Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.87. Weißt, wie der alte Pfau lehrt fliegen seine Jungen? Wie er dem Vater auch sich selbst einst nachgeschwungen. Am Tage schreitet er mit Lust im grünen Raum, Am Abend wählt er sich zur Rast den höchsten Baum. Und weil den Jungen kann so hoher Flug nicht glücken, So trägt er einzeln sie hinauf auf seinem Rücken. Da ruhn sie nun die Nacht, bis sie der Morgen weckt, Da fliegt der Alte weg, die Jungen sehns erschreckt. Er wandelt unten froh im Grünen hin und wieder; Er trug sie nur hinauf, und holt sie nicht hernieder. Er blicket nur hinauf, um sie herab zu locken, Da wagen sie den Flug, und sind vor Lust erschrocken, Zu fühlen, daß im Wind von selbst die Federn wallen, Und daß sie halb schon sind geflogen, halb gefallen. 87. Weißt, wie der alte Pfau lehrt fliegen ſeine Jungen? Wie er dem Vater auch ſich ſelbſt einſt nachgeſchwungen. Am Tage ſchreitet er mit Luſt im gruͤnen Raum, Am Abend waͤhlt er ſich zur Raſt den hoͤchſten Baum. Und weil den Jungen kann ſo hoher Flug nicht gluͤcken, So traͤgt er einzeln ſie hinauf auf ſeinem Ruͤcken. Da ruhn ſie nun die Nacht, bis ſie der Morgen weckt, Da fliegt der Alte weg, die Jungen ſehns erſchreckt. Er wandelt unten froh im Gruͤnen hin und wieder; Er trug ſie nur hinauf, und holt ſie nicht hernieder. Er blicket nur hinauf, um ſie herab zu locken, Da wagen ſie den Flug, und ſind vor Luſt erſchrocken, Zu fuͤhlen, daß im Wind von ſelbſt die Federn wallen, Und daß ſie halb ſchon ſind geflogen, halb gefallen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0102" n="92"/> <div n="2"> <head>87.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Weißt, wie der alte Pfau lehrt fliegen ſeine Jungen?</l><lb/> <l>Wie er dem Vater auch ſich ſelbſt einſt nachgeſchwungen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Am Tage ſchreitet er mit Luſt im gruͤnen Raum,</l><lb/> <l>Am Abend waͤhlt er ſich zur Raſt den hoͤchſten Baum.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und weil den Jungen kann ſo hoher Flug nicht gluͤcken,</l><lb/> <l>So traͤgt er einzeln ſie hinauf auf ſeinem Ruͤcken.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Da ruhn ſie nun die Nacht, bis ſie der Morgen weckt,</l><lb/> <l>Da fliegt der Alte weg, die Jungen ſehns erſchreckt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Er wandelt unten froh im Gruͤnen hin und wieder;</l><lb/> <l>Er trug ſie nur hinauf, und holt ſie nicht hernieder.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Er blicket nur hinauf, um ſie herab zu locken,</l><lb/> <l>Da wagen ſie den Flug, und ſind vor Luſt erſchrocken,</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Zu fuͤhlen, daß im Wind von ſelbſt die Federn wallen,</l><lb/> <l>Und daß ſie halb ſchon ſind geflogen, halb gefallen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [92/0102]
87.
Weißt, wie der alte Pfau lehrt fliegen ſeine Jungen?
Wie er dem Vater auch ſich ſelbſt einſt nachgeſchwungen.
Am Tage ſchreitet er mit Luſt im gruͤnen Raum,
Am Abend waͤhlt er ſich zur Raſt den hoͤchſten Baum.
Und weil den Jungen kann ſo hoher Flug nicht gluͤcken,
So traͤgt er einzeln ſie hinauf auf ſeinem Ruͤcken.
Da ruhn ſie nun die Nacht, bis ſie der Morgen weckt,
Da fliegt der Alte weg, die Jungen ſehns erſchreckt.
Er wandelt unten froh im Gruͤnen hin und wieder;
Er trug ſie nur hinauf, und holt ſie nicht hernieder.
Er blicket nur hinauf, um ſie herab zu locken,
Da wagen ſie den Flug, und ſind vor Luſt erſchrocken,
Zu fuͤhlen, daß im Wind von ſelbſt die Federn wallen,
Und daß ſie halb ſchon ſind geflogen, halb gefallen.
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