Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
48.
Was hält den Vogel, der in Lüften schwebt, am Band,
Daß er zur Erde nicht herabfällt? Gottes Hand.
Dieselbe Gottes Hand hält auch am Band dein Leben,
An welchem Abgrund auch es der Gefahr mag schweben.
Mach', wie der Vogel, des Vertrauens Fittig fest!
Vom Irrflug trägt er dich noch heut' in's sichre Nest.

49.
Der Finke, der am Weg ein trocknes Körnlein hascht,
Hat Kirschen wohl im Lenz, Trauben im Herbst genascht.
Er nimmt es wie es kommt, bleibt frisch an Leib und Seele,
Nur singt er nicht, und blaß ward ihm das Roth der Kehle.
Einst singt er wieder, und sein blasser Hals wird roth,
Wann wieder Kirsch' und Traub' ihm gibt sein täglich Brod.
Auf, schwinge dich, mein Geist, aus diesen Kummerschranken,
Wie mit den Flügeln er, mit muthigen Gedanken.

48.
Was haͤlt den Vogel, der in Luͤften ſchwebt, am Band,
Daß er zur Erde nicht herabfaͤllt? Gottes Hand.
Dieſelbe Gottes Hand haͤlt auch am Band dein Leben,
An welchem Abgrund auch es der Gefahr mag ſchweben.
Mach', wie der Vogel, des Vertrauens Fittig feſt!
Vom Irrflug traͤgt er dich noch heut' in's ſichre Neſt.

49.
Der Finke, der am Weg ein trocknes Koͤrnlein haſcht,
Hat Kirſchen wohl im Lenz, Trauben im Herbſt genaſcht.
Er nimmt es wie es kommt, bleibt friſch an Leib und Seele,
Nur ſingt er nicht, und blaß ward ihm das Roth der Kehle.
Einſt ſingt er wieder, und ſein blaſſer Hals wird roth,
Wann wieder Kirſch' und Traub' ihm gibt ſein taͤglich Brod.
Auf, ſchwinge dich, mein Geiſt, aus dieſen Kummerſchranken,
Wie mit den Fluͤgeln er, mit muthigen Gedanken.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0306" n="296"/>
        <div n="2">
          <head>48.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Was ha&#x0364;lt den Vogel, der in Lu&#x0364;ften &#x017F;chwebt, am Band,</l><lb/>
              <l>Daß er zur Erde nicht herabfa&#x0364;llt? Gottes Hand.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die&#x017F;elbe Gottes Hand ha&#x0364;lt auch am Band dein Leben,</l><lb/>
              <l>An welchem Abgrund auch es der Gefahr mag &#x017F;chweben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Mach', wie der Vogel, des Vertrauens Fittig fe&#x017F;t!</l><lb/>
              <l>Vom Irrflug tra&#x0364;gt er dich noch heut' in's &#x017F;ichre Ne&#x017F;t.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>49.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Der Finke, der am Weg ein trocknes Ko&#x0364;rnlein ha&#x017F;cht,</l><lb/>
              <l>Hat Kir&#x017F;chen wohl im Lenz, Trauben im Herb&#x017F;t gena&#x017F;cht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Er nimmt es wie es kommt, bleibt fri&#x017F;ch an Leib und Seele,</l><lb/>
              <l>Nur &#x017F;ingt er nicht, und blaß ward ihm das Roth der Kehle.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ein&#x017F;t &#x017F;ingt er wieder, und &#x017F;ein bla&#x017F;&#x017F;er Hals wird roth,</l><lb/>
              <l>Wann wieder Kir&#x017F;ch' und Traub' ihm gibt &#x017F;ein ta&#x0364;glich Brod.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Auf, &#x017F;chwinge dich, mein Gei&#x017F;t, aus die&#x017F;en Kummer&#x017F;chranken,</l><lb/>
              <l>Wie mit den Flu&#x0364;geln er, mit muthigen Gedanken.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0306] 48. Was haͤlt den Vogel, der in Luͤften ſchwebt, am Band, Daß er zur Erde nicht herabfaͤllt? Gottes Hand. Dieſelbe Gottes Hand haͤlt auch am Band dein Leben, An welchem Abgrund auch es der Gefahr mag ſchweben. Mach', wie der Vogel, des Vertrauens Fittig feſt! Vom Irrflug traͤgt er dich noch heut' in's ſichre Neſt. 49. Der Finke, der am Weg ein trocknes Koͤrnlein haſcht, Hat Kirſchen wohl im Lenz, Trauben im Herbſt genaſcht. Er nimmt es wie es kommt, bleibt friſch an Leib und Seele, Nur ſingt er nicht, und blaß ward ihm das Roth der Kehle. Einſt ſingt er wieder, und ſein blaſſer Hals wird roth, Wann wieder Kirſch' und Traub' ihm gibt ſein taͤglich Brod. Auf, ſchwinge dich, mein Geiſt, aus dieſen Kummerſchranken, Wie mit den Fluͤgeln er, mit muthigen Gedanken.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/306
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/306>, abgerufen am 23.11.2024.