Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Gott, der ihn so gemacht, empfänglich wird er machen Ihn aus der Doppelnacht hier oder dort erwachen. Wer blind und taub nur ward, kann fort das Feuer schüren Im Innern, mag man auch nach außen es nicht spüren, Der Muschel gleich im Schlamm, Licht saugen mit Begier, Das zu viel schönrer Perl' in ihm wird als in ihr. So sah ich einen Greis, an Aug' und Ohr verwittert, Von Lustentzückungen im Frühlingshain durchzittert. Der Blüten Duftgeruch, der Abendlüfte Wehn, Macht ihm den Mund voll Preis, das Aug' in Thränen stehn. Er sog, was er nicht sah, und roch, was er nicht hörte, Und fühlte Vollgenuß und Andacht ungestörte. So schön ist Gottes Welt, daß auch ein leises Flüstern Von ihr der Blindheit kann und Taubheit Nacht entdüstern. Gott, der ihn ſo gemacht, empfaͤnglich wird er machen Ihn aus der Doppelnacht hier oder dort erwachen. Wer blind und taub nur ward, kann fort das Feuer ſchuͤren Im Innern, mag man auch nach außen es nicht ſpuͤren, Der Muſchel gleich im Schlamm, Licht ſaugen mit Begier, Das zu viel ſchoͤnrer Perl' in ihm wird als in ihr. So ſah ich einen Greis, an Aug' und Ohr verwittert, Von Luſtentzuͤckungen im Fruͤhlingshain durchzittert. Der Bluͤten Duftgeruch, der Abendluͤfte Wehn, Macht ihm den Mund voll Preis, das Aug' in Thraͤnen ſtehn. Er ſog, was er nicht ſah, und roch, was er nicht hoͤrte, Und fuͤhlte Vollgenuß und Andacht ungeſtoͤrte. So ſchoͤn iſt Gottes Welt, daß auch ein leiſes Fluͤſtern Von ihr der Blindheit kann und Taubheit Nacht entduͤſtern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0104" n="94"/> <lg n="12"> <l>Gott, der ihn ſo gemacht, empfaͤnglich wird er machen</l><lb/> <l>Ihn aus der Doppelnacht hier oder dort erwachen.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Wer blind und taub nur ward, kann fort das Feuer ſchuͤren</l><lb/> <l>Im Innern, mag man auch nach außen es nicht ſpuͤren,</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Der Muſchel gleich im Schlamm, Licht ſaugen mit Begier,</l><lb/> <l>Das zu viel ſchoͤnrer Perl' in ihm wird als in ihr.</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>So ſah ich einen Greis, an Aug' und Ohr verwittert,</l><lb/> <l>Von Luſtentzuͤckungen im Fruͤhlingshain durchzittert.</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Der Bluͤten Duftgeruch, der Abendluͤfte Wehn,</l><lb/> <l>Macht ihm den Mund voll Preis, das Aug' in Thraͤnen ſtehn.</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>Er ſog, was er nicht ſah, und roch, was er nicht hoͤrte,</l><lb/> <l>Und fuͤhlte Vollgenuß und Andacht ungeſtoͤrte.</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>So ſchoͤn iſt Gottes Welt, daß auch ein leiſes Fluͤſtern</l><lb/> <l>Von ihr der Blindheit kann und Taubheit Nacht entduͤſtern.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [94/0104]
Gott, der ihn ſo gemacht, empfaͤnglich wird er machen
Ihn aus der Doppelnacht hier oder dort erwachen.
Wer blind und taub nur ward, kann fort das Feuer ſchuͤren
Im Innern, mag man auch nach außen es nicht ſpuͤren,
Der Muſchel gleich im Schlamm, Licht ſaugen mit Begier,
Das zu viel ſchoͤnrer Perl' in ihm wird als in ihr.
So ſah ich einen Greis, an Aug' und Ohr verwittert,
Von Luſtentzuͤckungen im Fruͤhlingshain durchzittert.
Der Bluͤten Duftgeruch, der Abendluͤfte Wehn,
Macht ihm den Mund voll Preis, das Aug' in Thraͤnen ſtehn.
Er ſog, was er nicht ſah, und roch, was er nicht hoͤrte,
Und fuͤhlte Vollgenuß und Andacht ungeſtoͤrte.
So ſchoͤn iſt Gottes Welt, daß auch ein leiſes Fluͤſtern
Von ihr der Blindheit kann und Taubheit Nacht entduͤſtern.
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