Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.69. Wenn du den Augen hältst das Buch so nahe vor, Schwimmt die verwirrte Schrift in einem Dämmerflor. Und wieder wenn du hältst den Augen es so fern, Wird jeder Buchstab ein unklarer Nebelstern. Und unzufrieden wirst du leicht mit deinem Auge, Daß weder fern noch nah es recht zu sehen tauge. Doch halte nicht zu nah und nicht zu fern das Buch, Und leserlich nach Wunsch erscheint dir jeder Spruch. Nur zwischen deinem Ziel und dir mußt du dem Licht Raum lassen grad soviel, als taugt für dein Gesicht. Und also siehst du auch die Welt und die Natur In rechter Deutlichkeit bei rechtem Abstand nur; Wenn zwischen ihr und dir du lässest eine Weite, Daß klar im Zwischenraum sich Gottes Licht verbreite. Die Weite doch ist gleich für jedes Auge nicht,
Wie ihm beschieden ist Fern- oder Nahgesicht. 69. Wenn du den Augen haͤltſt das Buch ſo nahe vor, Schwimmt die verwirrte Schrift in einem Daͤmmerflor. Und wieder wenn du haͤltſt den Augen es ſo fern, Wird jeder Buchſtab ein unklarer Nebelſtern. Und unzufrieden wirſt du leicht mit deinem Auge, Daß weder fern noch nah es recht zu ſehen tauge. Doch halte nicht zu nah und nicht zu fern das Buch, Und leſerlich nach Wunſch erſcheint dir jeder Spruch. Nur zwiſchen deinem Ziel und dir mußt du dem Licht Raum laſſen grad ſoviel, als taugt fuͤr dein Geſicht. Und alſo ſiehſt du auch die Welt und die Natur In rechter Deutlichkeit bei rechtem Abſtand nur; Wenn zwiſchen ihr und dir du laͤſſeſt eine Weite, Daß klar im Zwiſchenraum ſich Gottes Licht verbreite. Die Weite doch iſt gleich fuͤr jedes Auge nicht,
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69.
Wenn du den Augen haͤltſt das Buch ſo nahe vor,
Schwimmt die verwirrte Schrift in einem Daͤmmerflor.
Und wieder wenn du haͤltſt den Augen es ſo fern,
Wird jeder Buchſtab ein unklarer Nebelſtern.
Und unzufrieden wirſt du leicht mit deinem Auge,
Daß weder fern noch nah es recht zu ſehen tauge.
Doch halte nicht zu nah und nicht zu fern das Buch,
Und leſerlich nach Wunſch erſcheint dir jeder Spruch.
Nur zwiſchen deinem Ziel und dir mußt du dem Licht
Raum laſſen grad ſoviel, als taugt fuͤr dein Geſicht.
Und alſo ſiehſt du auch die Welt und die Natur
In rechter Deutlichkeit bei rechtem Abſtand nur;
Wenn zwiſchen ihr und dir du laͤſſeſt eine Weite,
Daß klar im Zwiſchenraum ſich Gottes Licht verbreite.
Die Weite doch iſt gleich fuͤr jedes Auge nicht,
Wie ihm beſchieden iſt Fern- oder Nahgeſicht.
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