Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.65. Die Liebe Gottes kann so werden übertrieben, Daß sie für Sünd' es hält den Menschen auch zu lieben; Als würde Gott um das, was ihm gebührt, betrogen, Der Antheil, den du weihst dem Menschen, ihm entzogen. So ists, den Menschen wenn du liebst als Kreatur; Lieb' ihn als ewigen Gedanken Gottes nur! Du liebest Gott nicht ganz, wenn du ihn liebst allein, Wenn nicht auch alles, was er liebet, groß und klein. 66. Gesetze der Natur willst du, o Mensch, entdecken; Du solltest dir das Ziel etwas bestimmter stecken. Nicht das, wie sich verhält an und für sich die Welt, Entdecken sollst du, wie sie sich zu dir verhält. Wozu Gott immer sonst die Dinge mögen dienen, Du weißt nicht was sie sind, nur was du hast an ihnen. 65. Die Liebe Gottes kann ſo werden uͤbertrieben, Daß ſie fuͤr Suͤnd' es haͤlt den Menſchen auch zu lieben; Als wuͤrde Gott um das, was ihm gebuͤhrt, betrogen, Der Antheil, den du weihſt dem Menſchen, ihm entzogen. So iſts, den Menſchen wenn du liebſt als Kreatur; Lieb' ihn als ewigen Gedanken Gottes nur! Du liebeſt Gott nicht ganz, wenn du ihn liebſt allein, Wenn nicht auch alles, was er liebet, groß und klein. 66. Geſetze der Natur willſt du, o Menſch, entdecken; Du ſollteſt dir das Ziel etwas beſtimmter ſtecken. Nicht das, wie ſich verhaͤlt an und fuͤr ſich die Welt, Entdecken ſollſt du, wie ſie ſich zu dir verhaͤlt. Wozu Gott immer ſonſt die Dinge moͤgen dienen, Du weißt nicht was ſie ſind, nur was du haſt an ihnen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0170" n="160"/> <div n="2"> <head>65.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Liebe Gottes kann ſo werden uͤbertrieben,</l><lb/> <l>Daß ſie fuͤr Suͤnd' es haͤlt den Menſchen auch zu lieben;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Als wuͤrde Gott um das, was ihm gebuͤhrt, betrogen,</l><lb/> <l>Der Antheil, den du weihſt dem Menſchen, ihm entzogen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So iſts, den Menſchen wenn du liebſt als Kreatur;</l><lb/> <l>Lieb' ihn als ewigen Gedanken Gottes nur!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Du liebeſt Gott nicht ganz, wenn du ihn liebſt allein,</l><lb/> <l>Wenn nicht auch alles, was er liebet, groß und klein.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>66.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Geſetze der Natur willſt du, o Menſch, entdecken;</l><lb/> <l>Du ſollteſt dir das Ziel etwas beſtimmter ſtecken.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Nicht das, wie ſich verhaͤlt an und fuͤr ſich die Welt,</l><lb/> <l>Entdecken ſollſt du, wie ſie ſich zu dir verhaͤlt.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wozu Gott immer ſonſt die Dinge moͤgen dienen,</l><lb/> <l>Du weißt nicht was ſie ſind, nur was du haſt an ihnen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [160/0170]
65.
Die Liebe Gottes kann ſo werden uͤbertrieben,
Daß ſie fuͤr Suͤnd' es haͤlt den Menſchen auch zu lieben;
Als wuͤrde Gott um das, was ihm gebuͤhrt, betrogen,
Der Antheil, den du weihſt dem Menſchen, ihm entzogen.
So iſts, den Menſchen wenn du liebſt als Kreatur;
Lieb' ihn als ewigen Gedanken Gottes nur!
Du liebeſt Gott nicht ganz, wenn du ihn liebſt allein,
Wenn nicht auch alles, was er liebet, groß und klein.
66.
Geſetze der Natur willſt du, o Menſch, entdecken;
Du ſollteſt dir das Ziel etwas beſtimmter ſtecken.
Nicht das, wie ſich verhaͤlt an und fuͤr ſich die Welt,
Entdecken ſollſt du, wie ſie ſich zu dir verhaͤlt.
Wozu Gott immer ſonſt die Dinge moͤgen dienen,
Du weißt nicht was ſie ſind, nur was du haſt an ihnen.
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