Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.136. Du findest im Besitz Genüge nimmermehr; Denn es begehrt dein Herz entweder immer mehr, Oder, hast du genug, so fürchtest du Verlust; Und dort ist so wie hier der Stachel in der Brust. 137. Du siehst, es wankt dein Kind, und, statt ihm beizuspringen, Siehst du mit Angst ihm zu, wie es ihm wird gelingen. Wird es im Gleichgewicht sich halten, wird es fallen? Darüber lässest du die Zeit der Hülf' entwallen. Die Roll' ist ungeschickt, die du dabei gespielt; Gefallen wär' es, wenn es nicht sein Engel hielt. Doch tröste dich, wer weiß du hättest, wohlbeflissen Eingreifend, es villeicht erst hin zum Sturz gerissen. Es fiel nicht, danke Gott. Fiel es, so machtest du Vorwürfe dir mit Recht; nun ist kein Grund dazu. 136. Du findeſt im Beſitz Genuͤge nimmermehr; Denn es begehrt dein Herz entweder immer mehr, Oder, haſt du genug, ſo fuͤrchteſt du Verluſt; Und dort iſt ſo wie hier der Stachel in der Bruſt. 137. Du ſiehſt, es wankt dein Kind, und, ſtatt ihm beizuſpringen, Siehſt du mit Angſt ihm zu, wie es ihm wird gelingen. Wird es im Gleichgewicht ſich halten, wird es fallen? Daruͤber laͤſſeſt du die Zeit der Huͤlf' entwallen. Die Roll' iſt ungeſchickt, die du dabei geſpielt; Gefallen waͤr' es, wenn es nicht ſein Engel hielt. Doch troͤſte dich, wer weiß du haͤtteſt, wohlbefliſſen Eingreifend, es villeicht erſt hin zum Sturz geriſſen. Es fiel nicht, danke Gott. Fiel es, ſo machteſt du Vorwuͤrfe dir mit Recht; nun iſt kein Grund dazu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0237" n="227"/> <div n="2"> <head>136.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du findeſt im Beſitz Genuͤge nimmermehr;</l><lb/> <l>Denn es begehrt dein Herz entweder immer mehr,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Oder, haſt du genug, ſo fuͤrchteſt du Verluſt;</l><lb/> <l>Und dort iſt ſo wie hier der Stachel in der Bruſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>137.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du ſiehſt, es wankt dein Kind, und, ſtatt ihm beizuſpringen,</l><lb/> <l>Siehſt du mit Angſt ihm zu, wie es ihm wird gelingen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wird es im Gleichgewicht ſich halten, wird es fallen?</l><lb/> <l>Daruͤber laͤſſeſt du die Zeit der Huͤlf' entwallen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Roll' iſt ungeſchickt, die du dabei geſpielt;</l><lb/> <l>Gefallen waͤr' es, wenn es nicht ſein Engel hielt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Doch troͤſte dich, wer weiß du haͤtteſt, wohlbefliſſen</l><lb/> <l>Eingreifend, es villeicht erſt hin zum Sturz geriſſen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Es fiel nicht, danke Gott. Fiel es, ſo machteſt du</l><lb/> <l>Vorwuͤrfe dir mit Recht; nun iſt kein Grund dazu.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [227/0237]
136.
Du findeſt im Beſitz Genuͤge nimmermehr;
Denn es begehrt dein Herz entweder immer mehr,
Oder, haſt du genug, ſo fuͤrchteſt du Verluſt;
Und dort iſt ſo wie hier der Stachel in der Bruſt.
137.
Du ſiehſt, es wankt dein Kind, und, ſtatt ihm beizuſpringen,
Siehſt du mit Angſt ihm zu, wie es ihm wird gelingen.
Wird es im Gleichgewicht ſich halten, wird es fallen?
Daruͤber laͤſſeſt du die Zeit der Huͤlf' entwallen.
Die Roll' iſt ungeſchickt, die du dabei geſpielt;
Gefallen waͤr' es, wenn es nicht ſein Engel hielt.
Doch troͤſte dich, wer weiß du haͤtteſt, wohlbefliſſen
Eingreifend, es villeicht erſt hin zum Sturz geriſſen.
Es fiel nicht, danke Gott. Fiel es, ſo machteſt du
Vorwuͤrfe dir mit Recht; nun iſt kein Grund dazu.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/237>, abgerufen am 25.07.2024. |