Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.84. Wennauch von Rache nicht das Recht ist so benannt, Doch von der Seite sind die Wurzeln anverwandt. Tritst du aus deines Rechts in meines Rechtes Kreis, So ist mein Widerstand des Uebertretens Preis. Doch, thatst du Unrecht mir, darf ich dir's wieder thun? Dann thust du's wieder mir, und wo wird's endlich ruhn? Die Rach' ist schrankenlos, das Recht ist nur in Schranken; Darum beschränke dich in Wort, Werk und Gedanken. Beschränke dich, damit du seiest unbeschränkt, Und kränk nicht innen dich, wenn man dich außen kränkt. Dein ist dein Recht, doch dein ist nicht Gericht und Rache; Ein allgemeines Recht vertritt die Einzelsache. Weißt du dein Thun gerecht, und andres ungerecht, So laß die Rache dem, der nichts läßt ungerächt. 84. Wennauch von Rache nicht das Recht iſt ſo benannt, Doch von der Seite ſind die Wurzeln anverwandt. Tritſt du aus deines Rechts in meines Rechtes Kreis, So iſt mein Widerſtand des Uebertretens Preis. Doch, thatſt du Unrecht mir, darf ich dir's wieder thun? Dann thuſt du's wieder mir, und wo wird's endlich ruhn? Die Rach' iſt ſchrankenlos, das Recht iſt nur in Schranken; Darum beſchraͤnke dich in Wort, Werk und Gedanken. Beſchraͤnke dich, damit du ſeieſt unbeſchraͤnkt, Und kraͤnk nicht innen dich, wenn man dich außen kraͤnkt. Dein iſt dein Recht, doch dein iſt nicht Gericht und Rache; Ein allgemeines Recht vertritt die Einzelſache. Weißt du dein Thun gerecht, und andres ungerecht, So laß die Rache dem, der nichts laͤßt ungeraͤcht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0190" n="180"/> <div n="2"> <head>84.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wennauch von Rache nicht das Recht iſt ſo benannt,</l><lb/> <l>Doch von der Seite ſind die Wurzeln anverwandt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Tritſt du aus deines Rechts in meines Rechtes Kreis,</l><lb/> <l>So iſt mein Widerſtand des Uebertretens Preis.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch, thatſt du Unrecht mir, darf ich dir's wieder thun?</l><lb/> <l>Dann thuſt du's wieder mir, und wo wird's endlich ruhn?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Die Rach' iſt ſchrankenlos, das Recht iſt nur in Schranken;</l><lb/> <l>Darum beſchraͤnke dich in Wort, Werk und Gedanken.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Beſchraͤnke dich, damit du ſeieſt unbeſchraͤnkt,</l><lb/> <l>Und kraͤnk nicht innen dich, wenn man dich außen kraͤnkt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Dein iſt dein Recht, doch dein iſt nicht Gericht und Rache;</l><lb/> <l>Ein allgemeines Recht vertritt die Einzelſache.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Weißt du dein Thun gerecht, und andres ungerecht,</l><lb/> <l>So laß die Rache dem, der nichts laͤßt ungeraͤcht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [180/0190]
84.
Wennauch von Rache nicht das Recht iſt ſo benannt,
Doch von der Seite ſind die Wurzeln anverwandt.
Tritſt du aus deines Rechts in meines Rechtes Kreis,
So iſt mein Widerſtand des Uebertretens Preis.
Doch, thatſt du Unrecht mir, darf ich dir's wieder thun?
Dann thuſt du's wieder mir, und wo wird's endlich ruhn?
Die Rach' iſt ſchrankenlos, das Recht iſt nur in Schranken;
Darum beſchraͤnke dich in Wort, Werk und Gedanken.
Beſchraͤnke dich, damit du ſeieſt unbeſchraͤnkt,
Und kraͤnk nicht innen dich, wenn man dich außen kraͤnkt.
Dein iſt dein Recht, doch dein iſt nicht Gericht und Rache;
Ein allgemeines Recht vertritt die Einzelſache.
Weißt du dein Thun gerecht, und andres ungerecht,
So laß die Rache dem, der nichts laͤßt ungeraͤcht.
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