Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Doch, bleibt noch Trieb in dir, wird er sie wieder treiben, Und wieder wirst du dort nicht lange können bleiben. So fleug denn, weil du mußt! Ich aber, wenn Gefieder Mir sproßte, flög' ich auf, und nie herunter wieder. Denn, ob ich es zur Zier sag' oder Schande mir: Mit Langeweile fehlt mir auch die Neubegier. Ich bliebe fort und fort gar gern an einem Ort, Solang es seyn soll, hier, und wann es seyn kann, dort. 110. Aus zwei Verneinungen wird eine Wortbejahung, Aus zwei Entfernungen doch niemals eine Nahung, Aus zwei Abneigungen nie eine Liebumfahung. Aus zwei Bejahungen wird nie im Wort Verneinung, Doch in der Sache wol; wenn bringen in Vereinung Du willst zwei Meinungen, erhältst du keine Meinung. Doch, bleibt noch Trieb in dir, wird er ſie wieder treiben, Und wieder wirſt du dort nicht lange koͤnnen bleiben. So fleug denn, weil du mußt! Ich aber, wenn Gefieder Mir ſproßte, floͤg' ich auf, und nie herunter wieder. Denn, ob ich es zur Zier ſag' oder Schande mir: Mit Langeweile fehlt mir auch die Neubegier. Ich bliebe fort und fort gar gern an einem Ort, Solang es ſeyn ſoll, hier, und wann es ſeyn kann, dort. 110. Aus zwei Verneinungen wird eine Wortbejahung, Aus zwei Entfernungen doch niemals eine Nahung, Aus zwei Abneigungen nie eine Liebumfahung. Aus zwei Bejahungen wird nie im Wort Verneinung, Doch in der Sache wol; wenn bringen in Vereinung Du willſt zwei Meinungen, erhaͤltſt du keine Meinung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0216" n="206"/> <lg n="13"> <l>Doch, bleibt noch Trieb in dir, wird er ſie wieder treiben,</l><lb/> <l>Und wieder wirſt du dort nicht lange koͤnnen bleiben.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>So fleug denn, weil du mußt! Ich aber, wenn Gefieder</l><lb/> <l>Mir ſproßte, floͤg' ich auf, und nie herunter wieder.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Denn, ob ich es zur Zier ſag' oder Schande mir:</l><lb/> <l>Mit Langeweile fehlt mir auch die Neubegier.</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Ich bliebe fort und fort gar gern an einem Ort,</l><lb/> <l>Solang es ſeyn ſoll, hier, und wann es ſeyn kann, dort.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>110.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Aus zwei Verneinungen wird eine Wortbejahung,</l><lb/> <l>Aus zwei Entfernungen doch niemals eine Nahung,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Aus zwei Abneigungen nie eine Liebumfahung.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Aus zwei Bejahungen wird nie im Wort Verneinung,</l><lb/> <l>Doch in der Sache wol; wenn bringen in Vereinung</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du willſt zwei Meinungen, erhaͤltſt du keine Meinung.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [206/0216]
Doch, bleibt noch Trieb in dir, wird er ſie wieder treiben,
Und wieder wirſt du dort nicht lange koͤnnen bleiben.
So fleug denn, weil du mußt! Ich aber, wenn Gefieder
Mir ſproßte, floͤg' ich auf, und nie herunter wieder.
Denn, ob ich es zur Zier ſag' oder Schande mir:
Mit Langeweile fehlt mir auch die Neubegier.
Ich bliebe fort und fort gar gern an einem Ort,
Solang es ſeyn ſoll, hier, und wann es ſeyn kann, dort.
110.
Aus zwei Verneinungen wird eine Wortbejahung,
Aus zwei Entfernungen doch niemals eine Nahung,
Aus zwei Abneigungen nie eine Liebumfahung.
Aus zwei Bejahungen wird nie im Wort Verneinung,
Doch in der Sache wol; wenn bringen in Vereinung
Du willſt zwei Meinungen, erhaͤltſt du keine Meinung.
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