Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
97.
Beim Hauch des Morgens und der Mitternächte Schauer
Fühlt' ich die Trauer, daß die Welt hat keine Dauer;
Daß wir am Anfang schon dem End' entgegen gehn,
Und doch am Ende noch beim Anfang immer stehn.
Bald haben wir's verwacht, bald haben wir's verträumt,
Nie säumend Tag und Nacht, das Glück ist stets versäumt.
Wie uns zuschauerhaft vorbeigeht schauerlich
Die Welt undauerhaft, ist wohl bedauerlich.
Wohl zu bedauern sind leichtsinnige Vertrauer,
Die hier ins Lustspiel gehn, und finden das der Trauer.
Und zwei nur sind beglückt, der den kein Trug berückt,
Und der dem es genügt, daß ihn ein Trug beglückt.


9*
97.
Beim Hauch des Morgens und der Mitternaͤchte Schauer
Fuͤhlt' ich die Trauer, daß die Welt hat keine Dauer;
Daß wir am Anfang ſchon dem End' entgegen gehn,
Und doch am Ende noch beim Anfang immer ſtehn.
Bald haben wir's verwacht, bald haben wir's vertraͤumt,
Nie ſaͤumend Tag und Nacht, das Gluͤck iſt ſtets verſaͤumt.
Wie uns zuſchauerhaft vorbeigeht ſchauerlich
Die Welt undauerhaft, iſt wohl bedauerlich.
Wohl zu bedauern ſind leichtſinnige Vertrauer,
Die hier ins Luſtſpiel gehn, und finden das der Trauer.
Und zwei nur ſind begluͤckt, der den kein Trug beruͤckt,
Und der dem es genuͤgt, daß ihn ein Trug begluͤckt.


9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0205" n="195"/>
        <div n="2">
          <head>97.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Beim Hauch des Morgens und der Mitterna&#x0364;chte Schauer</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;hlt' ich die Trauer, daß die Welt hat keine Dauer;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Daß wir am Anfang &#x017F;chon dem End' entgegen gehn,</l><lb/>
              <l>Und doch am Ende noch beim Anfang immer &#x017F;tehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Bald haben wir's verwacht, bald haben wir's vertra&#x0364;umt,</l><lb/>
              <l>Nie &#x017F;a&#x0364;umend Tag und Nacht, das Glu&#x0364;ck i&#x017F;t &#x017F;tets ver&#x017F;a&#x0364;umt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Wie uns zu&#x017F;chauerhaft vorbeigeht &#x017F;chauerlich</l><lb/>
              <l>Die Welt undauerhaft, i&#x017F;t wohl bedauerlich.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Wohl zu bedauern &#x017F;ind leicht&#x017F;innige Vertrauer,</l><lb/>
              <l>Die hier ins Lu&#x017F;t&#x017F;piel gehn, und finden das der Trauer.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Und zwei nur &#x017F;ind beglu&#x0364;ckt, der den kein Trug beru&#x0364;ckt,</l><lb/>
              <l>Und der dem es genu&#x0364;gt, daß ihn ein Trug beglu&#x0364;ckt.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">9*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0205] 97. Beim Hauch des Morgens und der Mitternaͤchte Schauer Fuͤhlt' ich die Trauer, daß die Welt hat keine Dauer; Daß wir am Anfang ſchon dem End' entgegen gehn, Und doch am Ende noch beim Anfang immer ſtehn. Bald haben wir's verwacht, bald haben wir's vertraͤumt, Nie ſaͤumend Tag und Nacht, das Gluͤck iſt ſtets verſaͤumt. Wie uns zuſchauerhaft vorbeigeht ſchauerlich Die Welt undauerhaft, iſt wohl bedauerlich. Wohl zu bedauern ſind leichtſinnige Vertrauer, Die hier ins Luſtſpiel gehn, und finden das der Trauer. Und zwei nur ſind begluͤckt, der den kein Trug beruͤckt, Und der dem es genuͤgt, daß ihn ein Trug begluͤckt. 9*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/205
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/205>, abgerufen am 21.11.2024.