Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.68. Es war ein Königsschloß, darauf war eine Uhr, Die wies dem Könige die eine Stunde nur, Die eine Stund', in der sein Vorfahr einst erblich, Dieselbe zeigte ihm der Zeiger, der nie wich. Und weißt du, wann er sich erst von der Stelle rührte? Wann er den nahen Tod des neuen Königs spürte. Dann gieng er kurze Frist, und wieder in den Frieden Sank er zurück, sobald der König auch verschieden. Du fragest: Könige, mit solcher Uhr begabt, Die also ihren Tod vor Augen stets gehabt, Vor allen sind sie weis' und mäßig wol gewesen? Man sollte meinen, ja! Doch hab' ichs nicht gelesen. 68. Es war ein Koͤnigsſchloß, darauf war eine Uhr, Die wies dem Koͤnige die eine Stunde nur, Die eine Stund', in der ſein Vorfahr einſt erblich, Dieſelbe zeigte ihm der Zeiger, der nie wich. Und weißt du, wann er ſich erſt von der Stelle ruͤhrte? Wann er den nahen Tod des neuen Koͤnigs ſpuͤrte. Dann gieng er kurze Friſt, und wieder in den Frieden Sank er zuruͤck, ſobald der Koͤnig auch verſchieden. Du frageſt: Koͤnige, mit ſolcher Uhr begabt, Die alſo ihren Tod vor Augen ſtets gehabt, Vor allen ſind ſie weiſ' und maͤßig wol geweſen? Man ſollte meinen, ja! Doch hab' ichs nicht geleſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0172" n="162"/> <div n="2"> <head>68.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Es war ein Koͤnigsſchloß, darauf war eine Uhr,</l><lb/> <l>Die wies dem Koͤnige die eine Stunde nur,</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die eine Stund', in der ſein Vorfahr einſt erblich,</l><lb/> <l>Dieſelbe zeigte ihm der Zeiger, der nie wich.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und weißt du, wann er ſich erſt von der Stelle ruͤhrte?</l><lb/> <l>Wann er den nahen Tod des neuen Koͤnigs ſpuͤrte.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dann gieng er kurze Friſt, und wieder in den Frieden</l><lb/> <l>Sank er zuruͤck, ſobald der Koͤnig auch verſchieden.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Du frageſt: Koͤnige, mit ſolcher Uhr begabt,</l><lb/> <l>Die alſo ihren Tod vor Augen ſtets gehabt,</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Vor allen ſind ſie weiſ' und maͤßig wol geweſen?</l><lb/> <l>Man ſollte meinen, ja! Doch hab' ichs nicht geleſen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [162/0172]
68.
Es war ein Koͤnigsſchloß, darauf war eine Uhr,
Die wies dem Koͤnige die eine Stunde nur,
Die eine Stund', in der ſein Vorfahr einſt erblich,
Dieſelbe zeigte ihm der Zeiger, der nie wich.
Und weißt du, wann er ſich erſt von der Stelle ruͤhrte?
Wann er den nahen Tod des neuen Koͤnigs ſpuͤrte.
Dann gieng er kurze Friſt, und wieder in den Frieden
Sank er zuruͤck, ſobald der Koͤnig auch verſchieden.
Du frageſt: Koͤnige, mit ſolcher Uhr begabt,
Die alſo ihren Tod vor Augen ſtets gehabt,
Vor allen ſind ſie weiſ' und maͤßig wol geweſen?
Man ſollte meinen, ja! Doch hab' ichs nicht geleſen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/172>, abgerufen am 26.07.2024. |