Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.119. Ein Büßer, der im Wald bei strenger Buße büßte, Mit süßen Früchten nie den herben Gaumen süßte, Der trocknen Lippe nie erlaubte kühles Naß, Nur laues Wasser trank, nur welke Wurzeln aß; Ward einst gefragt, warum er sich so gar kasteie, Und ob zum Seelenheil die Pein nothwendig seie? Er sprach: Es ist allein für meine Seele nicht, Ich halte so zugleich die Welt im Gleichgewicht. Soviele sind die nur nach süßen Früchten rennen, Soviele die allein nach kühler Labe brennen, Soviele die wie Gift das Herbe weichlich fliehn, Daß auch das Gegentheil einmal nothwendig schien. So übernahm ich denn, was nicht durft' unterbleiben, Und übertreibe hier, weil sie dort übertreiben. 119. Ein Buͤßer, der im Wald bei ſtrenger Buße buͤßte, Mit ſuͤßen Fruͤchten nie den herben Gaumen ſuͤßte, Der trocknen Lippe nie erlaubte kuͤhles Naß, Nur laues Waſſer trank, nur welke Wurzeln aß; Ward einſt gefragt, warum er ſich ſo gar kaſteie, Und ob zum Seelenheil die Pein nothwendig ſeie? Er ſprach: Es iſt allein fuͤr meine Seele nicht, Ich halte ſo zugleich die Welt im Gleichgewicht. Soviele ſind die nur nach ſuͤßen Fruͤchten rennen, Soviele die allein nach kuͤhler Labe brennen, Soviele die wie Gift das Herbe weichlich fliehn, Daß auch das Gegentheil einmal nothwendig ſchien. So uͤbernahm ich denn, was nicht durft' unterbleiben, Und uͤbertreibe hier, weil ſie dort uͤbertreiben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0222" n="212"/> <div n="2"> <head>119.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein Buͤßer, der im Wald bei ſtrenger Buße buͤßte,</l><lb/> <l>Mit ſuͤßen Fruͤchten nie den herben Gaumen ſuͤßte,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der trocknen Lippe nie erlaubte kuͤhles Naß,</l><lb/> <l>Nur laues Waſſer trank, nur welke Wurzeln aß;</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ward einſt gefragt, warum er ſich ſo gar kaſteie,</l><lb/> <l>Und ob zum Seelenheil die Pein nothwendig ſeie?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Er ſprach: Es iſt allein fuͤr meine Seele nicht,</l><lb/> <l>Ich halte ſo zugleich die Welt im Gleichgewicht.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Soviele ſind die nur nach ſuͤßen Fruͤchten rennen,</l><lb/> <l>Soviele die allein nach kuͤhler Labe brennen,</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Soviele die wie Gift das Herbe weichlich fliehn,</l><lb/> <l>Daß auch das Gegentheil einmal nothwendig ſchien.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>So uͤbernahm ich denn, was nicht durft' unterbleiben,</l><lb/> <l>Und uͤbertreibe hier, weil ſie dort uͤbertreiben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [212/0222]
119.
Ein Buͤßer, der im Wald bei ſtrenger Buße buͤßte,
Mit ſuͤßen Fruͤchten nie den herben Gaumen ſuͤßte,
Der trocknen Lippe nie erlaubte kuͤhles Naß,
Nur laues Waſſer trank, nur welke Wurzeln aß;
Ward einſt gefragt, warum er ſich ſo gar kaſteie,
Und ob zum Seelenheil die Pein nothwendig ſeie?
Er ſprach: Es iſt allein fuͤr meine Seele nicht,
Ich halte ſo zugleich die Welt im Gleichgewicht.
Soviele ſind die nur nach ſuͤßen Fruͤchten rennen,
Soviele die allein nach kuͤhler Labe brennen,
Soviele die wie Gift das Herbe weichlich fliehn,
Daß auch das Gegentheil einmal nothwendig ſchien.
So uͤbernahm ich denn, was nicht durft' unterbleiben,
Und uͤbertreibe hier, weil ſie dort uͤbertreiben.
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