Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.162. Wenn alles Menschenthuns ist Wurzel Eigennutz, Komm, laß uns reinigen die Wurzel von dem Schmutz! Auf diesem Grunde laß uns stehn nur und erklären, Wie jene Wurzel selbst das Höchste muß gebären. Ein jedes Wesen eingepflanzt hat von Natur Den Grundtrieb: wie es ist, sich zu erhalten nur. Was dieser dunkle Trieb nun in der Thiere Zunft, Das ist im Menschen selbst erleuchtete Vernunft. So kann Vernunftmacht nie seyn mit Naturgewalten Im Widerspruch; ihr Trieb ist auch, sich zu erhalten. Wodurch sie sich erhält, ist Tugend, That und Kraft, Davon das Widerspiel ist Schwäch' und Leidenschaft. Nicht Leiden, sondern Thun, nicht Ohnmacht, sondern Stärke, Das sind des menschlichen Naturtriebs Tugendwerke. In diesem Streben nun, von innen frei durchgängig
Zu wirken, fühlt der Trieb sich außen rings abhängig. 162. Wenn alles Menſchenthuns iſt Wurzel Eigennutz, Komm, laß uns reinigen die Wurzel von dem Schmutz! Auf dieſem Grunde laß uns ſtehn nur und erklaͤren, Wie jene Wurzel ſelbſt das Hoͤchſte muß gebaͤren. Ein jedes Weſen eingepflanzt hat von Natur Den Grundtrieb: wie es iſt, ſich zu erhalten nur. Was dieſer dunkle Trieb nun in der Thiere Zunft, Das iſt im Menſchen ſelbſt erleuchtete Vernunft. So kann Vernunftmacht nie ſeyn mit Naturgewalten Im Widerſpruch; ihr Trieb iſt auch, ſich zu erhalten. Wodurch ſie ſich erhaͤlt, iſt Tugend, That und Kraft, Davon das Widerſpiel iſt Schwaͤch' und Leidenſchaft. Nicht Leiden, ſondern Thun, nicht Ohnmacht, ſondern Staͤrke, Das ſind des menſchlichen Naturtriebs Tugendwerke. In dieſem Streben nun, von innen frei durchgaͤngig
Zu wirken, fuͤhlt der Trieb ſich außen rings abhaͤngig. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0250" n="240"/> <div n="2"> <head>162.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wenn alles Menſchenthuns iſt Wurzel Eigennutz,</l><lb/> <l>Komm, laß uns reinigen die Wurzel von dem Schmutz!</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Auf dieſem Grunde laß uns ſtehn nur und erklaͤren,</l><lb/> <l>Wie jene Wurzel ſelbſt das Hoͤchſte muß gebaͤren.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ein jedes Weſen eingepflanzt hat von Natur</l><lb/> <l>Den Grundtrieb: wie es iſt, ſich zu erhalten nur.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was dieſer dunkle Trieb nun in der Thiere Zunft,</l><lb/> <l>Das iſt im Menſchen ſelbſt erleuchtete Vernunft.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>So kann Vernunftmacht nie ſeyn mit Naturgewalten</l><lb/> <l>Im Widerſpruch; ihr Trieb iſt auch, ſich zu erhalten.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wodurch ſie ſich erhaͤlt, iſt Tugend, That und Kraft,</l><lb/> <l>Davon das Widerſpiel iſt Schwaͤch' und Leidenſchaft.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Nicht Leiden, ſondern Thun, nicht Ohnmacht, ſondern Staͤrke,</l><lb/> <l>Das ſind des menſchlichen Naturtriebs Tugendwerke.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>In dieſem Streben nun, von innen frei durchgaͤngig</l><lb/> <l>Zu wirken, fuͤhlt der Trieb ſich außen rings abhaͤngig.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0250]
162.
Wenn alles Menſchenthuns iſt Wurzel Eigennutz,
Komm, laß uns reinigen die Wurzel von dem Schmutz!
Auf dieſem Grunde laß uns ſtehn nur und erklaͤren,
Wie jene Wurzel ſelbſt das Hoͤchſte muß gebaͤren.
Ein jedes Weſen eingepflanzt hat von Natur
Den Grundtrieb: wie es iſt, ſich zu erhalten nur.
Was dieſer dunkle Trieb nun in der Thiere Zunft,
Das iſt im Menſchen ſelbſt erleuchtete Vernunft.
So kann Vernunftmacht nie ſeyn mit Naturgewalten
Im Widerſpruch; ihr Trieb iſt auch, ſich zu erhalten.
Wodurch ſie ſich erhaͤlt, iſt Tugend, That und Kraft,
Davon das Widerſpiel iſt Schwaͤch' und Leidenſchaft.
Nicht Leiden, ſondern Thun, nicht Ohnmacht, ſondern Staͤrke,
Das ſind des menſchlichen Naturtriebs Tugendwerke.
In dieſem Streben nun, von innen frei durchgaͤngig
Zu wirken, fuͤhlt der Trieb ſich außen rings abhaͤngig.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/250>, abgerufen am 16.02.2025. |