Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.59. Der Aehnlichkeiten Spur zu folgen hast du Freiheit, Verwechseln darfst du nur sie nicht mit Einerleiheit. Das Ding, das du begreifst, ist freilich im Begriff, Doch der Begriff ist nicht des Dinges Inbegriff. Wer sieht nicht, daß sein Bild im Spiegel ähnlich sei Ihm selber? doch ist es mit ihm drum einerlei? Ob ich der Spiegel sei der Welt, ob sie der meine, Wir bleiben immer Zwei, worin sich zeigt das Eine. 60. Du denkest, was du denkst, das müße drum so seyn; Doch denke: denkest du denn auf der Welt allein? Viel andre denken auch, viel andres denken sie, Doch anders wird das Seyn durch anders denken nie. Es läßt sich so und so von unserm Denken fassen, Bleibt was es ist, und sieht dem Spiele zu gelassen. 59. Der Aehnlichkeiten Spur zu folgen haſt du Freiheit, Verwechſeln darfſt du nur ſie nicht mit Einerleiheit. Das Ding, das du begreifſt, iſt freilich im Begriff, Doch der Begriff iſt nicht des Dinges Inbegriff. Wer ſieht nicht, daß ſein Bild im Spiegel aͤhnlich ſei Ihm ſelber? doch iſt es mit ihm drum einerlei? Ob ich der Spiegel ſei der Welt, ob ſie der meine, Wir bleiben immer Zwei, worin ſich zeigt das Eine. 60. Du denkeſt, was du denkſt, das muͤße drum ſo ſeyn; Doch denke: denkeſt du denn auf der Welt allein? Viel andre denken auch, viel andres denken ſie, Doch anders wird das Seyn durch anders denken nie. Es laͤßt ſich ſo und ſo von unſerm Denken faſſen, Bleibt was es iſt, und ſieht dem Spiele zu gelaſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0166" n="156"/> <div n="2"> <head>59.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Aehnlichkeiten Spur zu folgen haſt du Freiheit,</l><lb/> <l>Verwechſeln darfſt du nur ſie nicht mit Einerleiheit.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Das Ding, das du begreifſt, iſt freilich im Begriff,</l><lb/> <l>Doch der Begriff iſt nicht des Dinges Inbegriff.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wer ſieht nicht, daß ſein Bild im Spiegel aͤhnlich ſei</l><lb/> <l>Ihm ſelber? doch iſt es mit ihm drum einerlei?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ob ich der Spiegel ſei der Welt, ob ſie der meine,</l><lb/> <l>Wir bleiben immer Zwei, worin ſich zeigt das Eine.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>60.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du denkeſt, was du denkſt, das muͤße drum ſo ſeyn;</l><lb/> <l>Doch denke: denkeſt du denn auf der Welt allein?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Viel andre denken auch, viel andres denken ſie,</l><lb/> <l>Doch anders wird das Seyn durch anders denken nie.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Es laͤßt ſich ſo und ſo von unſerm Denken faſſen,</l><lb/> <l>Bleibt was es iſt, und ſieht dem Spiele zu gelaſſen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [156/0166]
59.
Der Aehnlichkeiten Spur zu folgen haſt du Freiheit,
Verwechſeln darfſt du nur ſie nicht mit Einerleiheit.
Das Ding, das du begreifſt, iſt freilich im Begriff,
Doch der Begriff iſt nicht des Dinges Inbegriff.
Wer ſieht nicht, daß ſein Bild im Spiegel aͤhnlich ſei
Ihm ſelber? doch iſt es mit ihm drum einerlei?
Ob ich der Spiegel ſei der Welt, ob ſie der meine,
Wir bleiben immer Zwei, worin ſich zeigt das Eine.
60.
Du denkeſt, was du denkſt, das muͤße drum ſo ſeyn;
Doch denke: denkeſt du denn auf der Welt allein?
Viel andre denken auch, viel andres denken ſie,
Doch anders wird das Seyn durch anders denken nie.
Es laͤßt ſich ſo und ſo von unſerm Denken faſſen,
Bleibt was es iſt, und ſieht dem Spiele zu gelaſſen.
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