Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
12.
Du mußt nur Alles nicht verlangen gleich von allen,
So wird in seiner Art dir alles wohlgefallen.
Wenn eine duftig riecht, die andre farbig glänzt,
Ist von der einen schön die andre Blum' ergänzt.
Und ist die eine gar geruch- und farbenreich,
Verlange nicht, sie sei auch süße Frucht zugleich.
Die schönste Blum' ist, in den Mund genommen, bitter;
Denn heimlich ist ein Gift in jedem Sinnenflitter.

13.
Der Pflanzenkund'ge, der die Pflanzen will erklären,
Weiß doch nicht, wie ein Dorn kann Rosenglut gebären.
Das weiß ein Dichter nur, der stille sein Gemüt
Belauschet, wenn aus ihm ein neues Lied erblüht.

12.
Du mußt nur Alles nicht verlangen gleich von allen,
So wird in ſeiner Art dir alles wohlgefallen.
Wenn eine duftig riecht, die andre farbig glaͤnzt,
Iſt von der einen ſchoͤn die andre Blum' ergaͤnzt.
Und iſt die eine gar geruch- und farbenreich,
Verlange nicht, ſie ſei auch ſuͤße Frucht zugleich.
Die ſchoͤnſte Blum' iſt, in den Mund genommen, bitter;
Denn heimlich iſt ein Gift in jedem Sinnenflitter.

13.
Der Pflanzenkund'ge, der die Pflanzen will erklaͤren,
Weiß doch nicht, wie ein Dorn kann Roſenglut gebaͤren.
Das weiß ein Dichter nur, der ſtille ſein Gemuͤt
Belauſchet, wenn aus ihm ein neues Lied erbluͤht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0021" n="11"/>
        <div n="2">
          <head>12.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Du mußt nur Alles nicht verlangen gleich von allen,</l><lb/>
              <l>So wird in &#x017F;einer Art dir alles wohlgefallen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wenn eine duftig riecht, die andre farbig gla&#x0364;nzt,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t von der einen &#x017F;cho&#x0364;n die andre Blum' erga&#x0364;nzt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Und i&#x017F;t die eine gar geruch- und farbenreich,</l><lb/>
              <l>Verlange nicht, &#x017F;ie &#x017F;ei auch &#x017F;u&#x0364;ße Frucht zugleich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Blum' i&#x017F;t, in den Mund genommen, bitter;</l><lb/>
              <l>Denn heimlich i&#x017F;t ein Gift in jedem Sinnenflitter.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>13.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Pflanzenkund'ge, der die Pflanzen will erkla&#x0364;ren,</l><lb/>
              <l>Weiß doch nicht, wie ein Dorn kann Ro&#x017F;englut geba&#x0364;ren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Das weiß ein Dichter nur, der &#x017F;tille &#x017F;ein Gemu&#x0364;t</l><lb/>
              <l>Belau&#x017F;chet, wenn aus ihm ein neues Lied erblu&#x0364;ht.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0021] 12. Du mußt nur Alles nicht verlangen gleich von allen, So wird in ſeiner Art dir alles wohlgefallen. Wenn eine duftig riecht, die andre farbig glaͤnzt, Iſt von der einen ſchoͤn die andre Blum' ergaͤnzt. Und iſt die eine gar geruch- und farbenreich, Verlange nicht, ſie ſei auch ſuͤße Frucht zugleich. Die ſchoͤnſte Blum' iſt, in den Mund genommen, bitter; Denn heimlich iſt ein Gift in jedem Sinnenflitter. 13. Der Pflanzenkund'ge, der die Pflanzen will erklaͤren, Weiß doch nicht, wie ein Dorn kann Roſenglut gebaͤren. Das weiß ein Dichter nur, der ſtille ſein Gemuͤt Belauſchet, wenn aus ihm ein neues Lied erbluͤht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/21
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/21>, abgerufen am 06.10.2024.