Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Einst hatten desto mehr die armen aufzuschüsseln
Den uranfänglichen mit ungeheuern Rüsseln.
Und wo ein Lebendes noch hat der Nahrung Noth,
Da mit dem Leben ist gegeben auch der Tod.
Der Schmetterling allein, der fräß'gen Raup' entstammt,
Ißt Duft nur und beschämt die andern allesammt.
Ein Vorbild ist er drum des Menschen höherm Streben,
Wenn aus dem Raupenstand er einst sich wird erheben.
Inzwischen steht er hier, wie er vom Anfang stand,
Die Thiere beider Art zu recht- und linker Hand.
Die edlen Räuber hier, und dort die Pflanzenfresser;
Er thut es beiden gleich, und Niemand kann es besser.
Dazu sind ihm verliehn die beiderart'gen Zähne,
Die einen von dem Lamm, die andern der Hyäne.
Er kann, nach Zeit und Ort, mehr die, mehr jene brauchen,
Ins irdisch schwere sich mehr oder minder tauchen.
Unschuld'ger machet ihn unschuld'ge Pflanzenspeise,
Doch diese Unschuld auch ist nur vergleichungsweise.

Einſt hatten deſto mehr die armen aufzuſchuͤſſeln
Den uranfaͤnglichen mit ungeheuern Ruͤſſeln.
Und wo ein Lebendes noch hat der Nahrung Noth,
Da mit dem Leben iſt gegeben auch der Tod.
Der Schmetterling allein, der fraͤß'gen Raup' entſtammt,
Ißt Duft nur und beſchaͤmt die andern alleſammt.
Ein Vorbild iſt er drum des Menſchen hoͤherm Streben,
Wenn aus dem Raupenſtand er einſt ſich wird erheben.
Inzwiſchen ſteht er hier, wie er vom Anfang ſtand,
Die Thiere beider Art zu recht- und linker Hand.
Die edlen Raͤuber hier, und dort die Pflanzenfreſſer;
Er thut es beiden gleich, und Niemand kann es beſſer.
Dazu ſind ihm verliehn die beiderart'gen Zaͤhne,
Die einen von dem Lamm, die andern der Hyaͤne.
Er kann, nach Zeit und Ort, mehr die, mehr jene brauchen,
Ins irdiſch ſchwere ſich mehr oder minder tauchen.
Unſchuld'ger machet ihn unſchuld'ge Pflanzenſpeiſe,
Doch dieſe Unſchuld auch iſt nur vergleichungsweiſe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0171" n="161"/>
            <lg n="9">
              <l>Ein&#x017F;t hatten de&#x017F;to mehr die armen aufzu&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln</l><lb/>
              <l>Den uranfa&#x0364;nglichen mit ungeheuern Ru&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="10">
              <l>Und wo ein Lebendes noch hat der Nahrung Noth,</l><lb/>
              <l>Da mit dem Leben i&#x017F;t gegeben auch der Tod.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>Der Schmetterling allein, der fra&#x0364;ß'gen Raup' ent&#x017F;tammt,</l><lb/>
              <l>Ißt Duft nur und be&#x017F;cha&#x0364;mt die andern alle&#x017F;ammt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Ein Vorbild i&#x017F;t er drum des Men&#x017F;chen ho&#x0364;herm Streben,</l><lb/>
              <l>Wenn aus dem Raupen&#x017F;tand er ein&#x017F;t &#x017F;ich wird erheben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="13">
              <l>Inzwi&#x017F;chen &#x017F;teht er hier, wie er vom Anfang &#x017F;tand,</l><lb/>
              <l>Die Thiere beider Art zu recht- und linker Hand.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="14">
              <l>Die edlen Ra&#x0364;uber hier, und dort die Pflanzenfre&#x017F;&#x017F;er;</l><lb/>
              <l>Er thut es beiden gleich, und Niemand kann es be&#x017F;&#x017F;er.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="15">
              <l>Dazu &#x017F;ind ihm verliehn die beiderart'gen Za&#x0364;hne,</l><lb/>
              <l>Die einen von dem Lamm, die andern der Hya&#x0364;ne.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="16">
              <l>Er kann, nach Zeit und Ort, mehr die, mehr jene brauchen,</l><lb/>
              <l>Ins irdi&#x017F;ch &#x017F;chwere &#x017F;ich mehr oder minder tauchen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="17">
              <l>Un&#x017F;chuld'ger machet ihn un&#x017F;chuld'ge Pflanzen&#x017F;pei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Doch die&#x017F;e Un&#x017F;chuld auch i&#x017F;t nur vergleichungswei&#x017F;e.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0171] Einſt hatten deſto mehr die armen aufzuſchuͤſſeln Den uranfaͤnglichen mit ungeheuern Ruͤſſeln. Und wo ein Lebendes noch hat der Nahrung Noth, Da mit dem Leben iſt gegeben auch der Tod. Der Schmetterling allein, der fraͤß'gen Raup' entſtammt, Ißt Duft nur und beſchaͤmt die andern alleſammt. Ein Vorbild iſt er drum des Menſchen hoͤherm Streben, Wenn aus dem Raupenſtand er einſt ſich wird erheben. Inzwiſchen ſteht er hier, wie er vom Anfang ſtand, Die Thiere beider Art zu recht- und linker Hand. Die edlen Raͤuber hier, und dort die Pflanzenfreſſer; Er thut es beiden gleich, und Niemand kann es beſſer. Dazu ſind ihm verliehn die beiderart'gen Zaͤhne, Die einen von dem Lamm, die andern der Hyaͤne. Er kann, nach Zeit und Ort, mehr die, mehr jene brauchen, Ins irdiſch ſchwere ſich mehr oder minder tauchen. Unſchuld'ger machet ihn unſchuld'ge Pflanzenſpeiſe, Doch dieſe Unſchuld auch iſt nur vergleichungsweiſe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/171
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane04_1838/171>, abgerufen am 21.11.2024.