rein zu gelten;
Oder entſchuldigen zu nachſichtvoll die Schwaͤchen
Der andern, daß ſie nur dir ſelbſt den Stab nicht brechen:
Du haſt in jedem Fall zum Fehler dich bekannt,
Dort weil du ihn zu groß, hier weil zu klein genannt.
Magſt du ihn ſchweigend dort ableugnen, hier einraͤumen,
In jedem Fall wirſt du zu beſſern ihn verſaͤumen.
6.
Aufs Ungluͤck ſei gefaßt, denn morgen kann es kommen,
Gefaßt wie auf den Gaſt, der ſeyn will aufgenommen.
Doch wie es kommen kann, ſo kanns auch außenbleiben,
Und niemal ſollſt du ſelbſt dein Ungemach betreiben.
Sei nur darauf gefaßt, nie ſei darum beklommen,
Mag nun der leid'ge Gaſt ausbleiben oder kommen.
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