Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Das Körnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben An einen Zweig, und wird nicht lang unschlüssig schweben. Da wo es anklebt, wird's geschwind ein Würzlein schlagen, Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen. Viel anders aber treibt es untenher und oben Als andre Pflanzen, die sich frei vom Boden hoben. Denn senkrecht senken sie die Wurzel all nach unten, Und gradauf oben steigt ihr grünes Blatt zum bunten. Die Mistel aber muß sich fremdem Stamm bequemen, Wie er gewachsen ist, danach ihr Wachsthum nehmen. Ob oben, unten, ob sie hüben sitzt ob drüben Am Stamm, danach muß sie verschiedne Künste üben. Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder schief Weiß sie die Wurzel einzuschieben stark und tief, In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten, Und auch kopfuntersich die Schwebe wol zu halten. Das Koͤrnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben An einen Zweig, und wird nicht lang unſchluͤſſig ſchweben. Da wo es anklebt, wird's geſchwind ein Wuͤrzlein ſchlagen, Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen. Viel anders aber treibt es untenher und oben Als andre Pflanzen, die ſich frei vom Boden hoben. Denn ſenkrecht ſenken ſie die Wurzel all nach unten, Und gradauf oben ſteigt ihr gruͤnes Blatt zum bunten. Die Miſtel aber muß ſich fremdem Stamm bequemen, Wie er gewachſen iſt, danach ihr Wachsthum nehmen. Ob oben, unten, ob ſie huͤben ſitzt ob druͤben Am Stamm, danach muß ſie verſchiedne Kuͤnſte uͤben. Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder ſchief Weiß ſie die Wurzel einzuſchieben ſtark und tief, In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten, Und auch kopfunterſich die Schwebe wol zu halten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0075" n="65"/> <lg n="5"> <l>Das Koͤrnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben</l><lb/> <l>An einen Zweig, und wird nicht lang unſchluͤſſig ſchweben.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Da wo es anklebt, wird's geſchwind ein Wuͤrzlein ſchlagen,</l><lb/> <l>Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Viel anders aber treibt es untenher und oben</l><lb/> <l>Als andre Pflanzen, die ſich frei vom Boden hoben.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Denn ſenkrecht ſenken ſie die Wurzel all nach unten,</l><lb/> <l>Und gradauf oben ſteigt ihr gruͤnes Blatt zum bunten.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Die Miſtel aber muß ſich fremdem Stamm bequemen,</l><lb/> <l>Wie er gewachſen iſt, danach ihr Wachsthum nehmen.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ob oben, unten, ob ſie huͤben ſitzt ob druͤben</l><lb/> <l>Am Stamm, danach muß ſie verſchiedne Kuͤnſte uͤben.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder ſchief</l><lb/> <l>Weiß ſie die Wurzel einzuſchieben ſtark und tief,</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten,</l><lb/> <l>Und auch kopfunterſich die Schwebe wol zu halten.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [65/0075]
Das Koͤrnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben
An einen Zweig, und wird nicht lang unſchluͤſſig ſchweben.
Da wo es anklebt, wird's geſchwind ein Wuͤrzlein ſchlagen,
Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen.
Viel anders aber treibt es untenher und oben
Als andre Pflanzen, die ſich frei vom Boden hoben.
Denn ſenkrecht ſenken ſie die Wurzel all nach unten,
Und gradauf oben ſteigt ihr gruͤnes Blatt zum bunten.
Die Miſtel aber muß ſich fremdem Stamm bequemen,
Wie er gewachſen iſt, danach ihr Wachsthum nehmen.
Ob oben, unten, ob ſie huͤben ſitzt ob druͤben
Am Stamm, danach muß ſie verſchiedne Kuͤnſte uͤben.
Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder ſchief
Weiß ſie die Wurzel einzuſchieben ſtark und tief,
In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten,
Und auch kopfunterſich die Schwebe wol zu halten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |