Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.So gleich einander all und jede so verschieden, So wohnen Blumen-gleich die Tugenden in Frieden. Sie wohnen in der Brust, wie Blumen auf der Flur, Und eine Himmelslust ist solch ein Anblick nur. 90. Nicht unter Gleichen ist die Freundschaft, noch Ungleichen, Nur zwischen Aehnlichen, die sich Verschiednes reichen. Wer etwas geben soll, muß eine Füll' an Gaben, Und wer empfangen will, muß einen Mangel haben. Und eines Mangel muß des andern Fülle seyn, Sonst ist es nicht ein Tausch, nur einer Täuschung Schein, Wenn du nicht geben kannst, was ich empfangen kann; Das Wasser nimmt kein Oel, und auch kein Feuer an. Doch hast du geist'ges Oel, und du hast geist'ge Flammen, So traget ins Gefäß der Freundschaft sie zusammen. Der Glutdocht wird im Oel, das Oel am Glutdocht brennen, Und hell im Lampenschein zwei Geister sich erkennen. So gleich einander all und jede ſo verſchieden, So wohnen Blumen-gleich die Tugenden in Frieden. Sie wohnen in der Bruſt, wie Blumen auf der Flur, Und eine Himmelsluſt iſt ſolch ein Anblick nur. 90. Nicht unter Gleichen iſt die Freundſchaft, noch Ungleichen, Nur zwiſchen Aehnlichen, die ſich Verſchiednes reichen. Wer etwas geben ſoll, muß eine Fuͤll' an Gaben, Und wer empfangen will, muß einen Mangel haben. Und eines Mangel muß des andern Fuͤlle ſeyn, Sonſt iſt es nicht ein Tauſch, nur einer Taͤuſchung Schein, Wenn du nicht geben kannſt, was ich empfangen kann; Das Waſſer nimmt kein Oel, und auch kein Feuer an. Doch haſt du geiſt'ges Oel, und du haſt geiſt'ge Flammen, So traget ins Gefaͤß der Freundſchaft ſie zuſammen. Der Glutdocht wird im Oel, das Oel am Glutdocht brennen, Und hell im Lampenſchein zwei Geiſter ſich erkennen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0104" n="94"/> <lg n="3"> <l>So gleich einander all und jede ſo verſchieden,</l><lb/> <l>So wohnen Blumen-gleich die Tugenden in Frieden.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Sie wohnen in der Bruſt, wie Blumen auf der Flur,</l><lb/> <l>Und eine Himmelsluſt iſt ſolch ein Anblick nur.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>90.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nicht unter Gleichen iſt die Freundſchaft, noch Ungleichen,</l><lb/> <l>Nur zwiſchen Aehnlichen, die ſich Verſchiednes reichen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wer etwas geben ſoll, muß eine Fuͤll' an Gaben,</l><lb/> <l>Und wer empfangen will, muß einen Mangel haben.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und eines Mangel muß des andern Fuͤlle ſeyn,</l><lb/> <l>Sonſt iſt es nicht ein Tauſch, nur einer Taͤuſchung Schein,</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wenn du nicht geben kannſt, was ich empfangen kann;</l><lb/> <l>Das Waſſer nimmt kein Oel, und auch kein Feuer an.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch haſt du geiſt'ges Oel, und du haſt geiſt'ge Flammen,</l><lb/> <l>So traget ins Gefaͤß der Freundſchaft ſie zuſammen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Der Glutdocht wird im Oel, das Oel am Glutdocht brennen,</l><lb/> <l>Und hell im Lampenſchein zwei Geiſter ſich erkennen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
So gleich einander all und jede ſo verſchieden,
So wohnen Blumen-gleich die Tugenden in Frieden.
Sie wohnen in der Bruſt, wie Blumen auf der Flur,
Und eine Himmelsluſt iſt ſolch ein Anblick nur.
90.
Nicht unter Gleichen iſt die Freundſchaft, noch Ungleichen,
Nur zwiſchen Aehnlichen, die ſich Verſchiednes reichen.
Wer etwas geben ſoll, muß eine Fuͤll' an Gaben,
Und wer empfangen will, muß einen Mangel haben.
Und eines Mangel muß des andern Fuͤlle ſeyn,
Sonſt iſt es nicht ein Tauſch, nur einer Taͤuſchung Schein,
Wenn du nicht geben kannſt, was ich empfangen kann;
Das Waſſer nimmt kein Oel, und auch kein Feuer an.
Doch haſt du geiſt'ges Oel, und du haſt geiſt'ge Flammen,
So traget ins Gefaͤß der Freundſchaft ſie zuſammen.
Der Glutdocht wird im Oel, das Oel am Glutdocht brennen,
Und hell im Lampenſchein zwei Geiſter ſich erkennen.
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